Einleitung
35
Doch waren private Beziehungen von Königen zu anderen Königen stets
immer auch Staatsangelegenheiten,'" die mit dem modernen Begriff »Außen-
politik« betitelt werden können. So formuliert Dieter Berg, dass jede politi-
sche Aktion eines Königs, »die über die Grenzen des eigenen Machtbereichs
hinausweist und höchst unterschiedliche Ziele [...] unter Verwendung eines
geeigneten Instrumentariums politischer Kommunikation verfolgte, als Akt
außenpolitischen Handelns [zu] bezeichnen« sei." ' Berg geht von abgrenzbaren
Sphären der Politikgestaltung aus, die inhaltlich, geographisch oder formal un-
terscheidbar sind. Dieses Forschungskonzept wurde in der Mediävistik dort
erkenntnisfördernd eingesetzt, wo es darum ging, Formierungs- und Abgren-
zungsprozesse bei werdender Staatlichkeit und auch die Mittel und Wege die-
ser Beziehungspflege zu untersuchen."' Besonders effektiv gelang dies bei der
Untersuchung bilateraler Beziehungen,"' doch auch systematische Außenpo-
litik als eigene Ebene der Politikgestaltung wurde untersucht.'" Damit wird
die Betrachterperspektive auf ein Reich festgelegt, für das Innen und Außen
geschieden werden können." Dies setzt bestimmte Formen von Staatlichkeit
und Souveränität voraus.'" Obwohl Königen als jeweils höchsten Amtsträgern
in ihren Reichen ein hohes Maß an Machtfülle zukam, traten sie nicht zwangs-
läufig untereinander gleichrangig in Beziehung. Weder betrachteten sich die
Könige als eigenen, höchsten Stand in einem christlichen Europa, noch war
die juristische Figur der gleichrangigen Rechtssubjekte im Verkehr zwischen
den Königreichen ausgebildet. Dazu waren vielfach die Begrenzungslinien der
Macht im inneren und äußeren nicht eindeutig gezogen. Sogar innerstädtische
Korporationen konnten auf Augenhöhe mit einem Kaiser verhandeln, ihn zu
einem Eid zwingen."' Die Souveränität im modernen völkerrechtlichen Sinne
war noch nicht ausformuliert, doch der Begriff existierte bereits im späten
Mittelalter. Er wurde argumentativ in Texten und Traktaten verwendet, wenn
auch nicht in der von Jean Bodin geprägten Bedeutung.'" Die umfangreichen
Studien zu Begriffsherkunft und Verwendung versteiften sich auf den rechtli-
chen Gehalt, doch waren zu einer endgültigen Ausgestaltung und Formfindung
118 ÜHAPLAis, English Medieval Diplomatie Practice, Bd. 1/1, S. 81.
119 BERG, Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500, S. 1; weitere Bestimmungen bei REiTE-
MEtER, Außenpolitik, S. 21-24, der sich kritisch mit Bergs Definition auseinandersetzt und die
Begrenzungen der Machtbereiche bei außenpolitischen Handelns in den Vordergrund rückt,
sich dabei aber auf die Untersuchung von bilateralen Beziehungen beschränkt.
120 KtNTziNGER, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa, S. 17-26.
121 ZERNACK, Polen und Rußland, S. 16-26; ebenso REiTEMEiER, Außenpolitik im Spätmittelalter.
122 WEFERs, Versuch über die Außenpolitik des spätmittelalterlichen Reichs.
123 Die zeitbedingte Auffassung von KiENAST, Die Anfänge des europäischen Staatensystems im
späten Mittelalter (1936), dass der Begriff des Kaisertums eine auswärtige Politik im Grunde
ausschloss, dürfte damit als überholt gelten.
124 SEIDELMANN, Art. »Außenpolitik«, in: Lexikon der Politik. Band 6 (1994), S. 42-49.
125 CoLBERG, DER ElD DES KÖNIGS, S. 92-118.
126 Jean Bodin (1529-1596), Les six livres de la Republique (1583), Buch 1, Kap. 8 (über den Begriff
der Souveränität).
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Doch waren private Beziehungen von Königen zu anderen Königen stets
immer auch Staatsangelegenheiten,'" die mit dem modernen Begriff »Außen-
politik« betitelt werden können. So formuliert Dieter Berg, dass jede politi-
sche Aktion eines Königs, »die über die Grenzen des eigenen Machtbereichs
hinausweist und höchst unterschiedliche Ziele [...] unter Verwendung eines
geeigneten Instrumentariums politischer Kommunikation verfolgte, als Akt
außenpolitischen Handelns [zu] bezeichnen« sei." ' Berg geht von abgrenzbaren
Sphären der Politikgestaltung aus, die inhaltlich, geographisch oder formal un-
terscheidbar sind. Dieses Forschungskonzept wurde in der Mediävistik dort
erkenntnisfördernd eingesetzt, wo es darum ging, Formierungs- und Abgren-
zungsprozesse bei werdender Staatlichkeit und auch die Mittel und Wege die-
ser Beziehungspflege zu untersuchen."' Besonders effektiv gelang dies bei der
Untersuchung bilateraler Beziehungen,"' doch auch systematische Außenpo-
litik als eigene Ebene der Politikgestaltung wurde untersucht.'" Damit wird
die Betrachterperspektive auf ein Reich festgelegt, für das Innen und Außen
geschieden werden können." Dies setzt bestimmte Formen von Staatlichkeit
und Souveränität voraus.'" Obwohl Königen als jeweils höchsten Amtsträgern
in ihren Reichen ein hohes Maß an Machtfülle zukam, traten sie nicht zwangs-
läufig untereinander gleichrangig in Beziehung. Weder betrachteten sich die
Könige als eigenen, höchsten Stand in einem christlichen Europa, noch war
die juristische Figur der gleichrangigen Rechtssubjekte im Verkehr zwischen
den Königreichen ausgebildet. Dazu waren vielfach die Begrenzungslinien der
Macht im inneren und äußeren nicht eindeutig gezogen. Sogar innerstädtische
Korporationen konnten auf Augenhöhe mit einem Kaiser verhandeln, ihn zu
einem Eid zwingen."' Die Souveränität im modernen völkerrechtlichen Sinne
war noch nicht ausformuliert, doch der Begriff existierte bereits im späten
Mittelalter. Er wurde argumentativ in Texten und Traktaten verwendet, wenn
auch nicht in der von Jean Bodin geprägten Bedeutung.'" Die umfangreichen
Studien zu Begriffsherkunft und Verwendung versteiften sich auf den rechtli-
chen Gehalt, doch waren zu einer endgültigen Ausgestaltung und Formfindung
118 ÜHAPLAis, English Medieval Diplomatie Practice, Bd. 1/1, S. 81.
119 BERG, Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500, S. 1; weitere Bestimmungen bei REiTE-
MEtER, Außenpolitik, S. 21-24, der sich kritisch mit Bergs Definition auseinandersetzt und die
Begrenzungen der Machtbereiche bei außenpolitischen Handelns in den Vordergrund rückt,
sich dabei aber auf die Untersuchung von bilateralen Beziehungen beschränkt.
120 KtNTziNGER, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa, S. 17-26.
121 ZERNACK, Polen und Rußland, S. 16-26; ebenso REiTEMEiER, Außenpolitik im Spätmittelalter.
122 WEFERs, Versuch über die Außenpolitik des spätmittelalterlichen Reichs.
123 Die zeitbedingte Auffassung von KiENAST, Die Anfänge des europäischen Staatensystems im
späten Mittelalter (1936), dass der Begriff des Kaisertums eine auswärtige Politik im Grunde
ausschloss, dürfte damit als überholt gelten.
124 SEIDELMANN, Art. »Außenpolitik«, in: Lexikon der Politik. Band 6 (1994), S. 42-49.
125 CoLBERG, DER ElD DES KÖNIGS, S. 92-118.
126 Jean Bodin (1529-1596), Les six livres de la Republique (1583), Buch 1, Kap. 8 (über den Begriff
der Souveränität).