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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Strzygowski, Josef: Das orientalische Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0032

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

Statt ferner die stehengelassene Masse, die das Ornament bildet, durchzumodellieren,
wie es die Antike tut, furcht er sie in rein geometrischen Linien. Diese schwarzen
Striche arbeiten der plastischen Wirkung der Ornamente noch mehr entgegen und ver-
stärken den koloristischen Eindruck, den in Cividale im besonderen noch grünliche
Glaskugeln hervorriefen, die in den Rosetten der Bordüren des Fensterstreifens (und
ähnlich wohl auch in den kleinen Rosetten neben der Weinranke unten) saßen. Diese
Handhabung der Plastik im farbigen Sinne ist genau die gleiche, wie ich sie an der
jetzt in Berlin stehenden großen Mschattafassade aus dem Moab beschrieben und als
das Werk mesopotamischer Meister nachgewiesen habe. Cividale hat aber selbst
Mschatta gegenüber eine ganz hervorragende Bedeutung deshalb, weil es zeigt, in
welchem Material und unter welchen Voraussetzungen die Komposition von Orna-
menten im Tiefdunkel aufgekommen sein dürfte. In Mesopotamien sind bedeutendere
Reste von Stuckdekorationen bis jetzt nicht nachgewiesen.9 Und doch muß diese Art
Schmuck in den Ziegelbauten neben der Inkrustation mit Fayencen herrschend gewesen
sein. Was in Mschatta, also auf syrischem Boden, in Stein übertragen auftritt, hat
sich durch eine glückliche Fügung in Cividale in der originell mesopotamischen Technik
bis in unsere Zeit gerettet, d. h., was wir in S. Maria in Valle vor uns sehen, ist
technisch die Voraussetzung für die Entwicklung der Ornamentik von Mschatta sowohl,
wie der vorgeführten Stuckornamente Ägyptens aus islamischer Zeit.2) Ich will damit
kein absolutes chronologisches Urteil gefällt haben, wenn ich auch glaube, daß man
mit den auf der Höhe virtuosester Schulübung stehenden Ornamenten von Cividale
kaum bis in 8. Jahrhundert hinabgehen darf, auch wenn man annimmt, daß ein orien-
talischer Künstler, kein Einheimischer, der Schöpfer dieser Dekoration gewesen ist.
Darin bestärken mich die einzelnen Ornamentmotive an sich.
Es liegt da eine sonderbare Mischung vor. Neben den antik gebildeten Fenster-
säulen, dem halbantik im Tiefendunkel herausmodellierten Weinlaub und den Perlen-
schnüren finden sich Motive, die als heimisch heute nur noch in den alten Denkmälern
Syriens bzw. Mesopotamiens nachzuweisen sind. Dahin gehören in erster Linie die
Zinnenmotive, welche die beiden Bogen bekrönen. Unten über der Tür sieht man eine
Folge von kleinen Bogen, die sich an den Enden einrollen, und eine durchbrochene
Lanzettform in die Mitte nehmen; in die Bogenzwickel sind als Füllung Tropfenmotive
gesetzt. Es spricht für die bewunderungswürdig solide Technik, daß keine dieser voll-
kommen frei herausgearbeiteten Bogenzinnen im Laufe der Jahrhunderte ausgebrochen
ist. Das gilt auch für den Zinnenabschluß des oberen, des Fensterbogens. Da sind
Blätter, die in der Form zwischen Akanthus und Palmette stehen, so ausgestochen,
daß jeder Teil für sich herausgearbeitet ist: In der Mitte ein Dreiblatt auf hohem Stil,

9 Im Msdiattasaale des Kaiser Friedrich-Museums sind seit einiger Zeit mehrere Stuck-
reliefs mit typisch sassandischen Mustern ausgestellt. Obzwar in Paris erworben, stammen sie
doch sicher aus Mesopotamien und geben wie die Tulun-Moschee und das Natron-Kloster das
rein persische Gegenstück zu den mehr hellenistischen Ornamenten von Mschatta-Cividale.

2) Neuerdings sind auch Karolingische Stuckornamente zutage gekommen. Vgl. Stückel-
berg, die Ausgrabungen von Disentis. Basler Zeitschrift f. Gesch. u. Altertumskunde VI, S. 489 f.
 
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