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Monatshefte für Kunstwissenschaft
einheitlich bestimmt bis zu jener verhältnis-
mäßig sehr jungen Vergangenheit des Empire,
das jene Strenge selbst wieder aus eigener
Logik betont. So haben auch jene klassizisti-
schen Erscheinungen der Wohnungskultur, die
wie alle großen Stilmerkmale international
waren, ihre eigene nationale Note bekommen,
die sie mit der älteren Überlieferung in Einklang
setzt, und dem fremden Besucher sofort als ein
Besonderes auffällt, sei es nun, daß wir die
Empireformen auf unseren Spaziergängen in
den holländischen Straßen, in den Türoberlichten
oder in den farbig behandelten Friesfeldern der
Backsteinhäuser mit angenehmer Verwunderung
wahrnehmen oder einen jener köstlichen Tor-
blicke erhaschen ins Innere der lang nach dem
rückwärtigen Garten gezogenen Hausflure, die
mit weißem Marmor getäfelt sind und in uner-
schöpflicher Vielgestaltigkeit stilisierte Buketten
in vertieft eingelassenen Reliefvasen als Supra-
porten zu den Türen links und rechts tragen,
oder einen weiß und gold abgestimmten Raum
betreten, darin die Lünettenbilder die wohldis-
ziplinierten farbigen Leitpunkte bilden und für
die Harmonie der Verhältnisse ebenso unver-
brüchlich sind, wie die Bilder der altholländischen
Meister in den Räumen der früheren von an-
deren Kunstidealen beherrschten Jahrhunderte
bis zurück in die Zeit, die als Legende im Haar-
lemer und im Zierikzeer Rathaussaal nachklingt.
In Holland ist auch das Tote lebendig, und die
Vergangenheit steht uns dort näher als sonst
wo. Indes — neben diesen rein ästhetischen
Vorzügen die allgemein zur künstlerischen Be-
trachtung stimmen, liegt der Wert dieser Pub-
likation für den Sammler in dem geschlossenen
Eindruck, den das, was heute in der Hauptsache
Museumsinhalt geworden ist, im lebendigen
Rahmen seiner Zeit gemacht hat und gerade
diesen Interieurs, seien es Küchen, Salons, Eß-
zimmer oder Koridore, mit ihren prächtigen
alten Möbeln, ihren Delfter Fayencen, kunstvoll
gedrehten Leuchtern und köstlichen Schnitzereien
ist jener anheimelnde Duft eigen, der uns so
eindringlich ebenfalls in der modernen Kunst-
kammer umfängt. Aber auch das Detail wirkt
lehrreich wie es die hier in stark verkleinertem
Maßstab als Probe beigegebenen Illustrationen
verdeutlichen sollen. Joseph Aug. Lux.
g
DER KUNSTMARKT
BERLIN ===============
Auf dem Berliner Kunstmarkt gab es auch
in diesem Monat wenig von Wichtigkeit; das
Beste war die Versteigerung der Miniaturen
aus dem Nachlaß der Gräfin Clotilde Lottum
bei Lepke am 18. Febr. u. ff.: das Resultat war
ein ganz erstaunlich sprunghaftes und ungleiches,
was sich vielleicht mit den für deutsche Sammler
etwas ungewohnten Objekten erklären läßt.
Die Preise für ein Bildnis der Prinzessin Char-
lotte von Preußen, das der berühmte schlesische
Miniaturist Schmeidler, wohl 1813, gemalt hatte,
(4100 M.) und für das Bildnis des Aug. Bon.
jos. Robespierre (1275 M.) standen in gar
keinem Verhältnis zu den Angeboten der übrigen;
es ist auch nicht recht klar, ob dort der Name
Schmeidler oder die dargestellte Prinzessin, ob
hier das Schild „Robespierre" oder der Maler
Chatillon mehr zog. Jedenfalls gab es unter
den übrigen Miniaturen Werke, welche an
Schönheit der Malerei und an Berühmtheit der
dargestellten Person den beiden erwähnten
nichts weniger als nadistanden. Und doch er-
zielte z. B. das feine Bildchen der Duchesse de
Polignac (Kat. Nr. 38) nur 100 M., eine gute
Genreszene nach Boucher, pikanter Art (K. N. 26),
gar nur 50 M., eine vorzügliche Venus am
Wasser (K. N. 98) 72 M. usf. Eine Aufzählung
auch nur der bedeutenderen Stücke gestattet
der beschränkte Raum nicht; zwischen den bei-
den Extremen, die eben zur Sprache kamen,
bewegte sich der Preis der besseren Werkdien
meist zwischen 100 bis 500 M., das Gros sank
aber beträchtlich unter 100, sogar bis zu 10 M.
herab, namentlich am zweiten Versteigerungs-
tage, der Stücke geringeren Ranges zum Vor-
schein brachte. Am dritten Tage wurden kunst-
gewerbliche Arbeiten aus derselben Sammlung
versteigert, meist Silberarbeiten und Berliner
Porzellanfiguren; die erzielten Preise waren zu-
meist sehr erschwinglich. Höher bewertet wurde
eigentlich nur eine fein gearbeitete goldene
Dose der Rokokozeit mit frei gearbeiteten Blumen
auf dem Schildpattdeckel: 350 M. Die über-
wiegende Mehrzahl der Preise bewegte sich
von 20—60 M.
Bei der Gemäldeauktion, die am 3. März
stattfand, wurde die stattliche Summe von ins-
gesamt 61398 M. erzielt; erstaunlich, wenn
man damit die Qualität der Ware verglich, die
überwiegend aus jenen Bildern bestand, welche
die Grenze der Mittelmäßigkeit zu überschreiten
sich scheuen. Allerdings befanden sich auch
vorzügliche Sachen darunter, welche die besten
Preise erhielten: eine Landschaft von Calame
(3470 M.), ein guter Oswald Achenbach (2500 M.),
zwei kleine Landschaften von J. F. Millet (1330
und 1700 M.); auch die Preise für Landschaften
von Eduard Hildebrandt (700 und 985 M.) und
von Stanislaus v. Kalchreuth (970 und 500 M.)
schienen die steigende Wertschätzung zu be-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
einheitlich bestimmt bis zu jener verhältnis-
mäßig sehr jungen Vergangenheit des Empire,
das jene Strenge selbst wieder aus eigener
Logik betont. So haben auch jene klassizisti-
schen Erscheinungen der Wohnungskultur, die
wie alle großen Stilmerkmale international
waren, ihre eigene nationale Note bekommen,
die sie mit der älteren Überlieferung in Einklang
setzt, und dem fremden Besucher sofort als ein
Besonderes auffällt, sei es nun, daß wir die
Empireformen auf unseren Spaziergängen in
den holländischen Straßen, in den Türoberlichten
oder in den farbig behandelten Friesfeldern der
Backsteinhäuser mit angenehmer Verwunderung
wahrnehmen oder einen jener köstlichen Tor-
blicke erhaschen ins Innere der lang nach dem
rückwärtigen Garten gezogenen Hausflure, die
mit weißem Marmor getäfelt sind und in uner-
schöpflicher Vielgestaltigkeit stilisierte Buketten
in vertieft eingelassenen Reliefvasen als Supra-
porten zu den Türen links und rechts tragen,
oder einen weiß und gold abgestimmten Raum
betreten, darin die Lünettenbilder die wohldis-
ziplinierten farbigen Leitpunkte bilden und für
die Harmonie der Verhältnisse ebenso unver-
brüchlich sind, wie die Bilder der altholländischen
Meister in den Räumen der früheren von an-
deren Kunstidealen beherrschten Jahrhunderte
bis zurück in die Zeit, die als Legende im Haar-
lemer und im Zierikzeer Rathaussaal nachklingt.
In Holland ist auch das Tote lebendig, und die
Vergangenheit steht uns dort näher als sonst
wo. Indes — neben diesen rein ästhetischen
Vorzügen die allgemein zur künstlerischen Be-
trachtung stimmen, liegt der Wert dieser Pub-
likation für den Sammler in dem geschlossenen
Eindruck, den das, was heute in der Hauptsache
Museumsinhalt geworden ist, im lebendigen
Rahmen seiner Zeit gemacht hat und gerade
diesen Interieurs, seien es Küchen, Salons, Eß-
zimmer oder Koridore, mit ihren prächtigen
alten Möbeln, ihren Delfter Fayencen, kunstvoll
gedrehten Leuchtern und köstlichen Schnitzereien
ist jener anheimelnde Duft eigen, der uns so
eindringlich ebenfalls in der modernen Kunst-
kammer umfängt. Aber auch das Detail wirkt
lehrreich wie es die hier in stark verkleinertem
Maßstab als Probe beigegebenen Illustrationen
verdeutlichen sollen. Joseph Aug. Lux.
g
DER KUNSTMARKT
BERLIN ===============
Auf dem Berliner Kunstmarkt gab es auch
in diesem Monat wenig von Wichtigkeit; das
Beste war die Versteigerung der Miniaturen
aus dem Nachlaß der Gräfin Clotilde Lottum
bei Lepke am 18. Febr. u. ff.: das Resultat war
ein ganz erstaunlich sprunghaftes und ungleiches,
was sich vielleicht mit den für deutsche Sammler
etwas ungewohnten Objekten erklären läßt.
Die Preise für ein Bildnis der Prinzessin Char-
lotte von Preußen, das der berühmte schlesische
Miniaturist Schmeidler, wohl 1813, gemalt hatte,
(4100 M.) und für das Bildnis des Aug. Bon.
jos. Robespierre (1275 M.) standen in gar
keinem Verhältnis zu den Angeboten der übrigen;
es ist auch nicht recht klar, ob dort der Name
Schmeidler oder die dargestellte Prinzessin, ob
hier das Schild „Robespierre" oder der Maler
Chatillon mehr zog. Jedenfalls gab es unter
den übrigen Miniaturen Werke, welche an
Schönheit der Malerei und an Berühmtheit der
dargestellten Person den beiden erwähnten
nichts weniger als nadistanden. Und doch er-
zielte z. B. das feine Bildchen der Duchesse de
Polignac (Kat. Nr. 38) nur 100 M., eine gute
Genreszene nach Boucher, pikanter Art (K. N. 26),
gar nur 50 M., eine vorzügliche Venus am
Wasser (K. N. 98) 72 M. usf. Eine Aufzählung
auch nur der bedeutenderen Stücke gestattet
der beschränkte Raum nicht; zwischen den bei-
den Extremen, die eben zur Sprache kamen,
bewegte sich der Preis der besseren Werkdien
meist zwischen 100 bis 500 M., das Gros sank
aber beträchtlich unter 100, sogar bis zu 10 M.
herab, namentlich am zweiten Versteigerungs-
tage, der Stücke geringeren Ranges zum Vor-
schein brachte. Am dritten Tage wurden kunst-
gewerbliche Arbeiten aus derselben Sammlung
versteigert, meist Silberarbeiten und Berliner
Porzellanfiguren; die erzielten Preise waren zu-
meist sehr erschwinglich. Höher bewertet wurde
eigentlich nur eine fein gearbeitete goldene
Dose der Rokokozeit mit frei gearbeiteten Blumen
auf dem Schildpattdeckel: 350 M. Die über-
wiegende Mehrzahl der Preise bewegte sich
von 20—60 M.
Bei der Gemäldeauktion, die am 3. März
stattfand, wurde die stattliche Summe von ins-
gesamt 61398 M. erzielt; erstaunlich, wenn
man damit die Qualität der Ware verglich, die
überwiegend aus jenen Bildern bestand, welche
die Grenze der Mittelmäßigkeit zu überschreiten
sich scheuen. Allerdings befanden sich auch
vorzügliche Sachen darunter, welche die besten
Preise erhielten: eine Landschaft von Calame
(3470 M.), ein guter Oswald Achenbach (2500 M.),
zwei kleine Landschaften von J. F. Millet (1330
und 1700 M.); auch die Preise für Landschaften
von Eduard Hildebrandt (700 und 985 M.) und
von Stanislaus v. Kalchreuth (970 und 500 M.)
schienen die steigende Wertschätzung zu be-