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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0572

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564

Monatshefte für Kunstwissenschaft

Grünewalds noch kaum die Rede sein kann, in
die Zeit nämlich um oder vielleicht noch vor
1500. Es folgen die beiden einzigartig reich und
warm wirkenden Grisaillen in Frankfurt a. M. mit
des Meisters Monogramm, und darauf als Glanz-
punkt der Publikation der große nun auseinander
genommene und zum Teil verstümmelte Isen-
heimer Altar im Museum zu Colmar. Man be-
grüßt es dankbar, daß der Herausgeber außer
den trefflichen Reproduktionen der einzelnen
Teile auch noch interessante Rekonstruktionen
des ganzen Altares gibt, die die ungeheure Wir-
kung, die das Ganze geübt haben muß, wenigstens
ahnen läßt. Das nächste Blatt zeigt das Bild im
Freiburger Museum, das Bayersdorfer vor
noch nicht allzu langer Zeit in Privatbesitz ent-
deckt hat und von dem man seines Gegenstandes
wegen von Anfang an vermutete, daß es ur-
sprünglich ein Bestandteil des für Grünewald ge-
sicherten Altars der Maria Schnee-Kapelle in
der Stiftskirche zu Asch affenburg gebildet habe.
Diese Vermutung ist inzwischen durch
Aktenfunde vollkommen bestätigt wor-
den, und ich bin in der Lage, auch in das Dunkel
der weiteren Schicksale des Bildes etwas Licht,
freilich ein für München schmerzliches, zu bringen.
Aus den Ankaufsakten der alten Pinakothek geht
hervor, daß das Bild im Jahre 1829 mit mehreren
anderen noch heute im Staatsbesitz befindlichen
Gemälden aus der Stiftskirche in Aschaffenburg
erworben wurde, und somit heute eine Zierde
unserer Pinakothek bilden könnte. Als aber
i. J. 1852 für die Vervollständigung der Schleiß-
heimer Ahnengalerie durch, historisch wie künst-
lerisch gleich wertlose Phantasiebildnisse Zimmer-
manns Mittel benötigt wurden, kam man auf
den unglücklichen Gedanken eine Reihe von
circa 2000 angeblich minderwertigen Gemälden
aus dem großen Bestand der Sammlungen aus-
zumustern und öffentlich um Bagatellpreise zu
versteigern. Unter diesen befand sich das Frei-
burger Bild und es erzielte damals nicht mehr
als 15 Gulden 36 Kreuzer, einen Preis, der heute
mehr als vertausendfacht werden würde. Der
Käufer war ein Herr Seitz, von dem es dann wohl
in den Besitz derFamilie Thiry überging; ein Fräu-
lein Thiry vermachte es bekanntlich dem Freiburger
Museum. — Wenn noch eine kurze Abschweifung
gestattet ist, so möchte ich hier noch auf ein Bild
hinweisen, das sich heute im Schleißheimer
Depot befindet und wirklich, künstlerisch be-
trachtet, auch wertlos genug ist, um es einer
öffentlichen Sammlung zu entziehen. Interessant
aber wird es durch den Umstand, daß es einst,
wie die Akten ergaben, das Gegenstück zu
dem Freiburger Flügelbild des Aschaffen-
burger Altars gebildet hat. Es ist auf Lein-

wand gemalt und wird wohl aus dem 17. Jahr-
hundertstammen. Das Bild, dessen Maße mit denen
des Freiburger Bildes übereinstimmen, muß also
als Ersatz für den zweiten Flügel des angeblich bei
einem Brande beschädigten Altars von Grünewald
gemalt worden sein und vielleicht darf man ver-
muten, daß seiner Komposition jene der Vorder-
seite des Grünewald'sdien Originals zugrunde ge-
legen hat, mindestens aber, daß beide dieselbe
Darstellung zeigten. Diese ist folgende: In einer
Landschaft thront Maria mit dem in einen
Schleier gehüllten Kind auf dem Schoß; hinter
ihr steht mit einer großgeschwungenen Fahne
der hl. Georg, links und rechts vorn knien an-
betend die Heiligen Bernhard und Lambertus.
Vorn rechts ein Hund mit einer Fackel im Maul.
Georg reicht Maria eine Art Täfelchen an Schnüren
von hinten herüber, dessen Bedeutung nicht klar
ist. Oben, in Wolken, der Erzengel Michael, links
und rechts im Himmel zwei Lichtöffnungen mit
himmlischen Erscheinungen. In der weiten ber-
gigen Landschaft tröstet links ein Engel die Seelen
im Fegefeuer. Die Komposition ist ziemlich streng
in die Form einer Pyramide gebracht. DieMalweise
im einzelnen ist durchaus die der späten Zeit,
ebenso die Typen und Gesten, so daß an eine
direkte Kopie nicht gedacht werden kann. Es
scheint mir aber, daß in manchen Sachen Reminis-
zenzen, wenn auch nur schwächster Art, an Grüne-
wald gefunden werden können; für die Rekon-
struktion des Altares jedenfalls darf das Bild nicht
mehr übersehen werden.
Auf das besonders koloristisch überaus hoch
stehende Freiburger Bild folgen in der Publi-
kation die bekannten Gemälde in Karlsruhe,
Aschaffenburg und München und auf diese eine
Reihe von Gemälden verschiedener Qualität und
Gattung, die von manchen Forschern mit Grüne-
wald in Zusammenhang gebracht worden sind,
deren Echtheit jedoch Schmid mit Recht leugnet.
Den Schluß bilden die wenigen Zeichnungen
Grünewalds. Das schöne Werk wäre vielleicht
qualitativ gleichmäßiger und schöner geworden,
wenn der Herausgeber dem Freunde Grünewalds
nach dem Genuß der guten Bilder die Ab-
schwächung erspart hätte, die die übrigens auch
in der Reproduktion weniger gelungenen Unechten
für den Gesamteindruck bedeuten. Indessen wäre
es unrecht, den Wert des Werkes deshalb zu
schmälern. Das große Verdienst des Heraus-
gebers wie des Verlegers bleibt in der überaus
erfreulichen Tatsache bestehen, daß die Werke
eines unserer größten Künstler nun endlidi ein-
mal dem kunstliebenden Publikum für einen
außerordentlich mäßigen Preis in hervorragend
guten Abbildungen dargeboten werden und dies
bedeutet nicht nur an sich eine schöne Tat,
 
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