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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0323

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322

IVI Problematisierungen

Grundlage beziehungsweise Voraussetzung für eine Verurteilung. Die Folter
sollte also Schmerzen bereiten, keinesfalls aber den Angeklagten töten A Dass
körperliche Schmerzen jedoch eher eine Aussage erbrachten, die der Gefolter-
te seitens der Folterer für erwünscht hielt, als die Wahrheit, war den Zeitge-
nossen durchaus bewusst. Dieses Problem sollte durch einen speziellen Ab-
lauf umgangen werden: Nachdem der Beschuldigte unter Folter gestanden
hatte, durfte er sich kurz „in der Küche aufwärmen", wie es immer wieder im
Register heißt. Danach musste das Geständnis wiederholt werden - und galt
damit als freiwillig abgelegt. Hier liegt die Innovation des Registers Aleaume
Cachemarees: Die Folterpraxis war bisher kaum normiert, sondern dem Vor-
gehen des jeweiligen Richters Übertassen A Mit der Auswahl von Fällen, die
einen gichtigen' Ablauf demonstrieren, wollte das Register diesen als vorbild-
lich und verbindlich empfehlend
Es war daher aus dieser Sicht kein Widerspruch, dass in das Register auch
Fälle auf genommen wurden, in denen Inhaftierte ihre Geständnisse, die sie
bereits in anderen Gefängnissen abgelegt hatten, nun widerriefen, weil sie
unter Folter entstanden seiend Nach den Prinzipien der Rechtsfindung, die
das Registre cnminei vertrat, wurde ein solcher Widerruf akzeptiert, führte
jedoch zwangsweise zur erneuten Anwendung der Folter, „um nun vollstän-
dig aus seinem Mund die Wahrheit zu hören. "36 Nach dem „Aufwärmen in
der Küche" konnte dann das schließlich juristisch verwertbare Geständnis
„ohne jegliche Gewalt, Angst oder Zwang durch Folter"^ protokolliert wer-
den.
Das Registre eriminei gibt also eher ein normatives Muster vor, als einen
repräsentativen Einblick in die zeitgenössische Praxis zu bieten. Rechtlich war
Folter vor dem Pariser Parlament seit 1319-21 möglich und wurde in circa fünf
Prozent der Fälle angewandt - dies zeigt, wie verzerrt das Bild ist, welches
das Registre eriminei liefert, in dem in 75% der Fälle gefoltert wurdeA Am Hof

32 Carbonnieres, La procedure, S. 502; Gonthier, Chätiment, S. 99-102.
33 Zur Normierung v.a. im 16. Jahrhundert siehe Schmoeckel, Humanität, S. 254-267. Siehe auch
Carbonnieres, La procedure, S. 500-504.
34 Gauvard, Grace especia), S. 37f.; Gauvard, Violence et ordre public, S. 138f.
33 So etwa Regnaut de Poilly: Ni/g, & per scrcM!CMt, pur /r coMtcMM CM i/ccdcs Rust uerde, jgssod ce pue
i/cedes d ad gutre^bis coMgMeus & cop/cssees; & dd pue icedes dpsf par doutde, ergdde & pgour des
puesdoMS & fourMMMS CM puoi/ d/H Mus gudd dcu de /g Perle. Registre criminel, Bd. 1, S. 438. Ebenso
Julien Bernier, ebd., Bd. 1, S. 467.
33 DedbereMf &/MrcMf d'oppiMioM pue, pour CM sguod plus g p/g;*M pgr sg bouede /g uerde, d Rusi Mrisi g
puesdoM. Registre criminel, Bd. 1, S. 438.
32 Si//M Mus dors dd'eede puesd'oM, M!CMC cdgpyier CM /g cuisiMC CM /g M!gM;'crc gcoMstMM!ccc, &, CM gpres,
rgM!CMC CM ;'MgcM!CMt sur /es pMgrregutx dudd Cdgsieded CM /g prcscMcc des dessus M0M!M!cz coMsedd'ers,
& d/ee, sgMZ gMCMMCp)rrc, pgour ou eoMsirg/Mie de gedgi/Me, gpres ce pu'd sereMreMi gus sg;*MS
EugMgdes de D/eu de dde uerde, dd, eogMeui & eop/essg pour uerde pue f.. J. Registre criminel, Bd. 1,
S. 452.
33 Gauvard, Grace especia), S. 37; siehe auch Gauvard, Violence et ordre public, S. 138-140. Zur
Folter generell: Tracy, Torture, bes. S. 5-10; Gauvard, Grace especial, S. 157.
 
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