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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0234

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Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

nicht herangezogen, da diese in den wenigsten Fällen ausreichend dokumen-
tiert und somit auswertbar waren. Für die Schlacht bei Mühldorf am 28. Sep-
tember 1322, die als die letzte Ritterschlacht auf deutschem Boden gilt und
den Kampf um den Thron zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich von
Habsburg entschied, sind verschiedene Berichte erhalten. In der Chronica de
gestis principum wird ein ritueller Unterwerfungsakt geschildert. Gerade für
das späte Mittelalter scheint dies ungewöhnlich, verweist doch die Geste der
dodztzo eindeutig in das frühe und hohe Mittelalter/ Friedrich sei vor Ludwig
auf die Knie gefallen und habe unter Tränen um sein Leben gefleht/ Ist dies
als rituelles Weinen um königliche Gnade zu werten? Konnte ein unterlegener
Fürst noch im 14. Jahrhundert erwarten, durch den Unterwerfungsakt sein Le-
ben zu retten? Georg Leidinger, der Herausgeber der Bayerischen Chroniken
des 14. Jahrhunderts, bescheinigt dem Verfasser der Passage, einem anonymen
Mönch von Fürstenfeld, im allgemeinen hohen Aussagewert, kommentiert je-
doch die betreffenden Sätze als unglaubwürdige Übertreibung. Alfons Lhotsky
plädiert gar dafür, die Beschreibung »völlig abzulehnen«/ So spricht wenig
dafür, der Szene hohe Plausibilität zuzumessen. Einem derartigen Demutsakt
widerspricht auch die österreichische Überlieferung, bei der - wie zu erwarten
- keine derart erniedrigende Situation geschildert wird. Im Gegenteil, denn
nach dem österreichischen »Bericht über die Schlacht bei Mühldorf« hatte Lud-
wig Friedrich zwar ablehnend begrüßt und ihm zu verstehen gegeben, dass
er nicht erfreut sei, seinen Oheim zu sehen. Doch darauf habe Friedrich spitz
geantwortet, er sehe seinen Vetter Ludwig niemals gerne." Diese stolze Entgeg-
nung Friedrichs ist angesichts der immer noch bedrohlichen Situation ebenfalls
nicht sehr glaubwürdig.
Zwischen diesen extremen Ansichten liegt die Schilderung des Mathias von
Neuenburg/ Friedrich sei mit den Worten AuMwcMie, LLcnUr oz'dezziMS oos kz'c be-
grüßt worden, habe darauf allerdings nicht geantwortet. Mit dem Bibelwort
über die Bestürzung des Lysias nach der Mitteilung über die verlorene Schlacht
gegen das Gottesvolk (Mach 4,27) wird Friedrichs Reaktion charakterisiert; z'do
. cozisUziMhzs zzzizkio ?zo7r z'espozzdzF. Mathias von Neuenburg verweist damit auf
die zweideutige bzw. ironische Begrüßung durch Ludwig, wie sie der anony-
me »Bericht über die Schlacht bei Mühldorf« bereits erwähnte. Andererseits
impliziert der Autor eine unerwartet demütige Haltung des Habsburgers, die
sich eben nicht durch Schlagfertigkeit, sondern Angst und Bestürzung aus-

3 Koz:oL, Begging Pardon and Favor; ALTHOFF, Empörung, Tränen, Zerknirschung; DERS., Der
König weint; S. 239-252 (insb. S. 241); DERS., Das Privileg der »deditio«, S. 27-52.
4 Chronica de gestis principum, in: Bayerische Chroniken des XIV. Jahrhunderts, ed. Eeidinger,
S. 95: Qni cnm oenissenZ coram rege,/7enZes eZ einZanfes con'MgrMnZ coram eo z'nsuper terram,
Zimentes se occisuros. Rex oero erga eos regia ciemencia nteHtnr, <?nia cZenrencia cZeceZ regem. »Sn^'giZe«
in^uiZ, »ccupaZite, non moriemini istu uice, se<t uos reseroaZw, ^nons^ne mini ^Ze ooZu's saZis/ieZ«.
5 Ebd., Anm. 5; LHOTSKY, Geschichte Österreichs, S. 275.
6 Österreichischer Bericht über den Streit bei Mühldorf, in: ERBEN, Die Berichte der erzählenden
Quellen über die Schlacht bei Mühldorf, S. 485: Herr o'Zra'm, icir saci! eucZr nye so gern. Darauf
Friedrich: icZr sacit aZ?er enci! nye aZs ungern.
7 Mathias von Neuenburg, Chronik, ed. Hofmeister, S. 121.
 
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