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Monatshefte für Kunstwissenschaft
habe. In den 5 Sälen dieses Flügels sollen
Turners Werke als permanentes Lehen von der
National Gallery aufgestellt werden, in welch
letzterer nur einige Bilder des Künstlers Zurück-
bleiben, um ihn auch dort gebührend zu ver-
treten. Damit würde dann Turners eigener
Wunsch, alle seine Werke auf einem Fleck
vereinigt zu wissen, endlich in der Hauptsadie
in Erfüllung gehen. Der Grund und Boden
hinter der Tate Gallery gehört der Regierung,
die einen Teil davon nun zu dieser Galerieer-
weiterung hergibt. Es sollten zwar ursprüng-
lich andere Gebäude für die Regierung dort
aufgeführt werden, Minister Harcourt aber,
selber ein großer Kunstliebhaber, hat das er-
freulicherweise zu verhindern gewußt, so daß
nun dem allseitigen Wachstum der Tate Gallery
keinerlei Hindernisse mehr entgegenstehen. Auf
einige andere Punkte der bedeutsamen mini-
sterialen Rede und der interessanten Sitzung
überhaupt hier einzugehen, ist es für diesmal
zu spät. F.
KLEINE NACHRICHTEN
Barmen. Wie auch in Städten, die dem modernen
Kunstleben ferner stehen, die Einsicht in die Notwendig-
keit rationeller Kunstpflege sich regt, zeigt der Kunstverein
in.Barmen, der seit dem Herbst 1907 einen Kunsthistoriker
als „Konservator" angestellt hat, um künstlerische Be-
strebungen und Vermittelungen jeder Art zu leiten.
Dr. R. Reiche, dem dieses Amt übertragen wurde, ist als
Forscher auf dem Gebiet der westfälischen Plastik be-
kannt; er war Assistent bei Clemen in Bonn und hat an
den verschiedensten großen Ausstellungen mitgearbeitet.
Für die Tüchtigkeit der neuen Bestrebungen in Barmen
bürgt u. a. auch der jüngst erfolgte Ankauf eines vorzüg-
lichen Bildes von Fritz Erler, „Mädchen in Weiß".
Bern. In No. 144 des Berner „Bund" erhebt A. Weese
energischen Protest dagegen, daß das — leider schon
verstümmelte — Alte Museum niedergerissen wird, wie
es anscheinend beabsichtigt ist. Es ist der früheste Mu-
seumsbau (1773—75 von der Stadt als solcher erbaut) und
ein köstliches Werk des Berner Architekten Sprüngli.
Möchte die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf
diese Gefahr gelenkt werden und einen Vandalismus in
dem schönen alten Stadtbilde von Bern noch zeitig ver-
hüten!
Bremen. Das Modell für das Bismarckdenkmal, mit
dem Adolf Hildebrand beauftragt ist, wurde vor
einigen Tagen der Kommission vorgestellt, deren ein-
mütigen Beifall es gefunden hat. Bekanntlich soll das
Denkmal an der Nordwestecke des Domes unmittelbar
neben dem Turm seinen Platz erhalten, wodurch die
außergewöhnliche Höhe des Postaments bedingt wird.
Indessen ist die Masse des Postaments aufs glücklichste
dadurch erleichtert, daß man ihm einen elliptischen Grund-
riß gegeben hat. Von der Reiterfigur läßt sich in dem
verkleinerten Maßstabe nur der Umriß beurteilen, der,
wie nicht anders zu erwarten war, hervorragend gut ge-
löst ist. Auf dem mächtigen Roß sitzt der Kanzler in
Kürassieruniform mit hohen Stiefeln, deren weiche Mo-
dellierung indessen die Form der Beine deutlich zum
Ausdruck gelangen läßt. In der Rechten hält er eine
Schriftrolle.
Auf der vor vierzehn Tagen geschlossenen Großen
Frühjahrsausstellung wurden für die Sammlungen der
Kunsthalle wichtige Erwerbungen gemacht: Von Trübner
das „Mädchen mit dem japanischen Fächer", das früher
sich eine Zeitlang in der Sammlung des Dr. Linde be-
fand, und „die Wendeltreppe im Heidelberger Schloß"
(beide im Jahre 1873 gemalt), von Albert Lang, dem
damals mit Trübner befreundeten Münchner Meister, ein
hervorragend feines „Stilleben" mit Pfeife und Tabaks-
beutel auf einem weißen Taschentuch (1872 gemalt), von
Thoma eine frühe schöne Schwarzwaldlandschaft aus
dem Jahre 1867, von Schuch ein Stilleben mit Äpfeln,
von Graf Leo Kalckreuth das große Bild des Sommers
(eine schwangere Frau, die neben einem Kornfeld einher-
geht) und von Paula Modersohn, der höchst begabten,
früh verstorbenen Gattin des Worpsweder Malers ein
kleines in Paris gemaltes Stilleben. Dazu kamen als Ge-
schenke: Von Frau Kommerzienrat Biermann die Kuh-
hirtin von Max Liebermann, das bekannte Bild von
1872, von Herrn Leopold Biermann ein dekoratives Ge-
mälde von Carl Hofer, sowie von der Vereinigung von
Freunden der Kunsthalle zwei Bronzen von Georg
Kolbe und schließlich als Gabe des Herrn A. W. von
Heymel die Bronzemaske eines Mädchens von Gauguin.
Frankfurt a. Main. Aus der Sammlung des ver-
storbenen Rudolf Kann, Paris, gelangte als Geschenk
seiner in Frankfurt lebenden Schwester, das Porträt eines
greisen Diplomaten von Rubens in den Besitz des Städel-
schen Instituts. Der mit einem schwarzen zylinderähnlichen
Hute bedeckte Kopf zeigt eine besonders prachtvolle Er-
haltung des rosig-leuchtenden Incarnats, das in blühender
Frische kontrastiert zu dem Schwarz der Gewandung.
Diese ist mehr eintönig gehalten, der Pelz des Rockes
sogar nur untermalt; diese schweren Töne werden durch
eine goldene Ehrenkette, die über die Brust hängt, be-
lebt. Das Porträt ist, was im XVII. Jahrhundert eigen-
artig berührt, ohne jedes Beiwerk äußerer Art; sogar die
Hände sind nicht zu sehen. Es scheint sich nach der ver-
tieften Charakteristik des Gesichtes zu urteilen, um die
Darstellung eines Menschen aus Rubens engstem Kreise
zu handeln. Es ist erfreulich zu begrüßen, daß aus der
weltberühmten Sammlung, deren Verkauf unter Kennern
und Kunstfreunden soviel von sich hat reden machen, ein
so intimes Werk des großen Vlamen der Vaterstadt
Kanns erhalten bleibt.
Eine zweite Erwerbung ist Vincent van Goghs Bauern-
haus. Nicht nur im Motiv völlig der Art Courbets ver-
wandt, zeigt das Bild trotzdem in der Energie der Linien-
führung (besonders an dem Dach des Bauernhauses zu
beobachten) in der kühnen Kraft der Farbigkeit den
kommenden Neuerer; es bildet eine wertvolle Ergänzung
des sogenannten französischen Cabinettes des Städelschen
Instituts.
Ebenfalls das Werk eines Franzosen ist die ange-
kaufte Bronze-Statuette eines nackten Mädchens von
Aristide Maillol. Die Figur zeigt eine völlig geschlossene
Körpermasse und einfache Bewegung, und diese bewußte
Primitivität weist dem Künstler einen ganz besonderen
Platz in der Nachfolge Rodins an. E. A. B.
Kiel. Anstelle der längst unzulänglichen und mit den
prächtigen Sammlungen norddeutschen Kunstgewerbes
überfüllten alten Galerie wird ein neues stattliches Museum
in der Düsternbrooker Allee entstehen. Der Bauriß (von
Lohr und v. Pöllnitz) ist schon genehmigt; er verspricht
ein anständiges, wenn auch nicht übermodernes Gebäude
in Längsfront mit (vorläufig) einem architektonisch be-
tonten Seitenflügel; eine Erweiterung ist geschickt vor-
gesehen. Außer dem Museum sollen in dem Gebäude das
archäologische und kunsthistorische Institut der Universität
(was sehr begrüßenswert), das Kupferstichkabinett und
die Räume des Kunstvereins Platz finden.
Worms. Das Stadtbild des alten Worms hat in
jüngster Zeit durch verschiedene bauliche Arbeiten, die
die städtische Bauverwaltung mit glücklicher Hand und in
diskreter Ausführung vorgenommen hat, bedeutend ge-
wonnen. Im Süden und Norden der Stadt ist die alte
Stadtmauer geöffnet worden; auf diese Weise sind zwei
Tore von gewaltiger Höhe und Breite entstanden, das
Raschitor an der Nordpromenade und das Andreastor im
^üden; beide gewähren schöne Durchblicke in die benach-
barten Stadtviertel.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
habe. In den 5 Sälen dieses Flügels sollen
Turners Werke als permanentes Lehen von der
National Gallery aufgestellt werden, in welch
letzterer nur einige Bilder des Künstlers Zurück-
bleiben, um ihn auch dort gebührend zu ver-
treten. Damit würde dann Turners eigener
Wunsch, alle seine Werke auf einem Fleck
vereinigt zu wissen, endlich in der Hauptsadie
in Erfüllung gehen. Der Grund und Boden
hinter der Tate Gallery gehört der Regierung,
die einen Teil davon nun zu dieser Galerieer-
weiterung hergibt. Es sollten zwar ursprüng-
lich andere Gebäude für die Regierung dort
aufgeführt werden, Minister Harcourt aber,
selber ein großer Kunstliebhaber, hat das er-
freulicherweise zu verhindern gewußt, so daß
nun dem allseitigen Wachstum der Tate Gallery
keinerlei Hindernisse mehr entgegenstehen. Auf
einige andere Punkte der bedeutsamen mini-
sterialen Rede und der interessanten Sitzung
überhaupt hier einzugehen, ist es für diesmal
zu spät. F.
KLEINE NACHRICHTEN
Barmen. Wie auch in Städten, die dem modernen
Kunstleben ferner stehen, die Einsicht in die Notwendig-
keit rationeller Kunstpflege sich regt, zeigt der Kunstverein
in.Barmen, der seit dem Herbst 1907 einen Kunsthistoriker
als „Konservator" angestellt hat, um künstlerische Be-
strebungen und Vermittelungen jeder Art zu leiten.
Dr. R. Reiche, dem dieses Amt übertragen wurde, ist als
Forscher auf dem Gebiet der westfälischen Plastik be-
kannt; er war Assistent bei Clemen in Bonn und hat an
den verschiedensten großen Ausstellungen mitgearbeitet.
Für die Tüchtigkeit der neuen Bestrebungen in Barmen
bürgt u. a. auch der jüngst erfolgte Ankauf eines vorzüg-
lichen Bildes von Fritz Erler, „Mädchen in Weiß".
Bern. In No. 144 des Berner „Bund" erhebt A. Weese
energischen Protest dagegen, daß das — leider schon
verstümmelte — Alte Museum niedergerissen wird, wie
es anscheinend beabsichtigt ist. Es ist der früheste Mu-
seumsbau (1773—75 von der Stadt als solcher erbaut) und
ein köstliches Werk des Berner Architekten Sprüngli.
Möchte die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf
diese Gefahr gelenkt werden und einen Vandalismus in
dem schönen alten Stadtbilde von Bern noch zeitig ver-
hüten!
Bremen. Das Modell für das Bismarckdenkmal, mit
dem Adolf Hildebrand beauftragt ist, wurde vor
einigen Tagen der Kommission vorgestellt, deren ein-
mütigen Beifall es gefunden hat. Bekanntlich soll das
Denkmal an der Nordwestecke des Domes unmittelbar
neben dem Turm seinen Platz erhalten, wodurch die
außergewöhnliche Höhe des Postaments bedingt wird.
Indessen ist die Masse des Postaments aufs glücklichste
dadurch erleichtert, daß man ihm einen elliptischen Grund-
riß gegeben hat. Von der Reiterfigur läßt sich in dem
verkleinerten Maßstabe nur der Umriß beurteilen, der,
wie nicht anders zu erwarten war, hervorragend gut ge-
löst ist. Auf dem mächtigen Roß sitzt der Kanzler in
Kürassieruniform mit hohen Stiefeln, deren weiche Mo-
dellierung indessen die Form der Beine deutlich zum
Ausdruck gelangen läßt. In der Rechten hält er eine
Schriftrolle.
Auf der vor vierzehn Tagen geschlossenen Großen
Frühjahrsausstellung wurden für die Sammlungen der
Kunsthalle wichtige Erwerbungen gemacht: Von Trübner
das „Mädchen mit dem japanischen Fächer", das früher
sich eine Zeitlang in der Sammlung des Dr. Linde be-
fand, und „die Wendeltreppe im Heidelberger Schloß"
(beide im Jahre 1873 gemalt), von Albert Lang, dem
damals mit Trübner befreundeten Münchner Meister, ein
hervorragend feines „Stilleben" mit Pfeife und Tabaks-
beutel auf einem weißen Taschentuch (1872 gemalt), von
Thoma eine frühe schöne Schwarzwaldlandschaft aus
dem Jahre 1867, von Schuch ein Stilleben mit Äpfeln,
von Graf Leo Kalckreuth das große Bild des Sommers
(eine schwangere Frau, die neben einem Kornfeld einher-
geht) und von Paula Modersohn, der höchst begabten,
früh verstorbenen Gattin des Worpsweder Malers ein
kleines in Paris gemaltes Stilleben. Dazu kamen als Ge-
schenke: Von Frau Kommerzienrat Biermann die Kuh-
hirtin von Max Liebermann, das bekannte Bild von
1872, von Herrn Leopold Biermann ein dekoratives Ge-
mälde von Carl Hofer, sowie von der Vereinigung von
Freunden der Kunsthalle zwei Bronzen von Georg
Kolbe und schließlich als Gabe des Herrn A. W. von
Heymel die Bronzemaske eines Mädchens von Gauguin.
Frankfurt a. Main. Aus der Sammlung des ver-
storbenen Rudolf Kann, Paris, gelangte als Geschenk
seiner in Frankfurt lebenden Schwester, das Porträt eines
greisen Diplomaten von Rubens in den Besitz des Städel-
schen Instituts. Der mit einem schwarzen zylinderähnlichen
Hute bedeckte Kopf zeigt eine besonders prachtvolle Er-
haltung des rosig-leuchtenden Incarnats, das in blühender
Frische kontrastiert zu dem Schwarz der Gewandung.
Diese ist mehr eintönig gehalten, der Pelz des Rockes
sogar nur untermalt; diese schweren Töne werden durch
eine goldene Ehrenkette, die über die Brust hängt, be-
lebt. Das Porträt ist, was im XVII. Jahrhundert eigen-
artig berührt, ohne jedes Beiwerk äußerer Art; sogar die
Hände sind nicht zu sehen. Es scheint sich nach der ver-
tieften Charakteristik des Gesichtes zu urteilen, um die
Darstellung eines Menschen aus Rubens engstem Kreise
zu handeln. Es ist erfreulich zu begrüßen, daß aus der
weltberühmten Sammlung, deren Verkauf unter Kennern
und Kunstfreunden soviel von sich hat reden machen, ein
so intimes Werk des großen Vlamen der Vaterstadt
Kanns erhalten bleibt.
Eine zweite Erwerbung ist Vincent van Goghs Bauern-
haus. Nicht nur im Motiv völlig der Art Courbets ver-
wandt, zeigt das Bild trotzdem in der Energie der Linien-
führung (besonders an dem Dach des Bauernhauses zu
beobachten) in der kühnen Kraft der Farbigkeit den
kommenden Neuerer; es bildet eine wertvolle Ergänzung
des sogenannten französischen Cabinettes des Städelschen
Instituts.
Ebenfalls das Werk eines Franzosen ist die ange-
kaufte Bronze-Statuette eines nackten Mädchens von
Aristide Maillol. Die Figur zeigt eine völlig geschlossene
Körpermasse und einfache Bewegung, und diese bewußte
Primitivität weist dem Künstler einen ganz besonderen
Platz in der Nachfolge Rodins an. E. A. B.
Kiel. Anstelle der längst unzulänglichen und mit den
prächtigen Sammlungen norddeutschen Kunstgewerbes
überfüllten alten Galerie wird ein neues stattliches Museum
in der Düsternbrooker Allee entstehen. Der Bauriß (von
Lohr und v. Pöllnitz) ist schon genehmigt; er verspricht
ein anständiges, wenn auch nicht übermodernes Gebäude
in Längsfront mit (vorläufig) einem architektonisch be-
tonten Seitenflügel; eine Erweiterung ist geschickt vor-
gesehen. Außer dem Museum sollen in dem Gebäude das
archäologische und kunsthistorische Institut der Universität
(was sehr begrüßenswert), das Kupferstichkabinett und
die Räume des Kunstvereins Platz finden.
Worms. Das Stadtbild des alten Worms hat in
jüngster Zeit durch verschiedene bauliche Arbeiten, die
die städtische Bauverwaltung mit glücklicher Hand und in
diskreter Ausführung vorgenommen hat, bedeutend ge-
wonnen. Im Süden und Norden der Stadt ist die alte
Stadtmauer geöffnet worden; auf diese Weise sind zwei
Tore von gewaltiger Höhe und Breite entstanden, das
Raschitor an der Nordpromenade und das Andreastor im
^üden; beide gewähren schöne Durchblicke in die benach-
barten Stadtviertel.