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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 3
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0211

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Rundschau

203

pierte Kruzifixus in Berlin und die nicht weniger
bedeutend aufgefaßte Münchener Grablegung
sprechen nicht mehr wie früher zu uns; die
die Plastik der Figuren, die keine Verbindung
mit ihrer Umgebung sucht, überschreitet die
Grenze der Bildmäßigkeit erheblich in das Ge-
biet des Panoptikums hinein.
Wie solid trotz alledem die Grundlage von
Piglheins Kunst war, lernt man eigentlich nur
nebenbei: eines von den Hundebildern, das sich
in Hamburg befindet, zeigt es vielleicht am
klarsten; es steht — sans comparaison in Be-
zug auf die Technik — dicht neben Trübners
Tiermalereien. Ergreifend und erhaben, wie
ein Gesang Homers, bleibt nach wie vor noch
das imposante Zentaurenpaar am laut auf-
rauschenden Meer, mit dessen Erwerbung (aus
dem Nachlaß!!) das Künstlergütli in Zürich einen
meisterlichen Griff getan hat. Alles in Allem:
die Ausstellung brachte auch dem eingefleisch-
testen laudator temporis acti zu Bewußtsein,
wie viel ernster die Münchener Sezessionskunst
geworden ist, seit sie nicht mehr im Pariser
Zylinder geht, wie viel anspruchsvoller aber
auch wir selbst geworden sind, dank der künst-
lerischen Erziehung, die uns die lebendige Kunst
unmerklich tagtäglich angedeihen läßt.
Da über die wichtigsten Ereignisse im Kunst-
leben Münchens, die Kaiserbilder aus Tizians
Werkstatt in der Münchner Residenz und die
durch Schenkung erworbene Sammlung Arndt
von berufener Seite an andrer Stelle (über die
Sammlung Arndt voraussichtlich im nächsten
Heft) berichtet wird, habe ich lediglich auf
zwei Veranstaltungen hinzuweisen, die im
Lauf der nächsten Zeit in München statt-
finden sollen. Die (übrigens zum Teil schon
auf der Ausstellung in Mannheim und in
Berlin gezeigten) van Goghs und Gau-
guins der Pariser Sammlung Schuffenecker
werden im April in der Kunsthandlung von
Zimmermann zu sehen sein. Für den Sommer
plant der Münchner Kunstverein eine mög-
lichst umfangreiche Ausstellung von Bildern,
Zeichnungen und Aquarellen Karl Spitzwegs,
des Münchner Altmeisters, wobei zum ersten
Mal der liebevoll bewahrte Nachlaß des Künst-
lers wie auch ein besonders wichtiger Teil der
Spitzwegsdien Kunst, seine Zeichnungen in den
ersten Jahrgängen der fliegenden Blätter ge-
wiesen werden soll.
Über eine Neuerung im bayerischen
Nationalmuseum wird mir folgendes mit-
geteilt. Die neue Abteilung der Sammlung
von Gipsabgüssen ist vom 5. März an für
den allgemeinen Besuch geöffnet. Dieselbe ist

in neun Räumen des Untergeschosses in chro-
nologischer Ordnung aufgestellt. Wir finden
im ersten Raum die romanischen Denk-
mäler wie die Erztüre des Domes von Augs-
burg, Teile der Westportale von S. Zeno in
Reidienhall, die Steinskulpturen der Vorhalle
von St. Emmeran in Regensburg, den Thassilo-
keldi von Kremsmünster usw. Daran schließen
sich die Werke der Gothik so vor allem
zahlreiche Hochgräber aus Regensburg, dieSkulp-
turen der Afrakapelle von Seligental, Türbogen-
felder und Einzelfiguren der Frauenkirche in
München und der Sebalduskirche in Nürnberg,
die oberbayerische Gruppe der Spät-
gotik mit dem Grabstein Ludwig des Bayern,
den Apostelfiguren von Blutenburg, dem Stifter-
grab in Ebersberg, die Nürnberger Gruppe mit
Werken von Adam Krafft, Veit Stoß, Tilmann
Riemenschneider usw. Zwischen den Abgüssen
sind Photographien aufgehängt. Die Abgüsse
sind die Ergänzung der in den oberen Räumen
befindlichen Originalwerke und werden für das
Studium der bayerischen Kunst künftighin er-
freuliches Material bilden.
Uhde-Bernays.
Eine rettende Tat der bayerischen Reichsrats-
kammer.
Niemand, der München betreten, wird sich
dem gewaltigen Eindruck haben entziehen
können, den der Komplex kirchlicher Bauwerke
in der alten Neuhauserstraße, trotz mancher
übler moderner Einbauten in der Umgebung,
noch heute macht. Noch heute lösen diese
hohen, ernsten Mauermassen jene stillen Schauer
aus, die einst dem grünen Heinrich beim Be-
treten der nächtlichen Stadt über den Leib
rieselten. Noch steht die dunkle Silhouette der
Augustinerkirche, phantastisch und doch monu-
mental wie damals, überragt von den berühm-
ten Frauentürmen im Hintergrund, und die
mächtige Horizontale ihrer Seitenansicht wird
von den Gesimsen der benachbarten Michaels-
hofkirche zielbewußt aufgegriffen und fort-
gesetzt, gleich einer meisterhaft aufgebauten
Fuge.
Vor kurzem schien der Untergang dieses
einzigen Städtebildes, das den letzten bedeuten-
den Rest des vornehmen alten München dar-
stellt, so gut wie besiegelt. Die zweite Kam-
mer hat bereits sein Urteil gesprochen. Eine
merkwürdig unglückliche Konstellation war es,
die schließlich hierzu geführt hat. Das liberale
Bürgertum der inneren Stadt war aus Geschäfts-
 
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