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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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Freise, Kurt: Neuerwerbungen holländischer Gemäldegalerien
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0296

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

Fall um ein Originalwerk des großen Vlamen handeln kann. Man braucht nur die
Tränen in den Augen und auf der rechten Wange der Magdalena anzusehen. Solche
Sentimentalität ist Rubens völlig fremd. Der Farbenauftrag, besonders in den Lichtern,
ist gequält; auch nicht so leichtflüssig und treffend, wie man es von der Hand des
Rubens selbst gewöhnt ist. Nicht zum wenigsten aber spricht die Landschaft in ihrer
Kahlheit und Leere, in dem kalten blaugrünen Ton gegen Rubens, dessen große
(Farben)phantasie und großen Reichtum in der Erfindung gerade auf diesem Gebiete
zahlreiche Werke dartun. Die beiden kleinen, P. P. Rubens und Caspar Gevaerts dar-
stellenden Porträtgrisaillen haben — wenn sie wirklich von van Dyck sind — mehr
historisches als künstlerisches Interesse.
Von den zahlreichen sonstigen Neuerwerbungen des Rijksmuseums ist der große
Aelbert Cuyp (Abb. 6) das wichtigste Werk. Es kommt aus England, wo es mit
der Sammlung Lord Northwicks in Thirlestaine House 1859 für 966 £ versteigert wurde.
Dann kam es vor auf den Auktionen J. Hargreaves in London 1873, R. Kirkman
Hodgson in London 1907, wurde da von der Firma Dowdeswell & Dowdeswells
gekauft, die es weiter gaben an Fred. Muller & Co. in Amsterdam. Von diesen erwarb
es das Rijksmuseum mit Unterstützung des Herrn E. Deen im Haag für 18 000 Gulden.
Freilich, mit den großen sonnendurchglühten Prachtwerken des Dordrechter Meisters
kann es sich nicht messen. Aber es nimmt — trotzdem es sogar zu einer der Gemälde-
gruppen Cuyps gehört, die wir für gewöhnlich nicht so hoch einschätzen: zu den ganz-
figurigen Porträts in einer Landschaft — in dieser Gruppe einen besonden Platz ein.
Kompositionell weist es dieselben Schwächen auf wie das ihm am nächsten stehende
große „Familienbild" im Museum der Schönen Künste in Budapest. Dort ist zwischen
den zwei Figurengruppen des Vordergrundes ein weiter Ausblick auf die Landschaft
gegeben. Hier haben wir rechts, fast ohne Übergang vom Vorder- zum Mittelgrund,
und mehr als die Hälfte der Bildfläche einnehmend, die Rhede von Batavia vor uns.
Die auf den dort vor Anker liegenden Schiffen lesbaren Namen sind die der Fahr-
zeuge der Retourflotte, mit welcher der Handelsdirektor von Suratte, Barent Pietersz,
gen. Grootebrouck, im Jahre 1641 nach Holland zurückgekehrt sein soll. Aus diesem
Grunde dürfte die Annahme, in dem dargestellten Ehepaar diesen Barent Pietersz und
seine Frau zu sehen, sehr wahrscheinlich richtig sein. Die von Smith (Suppl. Nr. 49)
überlieferte Ansicht, es sei der Gouverneur Pieter Both mit Frau, trifft jedenfalls nicht
zu. Das neueste Supplement des Amsterdamer Kataloges hat den Namen Grootebrouck
noch nicht akzeptiert, weil ein Umstand noch einen Zweifel möglich macht. Es ist
nämlich nicht ganz sicher, ob der betreffende Barent Pietersz wirklich mit der hier
abgebildeten Flotte heimgekehrt ist. Denn unter'm 26. Dezember 1641 wird in dem
Tag-Register von einem „Barent Pietersz zaliger" gesprochen, was andeuten kann,
daß er dort auf seinem Posten starb. Vor 1634 — von welchem Jahre an Barent
Pietersz Chef von Suratte war — kann das Bild aus äußerlichen Gründen nicht gemalt
sein; damals war A. Cuyp erst 14 Jahre alt. Dagegen ist es ganz gut möglich, daß
die Kinder des Barent Pietersz um 1655 — in welche Zeit das Gemälde stilistisch
gehört — Cuyp den Auftrag zu dem Bilde erteilten, und daß dann das Porträt nicht
nach der Natur gemalt wäre. Die Frage nach dem Namen der Dargestellten tritt aber
 
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