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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0396

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31 Ideal und Devianz

395

311.2 Grand Ferre
An Grand Ferre erinnert heute nur noch eine Statue in dem kleinen Ort
Longueil-Sainte-Marie zwischen Compiegne und Creil (Dep. Oise), die einen
kräftigen Krieger zeigt, der im Begriff ist, einen anderen unter ihm liegenden
Kämpfer mit einer Axt zu erschlagen. Das Denkmal ehrt einen französischen
Bauern, der 1359 tatkräftig und erfolgreich gegen die Engländer kämpfte. Der
französische Historiker Simeon Luce wollte ihm im Jahr 1875 für diesen
Kampf einen „Ehrenplatz in allen Geschichten Frankreichs" zusprechen, da
durch ihn das nationale Empfinden zum ersten Mal militärische Formen an-
genommen habe.6s
Die Geschichte des Grand Ferre (dessen Name auf seine Waffe, eine eiser-
ne Axt, zurückgehen könnte) ist eingebunden in einen Akt des lokalen Wi-
derstands gegen plündernde englische Krieger, der durch mehrere Chroniken
überliefert ist. Die Figur des Grand Ferre selbst wird jedoch nur in der C/irom-
dife de JAm de Venehe (und auf ihr basierend in der Chronik Jeans de No-
yal) erwähnt und ebendort zum bäuerlichen Helden stilisierte Der Chronist
berichtet, wie einige Landbewohner sich in einem schwach befestigten Her-
renhaus in Longueil verschanzt hätten, um vor den Engländern sicher zu
sein. Dort haben sie sich einen CapohnAe gewählt, Guillaume FAloue, um sich
organisiert wehren zu können. Dies alles, so betont der Chronist mehrfach,
taten die Bauern mit Zustimmung ihres lokalen Herrn, des Abtes von Saint-
Corneille. Er machte damit deutlich, dass es sich beim Vorgehen der Bauern
keineswegs um eine Rebellion handelte, sondern um einen obrigkeitlich auto-
risierten Akt der Selbstverteidigung. Entsprechend wird auch Grand Ferre als
der Diener Guillaumes in die Erzählung eingeführt: Er habe zwar einen kräf-
tigen Körperbau gehabt, sei aber gleichwohl „im Geiste demütig und sich
seiner eigenen Geringheit bewusst"?" gewesen.

Oeuvres poetiques, Bd. 1, S. 92f. (Nr. 92). Vgl. Cuvelier, Chanson, Bd. 3, S. 257-259. Unter den
,Neun guten Helden' werden jeweils drei herausragende Helden der heidnischen, jüdischen
und christlichen Zeit verstanden (Hektor, Alexander, Julius Caesar; Josua, David, Judas Mak-
kabäus; Artus, Karl der Große, Gottfried v. Bouillon). Das Motiv taucht zuerst 1312/13 in dem
Roman Lcs VocMX du PaoM des Jacques de Longuyon auf, der den Alexanderstoff verarbeitete,
vgl. Scheibeireiter, Geschichtsverständnis; van Hemelryck, Neuf Preux; Schroeder, Topos so-
wie den Ausstellungskatalog Un reve de chevalerie.
68 Luce, Notice, S. 149f. Eine bloße Nacherzählung der Geschichte Grand Ferres siehe bei Revelin,
Jacquerie, S. 197-199.
69 Chronique dite de Jean de Venette, S. 206-214; vermutlich darauf basierend die Chronique de
Richard Lescot, S. 140f. (§303). Ohne Erwähnung Grand Ferres: Chronique normande, S. 147f.;
vermutlich darauf basierend Luce, Notice, S. 155f.; Chronographia regum francorum, Bd. 2,
S. 287-289. In ihrer Schilderung recht unabhängig: Gray, Scalacronica, S. 164. Die Schilde-
rungen ohne Erwähnung Grand Ferres berichten übereinstimmend, dass sich ca. 300 Bauern in
Longueil verschanzt und dann einen Sieg über die angreifenden Engländer errungen hätten.
Jean de Noyal berichtet, sie hätten dann ihre Stellung während des ganzen Krieges gehalten;
die Cf?roM;'pMC normende berichtet darüber hinaus von einem Eid der Bauern, keine Adligen in
ihrer Gruppe aufzunehmen, vgl. Luce, Notice, S. 156; Chronique normande, S. 147f.
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sc dMMÜüfHfcM! cf rcpMfHfioMis iMfÜMsecae paruifafen!. Chronique dite de Jean de Venette, S. 206-
208.
 
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