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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Der Kunstsammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0143

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Der Kunstsammler

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VERMISCHTES
Rom, 11. Febr. Die italienische Regierung
scheint jetzt mit größerer Energie darauf aus-
zugehen, durch Ankauf Kunstschätze vor dem
Auswandern zu bewahren, statt wie bisher einzig
und allein auf das gesetzliche aber immer um-
gangene Ausfuhrverbot zu vertrauen. Eine
Zeitungsnotiz bereitet auf einen neuen derartigen
Ankauf vor, der wahrscheinlich sehr bedeutende
Mittel beanspruchen wird: Ein römisches fürst-
liches Haus, welches einen der besten päpstlichen
Adelsnamen aus dem 17. Jahrhundert trägt, be-
mühe sich seit Jahren um den Verkauf ihres
alten Kunstbesitzes. Das berühmte Archiv wurde
mit seinen 10 000 Manuskripten für die Vatika-
nische Bibliothek durch Leo XIII. erworben. Von
der Sammlung antiker Bronzen und Elfenbein-
schnitzereien habe man bisher geglaubt, daß sie
bereits in das Ausland gewandert sei. (Dieser
irrigen Meinung war allerdings einzig und allein
nur die italienische Regierung.) Nun habe man
aber festgestellt, daß sie sich noch in Italien,
und zwar bei einem Kunsthändler in Florenz
befinde. Daraufhin sei eine Kommission von
Archäologen eingesetzt worden, um die Samm-
lung zu prüfen und darüber zu berichten. — Für den
Eingeweihten kann es keinen Zweifel geben,
daß es sich um die Antiken-Sammlung
Barberini handelt, auf welche die italienische
Kunstverwaltung ihre Hand legen will, nachdem
sie bisher gegen deren Export scheinbar nichts
einzuwenden gehabt hat. Es ist sehr bedauer-
lich, daß von keiner deutschen Museumsverwal-
tung soviel rasche Entschlossenheit gezeigt
worden ist, um sich jene Sammlung, die aus-
gezeichnete antike Kunstgewerbeerzeugnisse,
darunter ein bedeutendes großes Bronzestück,
enthält, zu sichern, solange dazu die Möglich-
keit geboten war. Aus der Sammlung Barberini
stammt übrigens auch die kleine miniaturartig

gemalte Verkündigung Botticellis (nach der An-
sicht einiger Kenner ist sie allerdings nur ein
Schulwerk), die sich heute im Besitz des
Berliner Sammlers Huldschinsky befindet. X.
Rom, 15. Febr. Wie die „Tribuna" heute
mitteilt, erwirbt der italienische Staat aus vor-
handenen Fonds die Antiken-Sammlung des
Hauses Barberini von dem Kunsthändler Prof.
Volpi in Florenz, bei dem sie sich gegenwärtig
befindet. *
München. In der Bilderfälscherangelegenheit haben
die polizeilichen Erhebungen ergeben, daß sich die „Haupt-
fabriken" in München und in Paris befinden, und daß in
einer ganzen Reihe von anderen Kunststädten Filialen
errichtet worden waren. Das Fälscherkonsortium ließ,
wie uns aus München gemeldet wird, nicht nur Fälschungen
toter Meister anfertigen, um sie als Originale in den
Handel zu bringen — die Gesellschaft hatte auch die Kühn-
heit, Originale noch lebender kursfähiger Künstler geradezu
fabrikmäßig herzustellen. Da sich die Absatzgebiete der
eigenartigen Kunstreproduktionsgesellschaft nahezu über
alle Kulturstaaten verteilen, gestaltet sich die Unter-
suchung außerordentlich schwierig, doch besteht Aussicht,
daß es gelingt, das ganze Konsortium zu fassen.
In München ließen die Händler oft für einige Mark
Kopien nach Lenbach, Defregger, Grützner, Schleich,
Schwind, Spitzweg usw. anfertigen. Jede Kopie ging
dann nach Paris, wo sie signiert wurde, und tauchte später
in einer Kunsthandlung als „Original" auf, für die die be-
trogenen Liebhaber schweres Geld zahlten. So steht
unter anderem fest, daß für einen „echten Spitzweg", der
für zehn Mark gemalt worden war, 3000 Mark verlangt
und bezahlt worden sind. In einer Kunsthandlung in
Breslau wurde ein falscher Schwind: „Amor und Psyche"
von der dortigen Polizei beschlagnahmt. Um die Fäl-
schungen als solche zu erkennen, wurde der Justizbehörde
eine aus Malern, Bildhauern und Kunsthistorikern ge-
bildete Kommission beigegeben, der unter anderen Pro-
fessor Franz v. Stuck angehört. Unter den verhafteten
Fälschern befinden sich auch die Münchener Kunsthändler
Politzer und Windhagen, von denen besonders der letztere
in falschen Terrakotten Geschäfte machte. Der Prozeß
dürfte sich zu einem der sensationellsten gestalten, der
seit langem die Gerichte beschäftigt hat. (Berl. Tagebl.)
Paris, Der bekannte Kunstsammler Groult in Paris
ist 60 Jahre alt gestorben. Seine Galerie, hauptsächlich
mit Werken von Watteau, Fragonard, Gainsborough,
Turner usw. wird auf 25 Millionen Franken geschätzt.
Berlin. Die Sammlung Gaston v. Mallmann ist mit
ihrem Besitzer aus Böhmen hierher (Anhaltstr. 17) über-
gesiedelt und Kunstfreunden zugänglich gemacht. Sie
enthält namentlich gute vlämische Gemälde.


Für die Redaktion verantwortlich: Der Herausgeber Dr. Georg Biermann, Leipzig. Zweigredaktionen: Berlin.
Dr. Paul Ferdinand Schmidt (zugleich Redakteur der Bibliographie). München. Dr. Hermann Uhde-Bernays.
Wien. Dr. Wilhelm Suida. Paris. Dr. Rudolf Adelbert Meyer. London. Frank E. Washburn Freund
in Harrowan Hill bei London.
 
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