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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Dann verdankt die Berliner Gemäldesammlung der Kann'sdien Erwerbung vor
allem eine Bereicherung an Werken der holländischen Landschaftsmalerei. Wir treffen
eine kleine Landschaft aus Jacob van Ruisdaels früher Zeit an: Windmühlen am
Wasser, ein Bildchen schon voll des Zaubers stiller Einsamkeit, voll duftiger Weichheit;
unter grauer luftiger Atmosphäre ein gedämpftes Spiel von Licht auf smaragdgrünen
Büschen. Ein Aert van der Neer gehört zu den reizvollsten Arbeiten dieses oft ein-
tönigen Künstlers, der bisher mit keinem gleich guten Stück in der Galerie vertreten
war. Es zeigt, bewundernswert wie selten, die Neer eigene Zurückhaltung in der
Einheit des Tons: ein stahlgrauer Wintertag über der weiten Eisfläche eines Flusses,
am Horizonte Häuser, Windmühlen und Türme einer kleinen holländischen Stadt vor gelbem
Abendhimmel. Und wie flott und lustig ist die auf dem Eise sich vergnügende Menge
geschildert, jedes Figürchen eine gut beobachtete Studie für sich. Am überraschendsten
aber wirkt Philips Wouwermann (Abb. 2) als reiner Landschafter in seinem kleinen
Winterbilde mit dem pittoresk geschwungenen Steg, der über ein vereistes Wasser führt,
mit tiefverschneiten Hütten und frierenden Figürchen. Vom Horizont wallt wie ein weißes
Gespenst eine mächtige geballte Wolke herauf, dem Bild einen Zug phantastischer Größe
verleihend.
Die lebhaftere und dekorativ wirksamere Kunst der Vlamen ist durch zwei Bilder
vertreten. Auch das schöne Familienbild von Gonzales Coques (Abb. 3) — ein Maler,
von dessen Hand die Galerie bisher nur ein kleines Porträt besaß, — ist ein Gemälde kleinen
Formats. Und doch möchte man es nach der Reproduktion für ein Bild mit lebens-
großen Figuren halten, so monumental ist die Anordnung, so groß sind die Köpfe
charakterisiert trotz ihrer Kleinheit. An Vandyckes Porträtkunst wird der Betrachter
erinnert; den „kleinen Vandycke" haben Coques schon seine Zeitgenossen zubenannt.
Solche Maler würden sich nicht in die holländische Kleinbürgeratmosphäre hineinfinden.
Sie sind die Maler des vornehmen Patriziertums, das sich in seinen behaglichen Genuß
bietenden Landhäusern porträtieren läßt. Atlas, Sammet und Seide, Statuen, Marmorsäulen,
kostbare Vorhänge und Luxustiere gehören zur Aufmachung. Selbst etwas kokette Ab-
sichtlichkeit kommt hinzu: eine Kette von Gesten und Blicken verbindet die dargestellten
Personen untereinander und mit dem Beschauer. Auch in der Gesamttönung fällt
dieses Familienbild aus den es umgebenden holländischen Bildern heraus durch wärmere
vollere Farben: vor rotem Vorhang helle Gesichter, Gewänder in Schwarz und Rosa,
hier und da ein paar pikante Tupfen Zinnober wie in der entzückenden Gruppe der
beiden frischen Kinder rechts, und sattes Blau und Grün in der Parklandschaft dahinter,
die sichtbar von Rubens beeinflußt ist. Das Bild befand sich ehemals in der Marlborough-
Galerie zu Blenheim und gelangte aus der Sammlung Kann als Geschenk von Duveen
Bros, in den Besitz des Kaiser Friedrich-Museums. Es gehört wohl bereits der
späteren Schaffenszeit des Meisters an.
Über Coques' Familienbild hängt ein Stilleben „Tote Vögel bei einer Melone"
(Abb. 4) von der Hand seines Landsmannes Jan Fyt. Mancher wird es neben den
Rembrandts für das schönste Stück unter den Neuerwerbungen erklären um des
koloristischen Geschmacks willen, mit dem das zarte Blau und Grau des Vogelgefieders
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Dann verdankt die Berliner Gemäldesammlung der Kann'sdien Erwerbung vor
allem eine Bereicherung an Werken der holländischen Landschaftsmalerei. Wir treffen
eine kleine Landschaft aus Jacob van Ruisdaels früher Zeit an: Windmühlen am
Wasser, ein Bildchen schon voll des Zaubers stiller Einsamkeit, voll duftiger Weichheit;
unter grauer luftiger Atmosphäre ein gedämpftes Spiel von Licht auf smaragdgrünen
Büschen. Ein Aert van der Neer gehört zu den reizvollsten Arbeiten dieses oft ein-
tönigen Künstlers, der bisher mit keinem gleich guten Stück in der Galerie vertreten
war. Es zeigt, bewundernswert wie selten, die Neer eigene Zurückhaltung in der
Einheit des Tons: ein stahlgrauer Wintertag über der weiten Eisfläche eines Flusses,
am Horizonte Häuser, Windmühlen und Türme einer kleinen holländischen Stadt vor gelbem
Abendhimmel. Und wie flott und lustig ist die auf dem Eise sich vergnügende Menge
geschildert, jedes Figürchen eine gut beobachtete Studie für sich. Am überraschendsten
aber wirkt Philips Wouwermann (Abb. 2) als reiner Landschafter in seinem kleinen
Winterbilde mit dem pittoresk geschwungenen Steg, der über ein vereistes Wasser führt,
mit tiefverschneiten Hütten und frierenden Figürchen. Vom Horizont wallt wie ein weißes
Gespenst eine mächtige geballte Wolke herauf, dem Bild einen Zug phantastischer Größe
verleihend.
Die lebhaftere und dekorativ wirksamere Kunst der Vlamen ist durch zwei Bilder
vertreten. Auch das schöne Familienbild von Gonzales Coques (Abb. 3) — ein Maler,
von dessen Hand die Galerie bisher nur ein kleines Porträt besaß, — ist ein Gemälde kleinen
Formats. Und doch möchte man es nach der Reproduktion für ein Bild mit lebens-
großen Figuren halten, so monumental ist die Anordnung, so groß sind die Köpfe
charakterisiert trotz ihrer Kleinheit. An Vandyckes Porträtkunst wird der Betrachter
erinnert; den „kleinen Vandycke" haben Coques schon seine Zeitgenossen zubenannt.
Solche Maler würden sich nicht in die holländische Kleinbürgeratmosphäre hineinfinden.
Sie sind die Maler des vornehmen Patriziertums, das sich in seinen behaglichen Genuß
bietenden Landhäusern porträtieren läßt. Atlas, Sammet und Seide, Statuen, Marmorsäulen,
kostbare Vorhänge und Luxustiere gehören zur Aufmachung. Selbst etwas kokette Ab-
sichtlichkeit kommt hinzu: eine Kette von Gesten und Blicken verbindet die dargestellten
Personen untereinander und mit dem Beschauer. Auch in der Gesamttönung fällt
dieses Familienbild aus den es umgebenden holländischen Bildern heraus durch wärmere
vollere Farben: vor rotem Vorhang helle Gesichter, Gewänder in Schwarz und Rosa,
hier und da ein paar pikante Tupfen Zinnober wie in der entzückenden Gruppe der
beiden frischen Kinder rechts, und sattes Blau und Grün in der Parklandschaft dahinter,
die sichtbar von Rubens beeinflußt ist. Das Bild befand sich ehemals in der Marlborough-
Galerie zu Blenheim und gelangte aus der Sammlung Kann als Geschenk von Duveen
Bros, in den Besitz des Kaiser Friedrich-Museums. Es gehört wohl bereits der
späteren Schaffenszeit des Meisters an.
Über Coques' Familienbild hängt ein Stilleben „Tote Vögel bei einer Melone"
(Abb. 4) von der Hand seines Landsmannes Jan Fyt. Mancher wird es neben den
Rembrandts für das schönste Stück unter den Neuerwerbungen erklären um des
koloristischen Geschmacks willen, mit dem das zarte Blau und Grau des Vogelgefieders