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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Der Flügelaltar (No. 892), welcher im Mittelfelde Christus mit den zwölf Aposteln,
auf den Flügeln Helena und Florian, außen die Verkündigung zeigt, bildet gewisser-
maßen die Vorstufe zu den im Museum verstreuten Werken eines jüngeren Künstlers,
dessen Tätigkeit schon ganz ins XVI. Jahrhundert fallen mag.
Unter den Neuerwerbungen der kirchlichen Kunstwerke findet sich (No. 58) eine
ungefähr quadratische Tafel, welche das Martyrium eines jugendlichen Heiligen (Judas
Thaddäus?) darstellt.
(Abbildung 5.) Der-
selbe ist knieend in
rotem Gewände zu
sehen, von links tritt
ein Richter mit einem
Begleiter heran, der
zwei mit Knütteln be-
wehrte Schergen zum
Dreinschlagen auf den
Knieenden auffordert.
Eigentümlich ist die
Ausstattung des Rau-
mes, in dem der Vor-
gang sich vollzieht:
Das gleiche Schach-
brettmuster, welches
den Fußboden
schmückt, zieht sich
auch an der Rück-
wand hinauf; ein
Fenster gewährt Aus-
blick auf eine hügelige
Landschaft. DieTypen-
gebung ist sehr auf-
kleinem Munde, da-
neben Schergen von
der Art der im Profil
dargestellten. Der Far-
bencharakter wird
durch eine äußerst de-
likate Lichtgebung be-
stimmt; ein sanftes
weiches Licht, das die
meist hellen Lokal-
farben nicht aufhebt,
aber harmonisch ab-
tönt. Bevor wir allge-
meine Mutmaßungen
über diesen Künstler
aussprechen, wollen
wir die drei weiteren
Tafeln, die das Mu-
seum beherhergt, be-
trachten. Da finden
sich im 23. Saal der
kunstgewerblichen
Mustersammlung bei
den Holzarbeiten über
der Türe zwei höchst
fallend: Runde Köpfe Abb. 6. Steirischer Maler von 1505. Madonna interessante Tafelbil-
mit kleinen Gesichts- ™" vier weiblichen Heiligen □ der, die Anbetung
teilen, runden Augen, des Kindes und Jo-
hannes auf Patmos darstellend. Letzteres Gemälde, das den jugendlich gebildeten,
wie aus dem Traum erwachenden Apostel auf seiner Insel liegend, vor abendlichem
Himmel darstellt, hat mich in der Farbenstimmung an ein italienisches Bild des
gleichen Gegenstandes, das prachtvolle Werk Bramantinos auf Isola Bella erinnert.
Die Ähnlichkeit beruht hauptsächlich auf der hohen geheimnisvollen Bedeutung,
welche das Licht für den Gesamtcharakter des Bildes hat. Nun, da wir den Künstler
schon einigermaßen kennen, finden wir ihn auch leicht unter der Maske einer argen
Übermalung in dem Bilde No. 15 der Landes-Gemäldegalerie, das die Anbetung der
heiligen drei Könige zum Gegenstände hat.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Der Flügelaltar (No. 892), welcher im Mittelfelde Christus mit den zwölf Aposteln,
auf den Flügeln Helena und Florian, außen die Verkündigung zeigt, bildet gewisser-
maßen die Vorstufe zu den im Museum verstreuten Werken eines jüngeren Künstlers,
dessen Tätigkeit schon ganz ins XVI. Jahrhundert fallen mag.
Unter den Neuerwerbungen der kirchlichen Kunstwerke findet sich (No. 58) eine
ungefähr quadratische Tafel, welche das Martyrium eines jugendlichen Heiligen (Judas
Thaddäus?) darstellt.
(Abbildung 5.) Der-
selbe ist knieend in
rotem Gewände zu
sehen, von links tritt
ein Richter mit einem
Begleiter heran, der
zwei mit Knütteln be-
wehrte Schergen zum
Dreinschlagen auf den
Knieenden auffordert.
Eigentümlich ist die
Ausstattung des Rau-
mes, in dem der Vor-
gang sich vollzieht:
Das gleiche Schach-
brettmuster, welches
den Fußboden
schmückt, zieht sich
auch an der Rück-
wand hinauf; ein
Fenster gewährt Aus-
blick auf eine hügelige
Landschaft. DieTypen-
gebung ist sehr auf-
kleinem Munde, da-
neben Schergen von
der Art der im Profil
dargestellten. Der Far-
bencharakter wird
durch eine äußerst de-
likate Lichtgebung be-
stimmt; ein sanftes
weiches Licht, das die
meist hellen Lokal-
farben nicht aufhebt,
aber harmonisch ab-
tönt. Bevor wir allge-
meine Mutmaßungen
über diesen Künstler
aussprechen, wollen
wir die drei weiteren
Tafeln, die das Mu-
seum beherhergt, be-
trachten. Da finden
sich im 23. Saal der
kunstgewerblichen
Mustersammlung bei
den Holzarbeiten über
der Türe zwei höchst
fallend: Runde Köpfe Abb. 6. Steirischer Maler von 1505. Madonna interessante Tafelbil-
mit kleinen Gesichts- ™" vier weiblichen Heiligen □ der, die Anbetung
teilen, runden Augen, des Kindes und Jo-
hannes auf Patmos darstellend. Letzteres Gemälde, das den jugendlich gebildeten,
wie aus dem Traum erwachenden Apostel auf seiner Insel liegend, vor abendlichem
Himmel darstellt, hat mich in der Farbenstimmung an ein italienisches Bild des
gleichen Gegenstandes, das prachtvolle Werk Bramantinos auf Isola Bella erinnert.
Die Ähnlichkeit beruht hauptsächlich auf der hohen geheimnisvollen Bedeutung,
welche das Licht für den Gesamtcharakter des Bildes hat. Nun, da wir den Künstler
schon einigermaßen kennen, finden wir ihn auch leicht unter der Maske einer argen
Übermalung in dem Bilde No. 15 der Landes-Gemäldegalerie, das die Anbetung der
heiligen drei Könige zum Gegenstände hat.