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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0332

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41 Formen obrigkeitlicher Gewalt

331

Ähnlich umstritten war der Umgang mit der Leiche Philipps van Artevel-
de: Nachdem die französischen Truppen 1382 in der Schlacht von Roosebeke
gegen die flämischen Städte gesiegt hatten, fand man den Genter C%p;hn-
ne Philipp van Artevelde unter den Toten und präsentierte ihn Karl VI. Man
habe den Toten einige Zeit den Blicken ausgesetzt (laut der des
re Premiers Vaiois sogar nackt) und schließlich gehängt.^ Die CdrompMe des
t?M%fre premiers Vaiois berichtet jedoch auch, dass sich einige Krieger darüber
beschwert hätten. Die Hängung erschien ihnen offenbar unangemessen, weil
Philipp ehrenvoll in der Schlacht gestorben sei - weswegen er dann vom Gal-
gen abgenommen wurde.^ Die diffamierende Hängung der Leiche wird in
dieser Schilderung durch den persönlichen Hass des Grafen von Flandern
gegen Philipp erklärt, der jedoch auf die Kritik der professionellen Krieger
stieß. Angesichts des Schlachtentods Philipps galt diesem auch über die
Grenzen der politischen Lager hinweg die Solidarität der Krieger A Obrigkeit-
liches Strafen, das auf persönliche und emotionale Motive zurückzuführen
war, wurde damit weitgehend abgelehnt und als unangemessen zurückge-
wiesen.

Der Henker und sein Körper
Im dem Maß, in dem die Körper der Verurteilten Ziel und Objekt der Justiz
waren, galt auch der Körper des Henkers als symbolisch aufgeladen. Der
Beruf des Henkers kam im 13. Jahrhundert auf, seine soziale Ausgrenzung ist
ab dem 14. Jahrhundert nachweisbar.^" Die infame Stellung des Henkers zeigt
sich deutlich in den Quellen: Michel Pintoin berichtet, Karl VI. habe 1385 zur
Bestrafung rebellischer Flamen niemand anderes als einen Vatermörder ge-
funden, der sich, „die natürlichen Hemmungen beiseite schiebend," als Hen-

87 QMHMf OM Pot rcggnL MMO espgee, osL & M, U^M pcM^M g MM grFrc. Froissart, Chroniques (liv. I
& II), S. 929 (11,90). PMippc Dgr&udL/Ml gpporL wort &ugMf L roi/ & PrgMcc, of^Mf (LspoAL U
guo;7 Ls dMMSsosyMMTtvs & gn's. P/Ml moMp rcggnL & MMgs U P'gMlms. Lc coML & FLMprcs, (pp g
wcrucPLs L 7g;'o;7, L/P pcnlrc g MMg g;7vf OM g MMg grFrc. Chronique des quatre premiers Valois,
S. 307. Ohne nachträgliche Flängung bei Juvenal des Ursins, Histoire, S. 356; Chronique du Re-
ligieux, Bd. 1, S. 226-228.
88 DoMf Ls goMS d'grwos L NgsworoMi, PisgMf ^M'P csLP wort imMMOMrgFLmoMf OM FgLPL. PoMr co/Mi ;7
&pM;'s dcspcMdH. Chronique des quatre premiers Valois, S. 307.
89 Daher ist es umso bemerkenswerter, dass Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 929 (11,90), be-
richtet, man habe Philipps Leiche aut Wunden untersucht, aber keine gefunden - er wurde
demnach im Getümmel zu Tode gequetscht. Siehe auch Juvenal des Ursins, Flistoire, S. 356;
Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 226-228.
90 Armand, Bourreaux, S. 8f. und 18-22. In Frankreich kommt der Begriff FoMrrcgM im 14. Jahr-
hundert auf, ebd., S. 67-72; Toureille, Bourreau. Zur Infamie: Armand, Bourreaux, S. 30-35;
Nassiet, Violence, S. 43. Im Reich verbreiten sich Henker ab dem 13. Jahrhundert, eine soziale
Stigmatisierung ist aber erst ab ca. 1400 nachweisbar. Deutsch, Henker, S. 8-17; ähnlich
Deutsch, Schicksal der Henker, S. 420-422. Siehe auch Schubert, Räuber, S. 64—77, der die Infa-
mie in die Frühe Neuzeit datiert. Dass 1361 ein Bewohner aus Noyen-sur-Seine (Dep. Seine-et-
Marne) andere Männer, die einen Galgen errichteten, als „Henker" beschimpft haben soll, er-
scheint mir, entgegen Braun, Variations, nicht als grundsätzliche Opposition gegen die Todes-
strafe, sondern eher als beleidigende Anspielung auf die Beteiligung an einer infamen Tätig-
keit.
 
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