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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0448

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440

Monatshefte für Kunstwissenschaft

Tatsachen, eine ganz unnütze Spielerei ist. Bs.
Buch ist durchsetzt mit geistreich tuenden
Apostrophen an die Phantasie des Lesers: „Stellt
Euch vor, was es für die Welt bedeutet hätte,
wenn die Sache nicht so, wie sie sich ereignete,
verlaufen wäre, sondern . . ." Niemand käme
in größere Verlegenheit, als Herr B., wenn er
nur eine der so leichtfertig aufgeworfenen Fragen
klar beantworten sollte. Ich unterschätze aber
nicht den hohen taktischen Wert, den dieses
geheimnisvolle Feuerwerk für B. hat; zumeist
muß es den Leser über den Mangel präziser
und sachlicher positiver Charakteristiken der
behandelten Künstler hinwegtäuschen.
Für die gesamte lombardische Kunst findet
B. ein Schlagwort: „prettiness"; damit will er
alles gesagt haben. Kurz und schlecht. Ich
frage: Donato de Bardi, Foppa, Zenale, Bra-
mantino, P. F. Sacchi, u. a. m. sollen als auf-
fallendstes Merkmal prettiness besitzen? Wenn
B. nur eines von den tatsächlich der ganzen
Schule eigentümlichen Merkmalen genannt hätte,
das Vorherrschen des Architektonischen und
dessen Bedeutung für den Aufbau der Kom-
positionen, den Mangel an dramatischer Kon-
zentration in den Schilderungen, den eigentüm-
lichen Farbengeschmack, aber all das bleibt ver-
schwiegen, d. h. von B. unerkannt.
Um seine „prettiness" durchzudrücken, weiß
sich B. allerdings Rat. Er erwähnt Donato
de' Bardi und Sacchi überhaupt nicht, Zenale
nur ganz kurz, Foppa verweist er als Bres-
cianer aus der Lombardei hinaus. Soviel ich
weiß, ist es sehr fraglich, ob Foppa nicht ge-
borener Pavese war, seiner künstlerischen
Schulung nach ist er es durchaus. Daß ich die
Gestalt des Donato de' Bardi in meinem Buche
über Genua in helles Licht gerückt und seinen
Einfluß auf Foppa betont habe, mag B. ent-
gangen sein. Jedenfalls ist die direkte Ab-
leitung von der paduanischen Kunst, die B. wie
die meisten früheren annimmt, überflüssig und
im einzelnen schwer beweisbar, während sein
Zusammenhang mit den Pavesen und den in
Ligurien tätigen Meistern klar vor Augen liegt.
Bezüglich der Lebensdaten Foppas hat B. die
äußerst verdienstvollen Forschungen der Miß
Constance Jocelyn Ffoulkes völlig übersehen.
Wenn B. den Bergognone den bedeutendsten
Nachfolger Foppas nennt, so ist das unrichtig,
da mindestens Zenale viel höher steht.
Was B. über Bramante, Bramantino und
dessen Einwirkung auf Luini und Gaudenzio
sagt, entspricht ungefähr den von mir in früheren
Aufsätzen gegebenen Darlegungen, deren Kenntnis
man wohl bei B. voraussetzen muß, wenn er
meinen Namen auch nicht nennt. Aber die Idee,

daß Bramante auch als Plastiker sich betätigt
habe, ist, soviel mir bekannt, von mir zuerst
ausgesprochen worden und einen Beweis, daß
B. meine Liste der Werke Bramantinos benützte,
ohne sie in allen Fällen an den Originalen zu
überprüfen, gibt ein von ihm kopierter Druck-
fehler, der sich in meinen ersten Bramantino-
aufsatz eingeschlichen hatte, im zweiten natürlich
sogleich richtiggestellt wurde. Als Gegenstand
eines Bildes in Mezzana, das die Pfingstweihe
darstellt, gab ich durch Verwechslung in meinen
Notizen in der ersten Liste „Christus im Tempel
lehrend" an, und dieser Irrtum ist schelmischer
Weise in B.s Liste übergegangen.
Für nichts mehr als ein kindliches Spiel der
Gedankenlosigkeit kann ich es halten, wenn B.
sein Bedauern darüber ausspricht, daß Leonardo
nach Mailandkam, wenn er sich zu derPhantasma-
gorie versteigt, die lombardische Schule hätte eine
glänzende selbständige Entwicklung bis auf einen
lombardischen Paolo Veronese nehmen können,
wenn nicht Leonardo sie aus ihrem Geleise ge-
bracht hätte usw. usw. Bei der Besprechung
einzelner Schüler Leonardos berührt es komisch,
Ambrogio Preda und Boltraffio nicht auf Grund
von beglaubigten Werken, sondern von teils
zweifelhaften, teils sicher nicht von ihnen her-
rührenden Bildern charakterisiert zu finden.
Zu den Listen, soweit sie lombardische
Künstler betreffen, will ich nun im einzelnen
noch einige Anmerkungen beifügen.
Vincenzo Foppa; beizufügen das Fresko
einer Augustinerallegorie in Terra verde in der
alten Libreria von S. Barnaba zu Brescia (um
1490 gemalt).
Butinone; sicher zu streichen der Madonnen-
kopf in Chantilly, der von dem Meister der
Pala Sforzesca stammt. Bei dem Treviglio-
Altar finde ich fast genau die von mir 1902
(Repertorium für Kunstwissenschaft) vorgeschla-
gene Einteilung übernommen, desgleichen die
Pieta in Berlin und die drei kleinen Bilder in
Bergamo, Borromeo-Sammlung und Pavia, die
von mir dem Künstler zugeschrieben worden
sind. Hinzufügen kann ich heute noch ein
kleines Bild der Vorführung eines jugendlichen
Heiligen vor den Richter im Besitze des Fürsten
Liechtenstein, ferner einen zierlichen Mädchen-
kopf en face bei Contie Sola-Busca in Mailand
und ebenda in der Nonnenkirche S. Sofia un-
weit der S. Maria della Passione ein 1500 da-
tiertes Madonnenbild. Mit Fragezeichan hat B.
viele nicht hergehörige Bilder in Butinones Liste
eingeschwärzt.
Zenale; m. E. nicht hergehörig die Ver-
kündigung bei Borromeo, sowie die Beschnei-
 
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