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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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Glaser, Curt: Die Raumdarstellung in der japanischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0411

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Glaser. Die Raumdarstellung in der japanischen Malerei

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Abb. 1. TAKAYOSHI TOSA (XII. Jahrh.): Szene aus dem Genji-monogatari
Kokka 18, 3



an den Künstler bietet, fehlt uns in diesem Falle, denn nicht um die Werke der
durch jahrhundertelange Entwicklung und vielfältige Einflußströme abgewandelten,
heutigen Kunst der Japaner handelt es sich für uns, sondern um die zur Zeit des
europäischen Mittelalters blühende, eigentlich nationale Kunst der Yamato - Schulen.
So ist es nicht möglich, das Prinzip der ethnologischen Forschung ohne weiteres auf
die japanische Kunstgeschichte zu übertragen, wie Fenollosa es versuchte, der es
unternahm, in langjährigem Aufenthalt im Lande selbst japanisch denken und emp-
finden zu lernen. Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, den Worten japanischer
Kunstforscher zu lauschen, deren Interpretierung uns ebenso wenig ein vollgültiges
Zeugnis sein kann, wie ein moderner, japanischer Farbendruck in der künstlerischen
Absicht sich ohne weiteres mit dem Werke eines Meisters der Fujiwara-Zeit deckt.
Wir haben ein volles Recht, unsere Forschung auf das Gebiet der japanischen Kunst
auszudehnen, aber wir erwerben uns dieses Recht weder, indem wir das ewige Ge-
rede der Japaner von der Kühnheit des Pinselstrichs nachbeten, noch dadurch, daß
wir die Satzungen unserer eigenen Kunst zum Maßstab der fremden machen oder von
Schönheiten dieser Kunst erzählen, die nur wir eben mit unseren anders sehenden
Augen gewahren, sondern indem wir versuchen, den Sinn der Kunstwerke selbst, die
uns vor Augen liegen, zu deuten, dem künstlerischen Wollen ihrer Schöpfer nahezu-
kommen.
Für die eigene Form der japanischen Raumdarstellung gilt dies in besonderem
Maße. Denn was von vornherein jedem japanischen Gemälde für das europäische
 
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