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Schlussbetrachtung
wie Krönungen, Eheschließungen, Beerdigungen, Festeinzügen etc./ steht bei
Herrschertreffen die Absicht im Vordergrund, zumeist noch ergebnisoffene
Situationen politischer Entscheidungsfindung zu beeinflussen. Hierbei fanden
vor allem in der ersten Hälfte des untersuchten Zeitraums etwa gleich viele
Begegnungen statt, bei denen im Vorfeld ein Konsens der Parteien noch nicht
absehbar war und solche, bei denen sich die Protagonisten zum Vollzug lang
zuvor vereinbarter Abmachungen trafen. In der zweiten Hälfte des Untersu-
chungszeitraums gingen jedoch Begegnungen, bei denen sich Herrscher zu
noch offenen Gesprächen trafen, erheblich zurück.
Dabei erwies sich weiter, dass sich Herrschertreffen als kulturelle Phäno-
mene einer stringenten Typologisierung nach äußerer Form oder Funktion
entziehen. Freilich konnte eine große Zahl eindeutiger Treffen angeführt wer-
den, die inhaltliche oder formale Analogien aufweisen (Homagien, Friedens-
schlüsse etc.). Doch lag es durchaus in der Natur der Treffen, jeweils mehrere
formale und politische Aspekte gleichzeitig zu beinhalten und bisweilen zu
vermischen. Je nach Fragestellung und Blickwinkel konnte der Anlass oder das
Anliegen eines Herrschertreffens bewertet und interpretiert werden. Als bestes
Beispiel hierfür dürfte die kontrovers geführte Debatte über den Charakter des
nur schemenhaft greifbaren Krakauer Königskongresses des Jahres 1364 gel-
ten. Unter anderem wurde die Begegnung als Gipfeltreffen mit dem Ziel einer
luxemburgisch-angevinischen Aussöhnung, als zeremonielle Nachwirkung
einer geschickten Heiratspolitik Karls IV., als Kernstück einer Strategie der
Neuordnung Osteuropas durch die anwesenden Könige oder schlicht als Fa-
milientreffen gekrönter Häupter gewertet/ Bei enger Typologisierung wäre
dieses Treffen nicht in seiner Vielschichtigkeit zu erfassen. Ein rein strukturel-
ler Ansatz erwies sich dabei als nicht ausreichend, um die Situationsbezogen-
heit zeremoniellen Verhaltens und den Faktor »Mensch« zu berücksichtigen.
Individuelle Fähigkeiten und Eigenschaften, persönliche Momente und Vor-
stellungen bestimmten in erheblichem Maße die Ausführung eines Treffens.
Starke Herrscherpersönlichkeiten konnten die politischen, militärischen und
örtlichen Bedingungen für ein Herrschertreffen zum eigenen Vorteil beeinflus-
1 CANNADiNE/PRiCE (Hg.), Rituals of Royalty, S. 12; zu den Begrifflichkeiten vgl. den Abschnitt
»Ritual, Zeremoniell, Protokoll« in der Einleitung.
2 Der Historiograph Jan Diugosz gibt an, es handle sich dabei hauptsächlich um die Hochze-
it Kaiser Karls IV. mit der Enkelin des polnischen Königs. Dagegen stellte die ältere deut-
sche bzw. österreichische Geschichtsschreibung in den Vordergrund, dass es eher um eine
feierliche Aussöhnung ging, mit der Kasimir als Schiedsrichter im Konflikt zwischen Karl
und Ludwig von Ungarn einen Frieden bestätigte (HERQUET, Beiträge zum Itinerar Karls IV.
und zu seinem Aufenthalt in Schlesien mit dem König von Cypern im Jahre 1364, S. 522-524;
STEINHERZ, Die Beziehung Ludwigs I. von Ungarn zu Karl IV., Teil 2, S. 610; WERUNSKY, Ge-
schichte Kaiser Karls IV., Bd. 3, 307f.); die neuere deutsche Historiographie sali hingegen den
Kongress als zeremonielle Nachwirkung von Karls geschickter Ehepolitik (SEiBT, Karl FV.,
S. 307); auf polnischer Seite bewertete man bisweilen den Krakauer Kongress als Fundament
für die »Neuordnung Osteuropas« (GRODECKi, Kongres Krakowski w roku 1364, S. 99-101)
oder nüchterner als »Familientreffen«, bei dem sich allerdings dynastisch-familiäre Interessen
als Triebfeder außenpolitischen Handelns erwiesen (SnwiNSKi, Powiqzania dynastyczne Ka-
zimierza Wielkiego a sukcesja tronu w Polsce, S. 72-93).
Schlussbetrachtung
wie Krönungen, Eheschließungen, Beerdigungen, Festeinzügen etc./ steht bei
Herrschertreffen die Absicht im Vordergrund, zumeist noch ergebnisoffene
Situationen politischer Entscheidungsfindung zu beeinflussen. Hierbei fanden
vor allem in der ersten Hälfte des untersuchten Zeitraums etwa gleich viele
Begegnungen statt, bei denen im Vorfeld ein Konsens der Parteien noch nicht
absehbar war und solche, bei denen sich die Protagonisten zum Vollzug lang
zuvor vereinbarter Abmachungen trafen. In der zweiten Hälfte des Untersu-
chungszeitraums gingen jedoch Begegnungen, bei denen sich Herrscher zu
noch offenen Gesprächen trafen, erheblich zurück.
Dabei erwies sich weiter, dass sich Herrschertreffen als kulturelle Phäno-
mene einer stringenten Typologisierung nach äußerer Form oder Funktion
entziehen. Freilich konnte eine große Zahl eindeutiger Treffen angeführt wer-
den, die inhaltliche oder formale Analogien aufweisen (Homagien, Friedens-
schlüsse etc.). Doch lag es durchaus in der Natur der Treffen, jeweils mehrere
formale und politische Aspekte gleichzeitig zu beinhalten und bisweilen zu
vermischen. Je nach Fragestellung und Blickwinkel konnte der Anlass oder das
Anliegen eines Herrschertreffens bewertet und interpretiert werden. Als bestes
Beispiel hierfür dürfte die kontrovers geführte Debatte über den Charakter des
nur schemenhaft greifbaren Krakauer Königskongresses des Jahres 1364 gel-
ten. Unter anderem wurde die Begegnung als Gipfeltreffen mit dem Ziel einer
luxemburgisch-angevinischen Aussöhnung, als zeremonielle Nachwirkung
einer geschickten Heiratspolitik Karls IV., als Kernstück einer Strategie der
Neuordnung Osteuropas durch die anwesenden Könige oder schlicht als Fa-
milientreffen gekrönter Häupter gewertet/ Bei enger Typologisierung wäre
dieses Treffen nicht in seiner Vielschichtigkeit zu erfassen. Ein rein strukturel-
ler Ansatz erwies sich dabei als nicht ausreichend, um die Situationsbezogen-
heit zeremoniellen Verhaltens und den Faktor »Mensch« zu berücksichtigen.
Individuelle Fähigkeiten und Eigenschaften, persönliche Momente und Vor-
stellungen bestimmten in erheblichem Maße die Ausführung eines Treffens.
Starke Herrscherpersönlichkeiten konnten die politischen, militärischen und
örtlichen Bedingungen für ein Herrschertreffen zum eigenen Vorteil beeinflus-
1 CANNADiNE/PRiCE (Hg.), Rituals of Royalty, S. 12; zu den Begrifflichkeiten vgl. den Abschnitt
»Ritual, Zeremoniell, Protokoll« in der Einleitung.
2 Der Historiograph Jan Diugosz gibt an, es handle sich dabei hauptsächlich um die Hochze-
it Kaiser Karls IV. mit der Enkelin des polnischen Königs. Dagegen stellte die ältere deut-
sche bzw. österreichische Geschichtsschreibung in den Vordergrund, dass es eher um eine
feierliche Aussöhnung ging, mit der Kasimir als Schiedsrichter im Konflikt zwischen Karl
und Ludwig von Ungarn einen Frieden bestätigte (HERQUET, Beiträge zum Itinerar Karls IV.
und zu seinem Aufenthalt in Schlesien mit dem König von Cypern im Jahre 1364, S. 522-524;
STEINHERZ, Die Beziehung Ludwigs I. von Ungarn zu Karl IV., Teil 2, S. 610; WERUNSKY, Ge-
schichte Kaiser Karls IV., Bd. 3, 307f.); die neuere deutsche Historiographie sali hingegen den
Kongress als zeremonielle Nachwirkung von Karls geschickter Ehepolitik (SEiBT, Karl FV.,
S. 307); auf polnischer Seite bewertete man bisweilen den Krakauer Kongress als Fundament
für die »Neuordnung Osteuropas« (GRODECKi, Kongres Krakowski w roku 1364, S. 99-101)
oder nüchterner als »Familientreffen«, bei dem sich allerdings dynastisch-familiäre Interessen
als Triebfeder außenpolitischen Handelns erwiesen (SnwiNSKi, Powiqzania dynastyczne Ka-
zimierza Wielkiego a sukcesja tronu w Polsce, S. 72-93).