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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0102

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

entgegenzukommen hatte (und zwar in Aus-
drücken, die öfters in das Gebiet der unfrei-
will gen Komik kleinstädtischen Zeitungsstils
übergehen). Und beide Möglichkeiten sind bei
Weizsäcker, dem ehemaligen Direktor vom
Städel, ausgeschlossen. Niemand wird mich
davon überzeugen können, daß diese an Ge-
sinnung so himmelweit auseinanderstehenden
Teile von einer Hand herrühren, und daß nicht
die brenzlichen Abschnitte als unbequem von
Weizsäcker auf einen Frankfurter Lokalschrift-
steller abgewälzt vorder !sind. Das war ein
Ausweg, aber kein sehr redlicher. Man hätte
den Mut haben sollen, auch diese Partien kri-
tisch zu behandeln, oder aber sie ganz aus-
lassen. Durch ihre jetzige Redaktion stellen sie
den Wert des Buches in Frage.
Paul Ferdinand Schmidt.
g
Aus der Bremer Kunsthalle. Vierzig
Gemälde und Bildhauerwerke, mit einleitendem
Text von Gustav Pauli. Verlag von Franz
Leuwer. Bremen. 1907.
Gleichzeitig mit dem neuen Galeriekatalog
ist in dem obengenannten Verlag ein Mappen-
werk erschienen, das in unvergänglichen Kohle-
drucken vierzig Werke aus den Sammlungen
der Kunsthalle reproduziert. Darunter sind
zwölf Gemälde alter Schulen, das übrige um-
faßt moderne Arbeiten. In diesem Zahlenver-
hältnis ist ausgedrückt, auf welchen Gebieten
der Schwerpunkt der Sammlung liegt.
Als im dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts
der Bremer Kunstverein, dessen Eigentum die
Kunsthalle ist, gegründet wurde, war die Welt
der alten Gemälde bereits verteilt. Meister-
werke der deutschen und holländischen Malerei
— von den Italienern ganz zu schweigen —
waren nur mit sehr erheblichen Opfern erreich-
bar. So hat man sich schon früh entschlossen,
die Arbeiten der zeitgenössischen Meister an-
zukaufen, unter denen damals die Düsseldorfer
für Bremen in erster Linie standen. Aber nicht
nur damals, sondern auch später noch, als
längst andere Ziele proklamiert waren, war
dies die beliebteste Art von Kunst. Die neue
Zeit nahte für die alte Hansestadt mit dem
Schlußjahrzehnt des 19. Jahrhunderts, vielleicht
unter Einfluß der benachbarten Worpsweder
Schule, die sich langsam durchsetzte. Als dann
eine Änderung in der Verwaltung eintrat, wur-
den die Absichten des Institus festgelegt. In
der Erkenntnis, daß der Kunstverein auch mit

Hilfe eines neuerdings bewilligten Staatszu-
schusses in der Erwerbung alter Bilder mit
den großen deutschen Galerien in keiner Weise
wetteifern kann, soll der größte Teil der zur
Verfügung stehenden Mittel auch weiterhin zum
Ankauf zeitgenössischer Bilder dienen, dagegen
der Erwerbung alter Gemälde nur dann näher-
getreten werden, wenn es sich um bremisdien
Privatbesitz handelt. Daß man auf diese Weise
immer noch wertvolle Stücke gelegentlich haben
kann, zeigen die Neuerwerbungen eines schönen
Cranach aus der Frühzeit (Heilige Dreifaltigkeit
über einer Landschaft) und einer ausgezeich-
neten späten Ansicht des Schlosses von Bent-
heim von Jacob v. Ruisdael. Dergleichen Meister-
werke reihen sich würdig dem alten Besitz an,
der in Tafeln von Dürer, Barthel Beham, Alt-
dorfer, Masolino, Montagna sowie einigen
Niederländern seine Höhepunkte hat, unter denen
ein früher Ter Borch nnd ein großer früher
Goyen hervorgehoben sein mögen. Besonders
aufmerksam möchten wir die Fachgenossen auf
eine Darstellung vom „Daniel als Richter" machen,
die dem Lucas von Leyden gegeben wird und
dem Berliner Exemplar des „Schachspiels" tat-
sächlich sehr nahe steht.
Die moderne Sammlung, an deren Ausbau
unermüdlich gearbeitet wird, gibt heute schon
eine einigermaßen ausreichende Übersicht über
das Beste, was in unserer Zeit geschaffen wird.
Davon legt dies Mappenwerk Zeugnis ab.
Leider war es nicht möglich, alle Perlen der
Sammlung zu reproduzieren. Der „Abenteurer"
von Böcklin mußte fehlen, da die Erlangung
der Vervielfältigungs-Erlaubnis Schwierigkeiten
machte, und Liebermanns „Platz in Haarlem"
(1907) kam erst in den Besitz der Kunst-
halle, als die Publikation bereits vorlag.
Auch sonst hat manches bekannte Werk in der
Bremer Kunsthalle seinen Platz gefunden.
Thomas „Rheinfall", Feuerbachs „Mandolinen-
spieler" (1868/69), Mackensens „Frau auf der
Schiebkarre", Trübners „Kainz" seien genannt.
Daneben gute Franzosen, wie Pissarro (1869),
ein Doppelbildnis von Lucien Simon, Marinen
von Courbet und Zuloagas „Consuelo". Als
unvergleichliches Meisterwerk wurde im Jahre
1905 Claude Monets „Camille" (des Künstlers
erste Frau, im grünen Kleide) gekauft, der Zola
im Jahre 1866 eine begeisterte Seite gewidmet
hatte, eins der wenigen groß repräsentativen
Bildnisse, die es in der modernen Malerei gibt.
Das Bild hat 50000 Mark gekostet, viele Freunde
der Kunsthalle haben bei der Erwerbung mit-
geholfen. Leute, denen sonst die Kunst gleich-
gültig ist, teilten ihren Vertrauensmännern mit,
soviel sei das Bild nicht wert. „Was ist eine
 
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