Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0565

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rundschau

557

C. W. Bartlett zu erwähnen — bezeichnender-
weise fast das einzige Tierstiick in all der
furchtbaren, ufer- und grundlosen Unnatur —
und etwa noch das stark manierierte Gewebe
der ehemals Morrisschen Weberei nach Burne
Jones, letzterZeichnung„Vorüberfahrt der Venus"
dann ist alles gesagt. — Interessanteres findet
man in der Sommerausstellung des Burlington
Art Clubs, der seinen Mitgliedern immer etwas
Exquisites und Apartes vorzusetzen hat. Dies-
mal sind es englische, französische, vlämische
und italienische illuminierte Handschriften des
XII., XIII., XIV., XV., und XVI. Jahrhunderts,
darunter Stücke von außerordentlicher Schönheit
und jener Sicherheit des Stilempfindens, die
nur aus dem unbewußten Umfriedigtsein von
einer bestimmten, aber noch nicht leer und in-
haltslos gewordenen Konvention resultieren
kann. Das hervorragendste Stück ist wohl
Mr. Yates Thompsons „Lancelot Du Lac" aus
Nordostfrankreich, ca 1300. Englische Stücke
von hohem Werte sind: Mr. Dyson Perrins
„Apocalypse", eine englische Handschrift des
XIII. Jahrhunders; „Bury St. Edmunds Neues
Testament", frühes XII. Jahrhundert (Eigentümer
Pembroke College, Cambridge); ein Nonnen-
psalter, XIII. Jahrhnndert (Trinity College, Cam-
bridge) eine Apokalypse, XIII. Jahrhundert (Erz-
bischof von Canterbury); Windmill Psalter, spätes
XIII. Jahrhundert, einst im Besitze William
Morris' und die Vulgata, spätes XII. Jahrhundert
(Winchester Cathedrale). Pierpont Morgan hat
u.a.einen französischen Psalter hergeliehen. Unter
den Stücken der Brügger Schule befindet sich
das Breviarium der Königin Eleanor von Portugal.
Die italienischen Werke stammen meist aus
späterer Zeit. Hier tritt die Tiefendimension
auf, die den dekorativen Charakter der Zeich-
nungen als Buchschmuck zerstört und die „Illu-
minierungen" zu eigentlichen „Illustrationen"
macht. Der Buchdruck brachte, wie Mr. L.
March Philipps in einer interessanten Besprechung
der Ausstellung sehr richtig bemerkt, das haupt-
sächlich mit sich, denn er ließ neue Handschriften
nur noch als Luxus neben sich bestehen. Die
eigentliche Funktion dieser Kleinkunst war zu
Ende. Die erreichte und aufgespeicherte Tech-
nik begann daher zu spielen und nach anderen
Betätigungen sich zu sehnen, die mit dem
eigentlichen Zweck der Illuminierung einer Hand-
schrift nicht im Einklang standen. So kam es,
daß im Zeitalter der großen Kunst schlechte,
d. h. funktionslose Kunst produziert wurde.
„Jedesmal", schließt Mr. Philipps, „wenn eine
Kunst ihren Zweck erfüllt hat und darüber
hinauswuchert, wenn sie aufhört, mit einem
bestimmten Zweck verbunden zu sein, besteht

für sie die Gefahr der Dekadenz". — Eine
Reihe alter Bilder kann man jetzt in der Sack-
ville Gallery (Sackville Street 28, Picadilly) sehen,
darunter einige recht interessante spanische
Stücke des XV.Jahrhunderts, die teilweise vlä-
mische, teilweise italienische Einflüsse aufweisen
und doch schon eine nationale Eigenart ver-
raten; sodann ein vlämisches Stück, Christus
auf dem Ölberg, das von demselben Meister
zu stammen scheint, dessen Werk unter 551 a
in der Berliner Nationalgalerie als vielleicht ein
früher Mabuse (?) bezeichnet ist. Französisch
ist wohl eine Tafel mit den Heiligen St. Mar-
geret und St. Catherine auf sternbesätem blauen
Grunde. Ein großes, gruppenreiches Bild „Christus,
die Wechsler aus dem Tempel treibend" ist
dem Hieronymus Bosch zugeschrieben und geht
auch sicherlich auf diesen im Entwurf wenig-
stens zurück. Das kleinere Original befindet
sich in einer Londoner Privatgalerie. — Von
den zahlreichen Gaben, mit denen uns all die
vielen Kunstsalons jetzt überschütten, seien hier
angeführt: die 44. Sommerausstellung moderner
Niederländer in der ehemaligen Macleanschen
Galerie, 7 Haymarket, die jetzt ein Mr. Eugene
Cremetti übernommen hat (einige frühe Stücke
und anderes von Maris, Israels Ter Meulen,
Mauve, Bosboom usw., welche Meister ja hier
schon lange en vogue sind). Ebenfalls moderne
Niederländer und dazu Werke der Barbizonschule
sind in der French Gallery zu sehen, darunter
ein klassisches Bild Millets vor seiner Barbizon-
zeit, ein „Ödipus"; und in der Gallery der Messrs.
Obach, 168 New Bond Street. Bei Gutekunst,
King Street, sind einige Blätter des Adolphe
Appian angestellt, eines Schülers Corots und
Daubignys. In der Leicester Gallery waren
Aquarelle den verstorbenen Buxton Knight zu
sehen gewesen, dessen kräftiger, eigenwilliger
Stil ihn über die sanften, mechanischen Land-
schafter weit hinweghebt. Jetzt wird in dieser
Galerie eine Aquarellausstellung alter und neuer
Meister angekündigt, darunter Werke von Gains-
borough, Turner, Cotman, Cox, de Wint, F. Wal-
ker usw. — Die Sensation des Tages bietet
„der größte lebende Maler der Welt", unter
welchem Titel sich Sefior Sorolla in der Grafton
Gallery hat einführen lassen. Dazu stehen ihm
der König von Spanien und seine englische Ge-
mahlin als Paten zur Seite. Da kann es ja gar
nicht fehlen. In Wahrheit erweist diese er-
müdend umfangreiche Ausstellung Sorolla als
ein Phänomen im Erschauen, Erfassen und
Wiedergeben momentaner Eindrücke. Er ist
ganz Auge, aber nur äußeres, und nur das
Sinnenorgan gibt seiner schnellen und ge-
schickten Hand Impulse. In der Beziehung er-
 
Annotationen