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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0452

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

der seinerseits die Jahreszahl 1521 trägt und
die Beweinung Christi (!) darstellt. Abge-
sehen davon, daß ein solcher imaginärer Flügel
doch wenigstens der oberen (geschweiften) Um-
rißlinie des Mittelbildes zu folgen hätte, wie
steht es denn mit dem Ikonographischen?
Soviel, um zu zeigen, wie mich R. „berich-
tigt“. St., der, wie gesagt, einfach reproduziert,
was von mir über die verschiedenen Gemälde
Hubers gesagt war, hat dagegen gemeint, in
etwas seine Originalität bekräftigen zu müssen
und wählt hierzu die künstlerische Wertung —
wie er sie versteht. „Ziemlich wüste und
grelle Arbeiten, in der Komposition zerfahren,
im Ausdrucke karikiert“ —, mit phrasenhafteren,
abgebrauchteren Worten konnte man den beiden
so persönlichen und eigenartigen Bildern in
Wien nicht beikommen, noch sie verkehrter
charakterisieren. An längst verklungene Zeiten
dilettantischer Kunstliebhaberei gemahntvollends,
wenn St. bemerkt, die linke Randfigur auf der
Wiener „Allegorie“ sei „möglicherweise ein
Selbstporträt des gealterten Meisters, dessen
Autorschaft an dem Bilde nunmehr mit urkund-
licher Sicherheit feststeht“. „Mit urkundlicher
Sicherheit"? Wegen eines von St. ohne jede
Gründe in das Bild hineininterpretierten Selbst-
porträts? Weiß denn St., wie Huber aussah
und könnte, wenn die betreffende Figur wirklich
ein Porträt des Malers der Tafel wäre, dieser
nicht ebenso gut Altdorfer oder Schöpfer heißen?
— Zu den in London s. Z. ausgestellten Bild-
nissen werde ich auch jetzt noch mich nicht
näher äußern und ziehe vielmehr vor, mich
durch Autopsie erst gründlich zu unterrichten.
St., aus dessen Worten nicht zu erkennen ist,
ob er selber die Bilder sah, geht wieder
mit ein paar allgemeinen Redensarten um sie
herum — da ich die Bildnisse kurz erledigte, lobt
er sie natürlich — : Friedländer, der sie wirklich
gesehen hat, bezeichnet sie einfach als „unerfreu-
lich“.1) Ähnlich urteilen auch Riggenbach und
Dülberg.
Wie für den Maler, so hat St. auch für den
Bildschnitzer Huber meine Aufstellungen an-
genommen; und da es ihm hier nicht möglich
war, meine Autorschaft an der Wiederfindung
dieser Persönlichkeit zu leugnen, so sucht er

sich die bittere Tatsache durch gewundene
Ausdruckweise zu versüßen. Natürlich ist mein
Verdienst keineswegs ungetrübt: „in Feldkirch
selbst hat V. unterlassen, sich nach anderen
Leistungen des Bruders umzusehen". So wenig-
stens meint St. In Wahrheit sind V. sowohl
die Arbeiten in der Pfarrkirche (kleinere Frag-
mente des zerteilten Beweinungsaltares), wie
eine von St. beschwiegene, viel interessantere
Anna selbdritt in Bregenz bekannt, allein inner-
halb eines ohnehin ziemlich weitschichtigen
Buches über Malerei wären so eingehende Details
wohl nicht angebracht gewesen, zumal die Liste
des Bildschnitzers Huber noch keineswegs abge-
schlossen ist.1).
Weitaus schlimmer als beim ersten erweist
sich die Unzulänglichkeit Stiassnys gegenüber
dem zweiten und dritten Teil meiner Arbeit.
Über den in gewisser Weise wichtigsten, zu-
sammenfassenden dritten Abschnitt bekommt
der Leser überhaupt — außer ein paar allge-
mein aburteilenden Phrasen am Schluß, die
wohl bei St. auf Vorrat lagerten — nichts zu
hören. Wenn er „von einer starken Vor-
neigung zu abstraktem Theoretisieren, einem
Zuviel an Spekulation" spricht, so scheint er
dabei eine gänzliche Unbekanntschaft der Leser
mit dem in Frage stehenden Abschnitt voraus-
zusetzen, denn es ist immer vom Objekt selber,
von der reinen Anschauung ausgegangen. Ob
mir ein entsprechendes Vermögen künstlerischer
Betrachtung zu Gebote steht, das zu entscheiden
ist freilich nicht Stiassnys Sache, ebensowenig
ob meine Analysen „überwundene Gefühls-
ästhetik“ sind oder nicht. Allerdings geht ja
manchen Forschern das ästhetische Fühlen in
einem Maße ab, daß es gescheit von ihnen ist,
davon als von einer „überwundenen" Sache zu
sprechen — mögen Sie sich ihrer Vorgeschritten-
heit freuen, aber uns nicht in unserer unzeit-
gemäßen Betrachtungsart stören. Auch in Sachen
literarischen Stiles möge uns mit kompromit-
tierenden Lobe verschonen, wer — wie St. —
mit der deutschen Sprache und Syntax auf fort-
gesetztem Kriegsfuße lebt. (Siehe den Satz
„Beurkundet" usw., Worte wie „Malsphäre“,
„danubische Neigungen" u. a.)
Bliebe es nun in Stiassnys Urteilen bei der

9 St. läßt es sich natürlich nicht entgehen, daß idi
einem der Bilder versehentlich einen falschen Standort
gegeben habe. Auch die bei mir fehlende Jahreszahl 1519
(auf dem Kaufmannsdien Bild), die von Friedländer ge-
funden ward (sie ist sehr versteckt angebracht) wird
selbstredend gehörig gegen mich ausgenutzt, dagegen
verschwiegen, daß ich das Bild auch ohne sie voll-
ständig richtig angesetzt habe. Die beiden Wappen der
Allegorie bestimmte St. selbst — das einzige, was er
herausgebracht hat —, nachdem Lokalisierung und Da-
tierung von mir gegeben waren.

z) Die Bearbeitung der bayerischen Plastik nach 1500
ist noch im Flusse begriffen; Forscher wie Bode, Habich,
Halm u. a. haben sich ihr zugewandt. Es ist darum un-
berechtigt einen Vergleich der Malerei der Donaulande
mit der Plastik zu vermissen, denn schließlich wird doch
St. nicht erwarten, daß ich alle diese Fragen allein lösen
soll. Gegenüber den zwei von St. abgebildeten Huber-
artigen Gruppen kann ich nicht umhin zu bemerken, daß
der Richtung des Meisters ungemein viele Arbeiten an-
gehören, und daß nach Halms Aufsätze und meinem Buche
zahlreiche Bestimmungen auf ihn gemacht worden sind.
 
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