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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. 1. Halbband, Heft 1-6.1908

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Heft 1/2
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0107

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Literatur

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Vergos II. (zuerst 1459 erwähnt, gest. 1503?),
der altertümlichste, seine Söhne Pablo (gest.
um 1495), der bedeutendste, und Rafael (zuletzt
1503 erwähnt). Die Scheidung der einzelnen
Hände ist oft schwierig. Vielleicht unterschätzt
Sanpere den Anteil Rafaels ein wenig zugunsten
Pablos. Den bedeutenden Retablo del Condes-
table weist Sanpere den Vergos zu; von Jaime
rührt die Auferstehung Christi her, von Pablo
die Anbetung der Könige und die Ausgießung
des heiligen Geistes. An dem Ret. de S. Vi-
cente de Sarria (Barcelonaer Museum) arbeiteten
Huguet, Jaime und Pablo Vergos. Auf dem
Pablo zugewiesenen Gemälde der „Ordensein-
kleidung" sind die singenden Chorherren als
Weiterbildung der Genter singenden Engel von
größtem Interesse. Eines der tiefgehendsten
Werke Pablos ist Ret. S. Antonio Abad in
dessen Kirche zu Barcelona, zu rühmen nament-
lich der Antoniuskopf aus dem „Besuch des hl.
Paulus". In den (Barcelonaer Museum und
gremio de Curtidores) erhaltenen Teilen des
Ret. de los Curtidores herrscht, soweit sie
Pablo angehören, eine ganz neue Großzügig-
keit, vor allem in der „Krönung" wirklicher
Stil. Das Hauptwerk der Vergos ist der 1500
vollendete Stefansaltar von Granollers; von
Pablo die Propheten, bei denen Sanpere nicht
mit Unrecht an Slüter als mögliches Vorbild
denkt. Die Gestalten sind durch die Kunst Ber-
mejos angeregt (den Sanpere hier gern zum
Schüler der Vergos machen möchte).
Wenn Casellas die Vergos und ihre Kunst
„Stillstand und Verfall der katalonischen Kunst"
genannt hat, so ist dies etwas zu hart geurteilt.
Ebenso verkehrt ist aber auch das übertriebene
Lob, das ihnen Sanpere spendet. Die ständige
Wiederholung derselben Figuren auf den Cal-
varios, Teufelsbeschwörungen und Kranken-
heilungen zeugt doch von geringer künstlerischer
Phantasie.
Kastilische Künstler sind in jener Zeit in
ziemlicher Anzahl in Katalonien tätig, zu nennen
ist vor allem Camargo. Sanpere meint, sie
seien vom Ruhm der dortigen Schule angelockt
worden und hätten von den großen katalonischen
Meistern lernen wollen. Wie vereinbart sich
aber mit dieser Anschauung die Tatsache, daß
diesen „Schülern" die zahlreichen Aufträge zu-
strömten?
Von großem Interesse ist das Fresco im Re-
fectorium der Pia Almoyna (Barcelona): Eine
Tischgesellschaft von 13 Armen; sichtliches Vor-
bild eine italienische Abendmahlsdarstellung
(Ghirlandajo!). Die Stelle des Johannes nimmt
hier ein kleines Kind ein. Die Frage nach dem

Künstler (Pablo de Siena? oder Pablo de S.
Leocadio?) wird offen gelassen.
Ungefähr 1502 ist der Trinitätsretablo des
Gabriel Guardia in Manresa entstanden, eines
der eindrucksvollsten Werke jener Zeit.
Sehr zu rühmen ist die reiche Anzahl der
beigegebenen Photographien wie die Mitteilung
zahlreicher Dokumente im Anhang.
August L. Mayer.

Paul Schubring, Rembrandt. Mit einem
Titelbild und 49 Textabbildungen. Leipzig,
Teubner 1907 (Aus Natur und Geistes-
welt 158.).
Rembrandt ist unendlich wie Goethe, Shake-
speare, Beethoven. Ewig sich gleich und immer
neu wie das holländische Meer und schluchten-
reich barock wie die Alpen. Man hat dem
Menschen und seinem Werk ehrfürchtigen An-
daditsdienst entgegengebracht, man hat pfaffen-
hafte Kleinkrämerei und frevelnde Unzucht mit
ihm getrieben — ganz wie mit der Bibel. Es
gibt Bücher für 1000 Mark und welche für eine
Mark über ihn. Dies hier ist eines für eine
Mark, und gewiß nicht das Schlechteste. Die
Gesinnung des Verfassers war gewiß, dem Leser
möglichst viel geordnetes Material zu bieten,
die Musik mag sich nachher ein jeder selbst
dazu machen. Mit Recht wird bei dem persön-
lichsten aller Künstler die Persönlichkeit in den
Vordergrund gestellt. Hofstede de Groot's un-
schätzbares Urkundenbuch ist hier für die brei-
teste Menge nutzbar gemacht. — Bei einem in
größter Auflage gedruckten Buche darf aber
nicht der Druckfehler stehen bleiben, Rembrandt
habe in der „Joodbeerenstraße" (statt Jooden-
breestraat!) gewohnt. Einen Aufenthalt Rem-
brandts in England würde ich nicht als so
wahrscheinlich annehmen wie Schubring; eine
Notiz, die 44 Jahre nach dem Tode des Meisters
niedergeschrieben wurde, kann in der Zeit der
Reiseromane dem Wunsche entsprungen sein,
den in Ungnade Gefallenen im Auslande sein
Glück suchen zu lassen und ein Zipfelchen von
ihm sich für das eigene Land zu erobern. Ein
paar Wiederholungen in der Lebensgeschichte
(S. 46 und 56) hätten wohl vermieden werden
können. Feinsinnig und gerecht sind übrigens
die beiden Frauen Rembrandts, die zarte, etwas
eigensüchtige Saskia und die derbere, ent-
schlossen gutmütige Hendrickje, kontrastiert. —
Gern hätte man auch in diesem engen Rahmen
etwas mehr darüber gehört, wie sich Rembrandts
Kunst aus der seiner Vorgänger herausentwickelt
 
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