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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0168

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164

Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

Am Beispiel des päpstlichen Anspruchs, Eide aufheben und Dispense ertei-
len zu können, zeigt sich, wie der Einsatz des Eides zwischen zwei Herrschern
von einer dritten politischen Macht Europas beeinträchtigt werden konnte. In-
ternationale, durch Eid beschworene Verträge konnten dadurch grundsätzlich
Beteiligung kirchlicher Instanzen nach sich ziehen, die aus dem Gottesbezug
der geleisteten Eide ihre Berechtigung zur Teilhabe am Verfahren ableiteten.^ '
Somit konnten Verpflichtungen dieser Verträge kirchlicher Jurisdiktion unter-
worfen werden. Dies war eine der bedeutendsten Möglichkeiten des mittelalter-
lichen Papsttums, politischen Einfluss auf Rechtsangelegenheiten zwischen
europäischen Königen und Fürsten zu nehmen/" Bereits das Inaussichtstellen
einr Dispens für eine der Vertragsparteien konnte einen beeideten Vertrag in
seinem Bestand gefährden. So ist es durchaus vorstellbar, dass Eduard III. von
England während seiner Begegnung mit Eudwig dem Bayern in Koblenz im
Jahre 1338 beim Abschluss der antifranzösischen Waffenallianz auf einen kir-
chenrechtlich greifbaren Eid verzichtete."' Die Exkommunikation des Kaisers
war Grund genug, dass der Papst dessen Eid annullieren konnte. Ferner hat-
te Papst Benedikt XII. die Möglichkeit, Eduard wegen eines Abkommen mit
einem exkommunizierten, häretischen und schismatischen Kaiser zu exkom-
munizieren, doch er beließ es bei einem brieflichen Tadel und bat im selben
Schreiben um die Zurückstellung der Eroberungspläne für CambraiZ" Anders
nutzte Papst Johannes XXII. seine Dispensationgewalt im Jahre 1325 zugunsten
Kaiser Ludwigs des Bayern. Der zwischen Ludwig und Friedrich dem Schö-
nen in München beidseitig beschworene Vertrag, der das Mitkönigtum des
Habsburgers festlegte, wurde vom Papst für ungültig erklärt."' Allein, Fried-
rich hielt daran fest, da er sich durch den Münchner Vertrag mehr Vorteile
versprach als eine päpstliche Parteinahme.'" Auch Johann II. von Frankreich
setzte die päpstliche Dispens nicht in internationalem diplomatischen Verkehr
ein, die ihm in einem Brief von Clemens VI. versprochen worden war: Er habe
dem Beichtvater die Vollmacht gegeben, die ungelegenen Eide (ijMac pos serpare
co7w??o& von posscü's) in Werke der Frömmigkeit zu wandeln.
Durch die päpstliche Intervention kam es auch zu einem größeren Disput
über die Gültigkeit eines Eides zwischen Sigismund und König Wladyslaw Ja-

193 Zusammenfassend PRODi, Sakrament der Herrschaft, S. 123f.; KoLMER, Promissorische Eide,
S. 335f.
194 PRom, Sakrament der Herrschaft, S. 124, der damit schärfer formulierte Gegenüberstellungen
von theokratischem Herrschaftsanspruch und Jurisdiktionsgewalt des Papsttums wie z. B.
HAGENEDER, Das päpstliche Recht der Fürstenabsetzung verwirft. Vgl. dazu auch MiETHKE, De
potestate Papae.
195 Der einzige Hinweis auf einen Vertrag ist der Beleg bei Henry Knighton, Chronicle, ed./engl.
Martin, S. 8, 10. Ein Vertragswerk im eigentlichen Sinne ist nicht erhalten.
196 Benoit XII., Eettres closes patentes et curiales se rapportant ä la France, ed. Daumet, Nr. 649.
197 Papst Johannes XXII. hob die Eide Friedrichs auf: 1325 Mai 4 (MGH, Const. 6/1, Nr. 55, S. 37);
Regesta Habsburgica, Nr. 1534.
198 Zu den weiteren Gründen für Friedrichs Festhalten (Sicherung der Mitregentschaft im Ge-
gensatz zum gänzlichen Einflussverlust bei einer erfolgreichen französischen Kandidatur, die
seine Brüder zweitweise förderten): PREGER, Die Verträge Ludwigs des Baiern mit Friedrich
dem Schönen, S. 27-38.
 
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