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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0320

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Tei] 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

gelehrte, propagandistische und gegebenenfalls auch polemische Schriften/''
sondern gerade auch eine symbolische Selbst- und Fremddarstellung der Herr-
schergröße in der Öffentlichkeit.
Dem impliziten kaiserlichen Anspruch auf Weltherrschaft setzten franzö-
sische und vor allem spanische Juristen entgegen, dass der Anspruch ja nur
auf dem römischen Recht basiere, also dort, wo die Macht des Kaisers Justi-
nian nicht hinreichte, auch kein Anspruch durchsetzbar sei. Spanien sei ausge-
schlossen, da es sich selbst aus der Hand der Ungläubigen befreit habe. Auch in
Frankreich gelte nur wenig des alten Kaiserrechts. Vielmehr seien die eigenen
Rechtsgewohnheiten ein weiterer Grund für den gedachten Sonderstatus. Die-
sem widersprach die Position des Bernhard von Parma (1060 - 1133), dem Leh-
rer des Wilhem Durandus. Nach ihm war der Kaiser das weltliche Oberhaupt
der Christenheit. Somit sei er von allen Christen, also auch Spaniern, Franzosen,
Engländern, Norwegern etc. anzuerkennen. War diese Debatte nicht eindeutig
zu entscheiden, erklärt sich auch die französische Unentschiedenheit bzw. das
geschickte, den jeweiligen Gegebenheiten angepasste Verhalten im Bezug auf
das Kaisertum. Einerseits kam es immer wieder dazu, dass sich französische
Könige selbst für die Kaiserkrone bewarben. Andererseits kam es genauso zu
Versuchen, durch die Strahlkraft einer aufgewerteten Königswürde das Kai-
sertum zu begrenzend" Die Forderung nach autonomer Regentschaft war viel
eher nach innen als nach außen gerichtet: Ziel und Wunsch der an der Rechts-
entwicklung Teilhabenden war es, an den im Kaiserrecht festgelegten Kompe-
tenzen zu wachsen. Denn dazu gehörten vor allem die Rolle des prmccps als
lex dmÜMfa, also die freie gesetzgeberische Kompetenz sowie die beanspruchte
Berechtigung, einen Krieg zum jMSlMW erklären zu können. Nur souve-
räne Herrscher konnten dies tunÖ
Wir werden diese im Hintergrund laufende Entwicklung bei der Bewer-
tung der Zeichensetzung durch die französische Seite vor Augen halten müs-
sen. Dass gerade aber bei der Begegnung Karls IV. und Karls V. die Bedeutung
der Symbole und kulturellen Zeichen so ernst genommen wurde, lag sicherlich
auch in der Person des französischen Königs begründet. Als Karl »le Sage« im
Jahre 1364 auf Johann den Guten folgte, eilte ihm bereits der Ruf voraus, mit
Büchern so gut umgehen zu können, wie mit dem Schwert. Während seiner Re-
gierungszeit sammelte er an seinem Hof einen großen Kreis von literarischen,
juristischen und künstlerischen Intellektuellen um sich. Er ließ Übersetzungen
des Aristoteles anfertigen, gab auch Übertragungen arabischer Texte ins Fran-
zösische in Auftrag und bestückte so seine vielleicht 500 Bände umfassende Bi-
bliothek. Erstaunlich ist einer seiner Sammlungsschwerpunkte, wie sie aus der
Rekonstruktion des Inventars seiner Bibliothek hervorgehen: politische Theo-
rie.'^ Viele der Traktate und Schriften kreisen um den Herrschaftsanspruch des

79 Zur politischen Propaganda während der Herrschaftszeit Karls VI.: GREVY-PoNS, Propagande
et sentiment national pendant le regne de Charles VI, S. 127-146.
80 PosT, Two Notes on Nationalism in the Middle Ages, S. 281-320.
81 QuARtTSCH, Souveränität, S. 24f..
82 DEHSLE, Recherches sur la librairie de Charles V. weist die einschlägigen Titel auf.
 
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