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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 3
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0213

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Rundschau

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des David des Michelangelo wieder den Platz
links vom Portal des Palazzo Vecchio ein-
nehmen wird, auf welchem der Gigante am
8. September 1504 als dem von den bedeu-
tendsten Künstlern von Florenz und von
Michelangelo selbst erwählten Standorte auf-
gestellt wurde und welchen das durchaus für
eine Aufstellung im Freien gedachte Werk erst
in neuester Zeit verlassen mußte, um der
Galerie der Akademie von Florenz eine starke
Anziehung und einem Florentiner Architekten
die Gelegenheit zu einem tristen Bau zu geben.
In der Galerie der Akademie hat deren
Ispettore Dott. Peleo Bacci einige sehr erwünschte
Umhängungen vorgenommen; die vier kleinen
Predellentafeln Botticellis, zu denen die eigen-
tümlich reizvolle Salome gehört, sind vereinigt.
Der große Altar Filippo Lippis aus S. Croce
hat wieder seine Predella erhalten, die drei
Stücke freilich nur, die sich noch in Florenz be-
finden; zwei andere sind in Louvre. Ein un-
gewöhnliches Werk der Kunst des Luca Signo-
relli, die Kreuzigung mit dem weißen Hinter-
gründe hängt aber immer noch an schlechter
Stelle in der oberen Reihe der Bilder; wenn es
seinen Platz mit dem unter ihm hängenden
Perugino vertauschte, würde es ein Gewinn für
beide Meister sein. Aus dem Bestände der
namenlosen Trecentisten haben zwei große
Altartafeln mit den gesicherten Namen des
Giovanni del Biondo bezw. des Rossello di
Jacopo Franchi versehen werden können. Ein
mit der Signatur des Alessandro Allori und
der Jahreszahl 1575 signiertes Bild ist aus dem
Magazin in die Galerie gebracht worden.
In der Sitzung der Kunsthistorischen
Institute vom 1. März suchte Herr Professor
Dr. Brockhaus Antwort auf die Frage zu
geben, ob der David des Michelangelo ein-
fach als Schmuck des Palastes oder des Platzes
dienen oder ob seine Gestalt eine besondere
Bedeutung haben sollte. Einige Jahre vor der
Aufstellung des David war Savonarola der
volkstümlichste und einflußreichste Mann in
Florenz gewesen. In einer seiner Psalm-Pre-
digten spricht er nun davon, in welchem Sinne
man David ansehen soll: er sei der Christ, wie
er sein soll, mit reinem schönem Gewissen,
starker Hand, kühner Tatkraft. Als solchen
hat Michelangelo seinen David erfaßt. Die
vollständigen Ausführungen des Herrn Prof.
Brockhaus sollen demnächst in einer Schrift,
welche sich mit den inhaltlichen Problemen der
Schöpfungen Michelangelos eingehend beschäf-
tigt, als Ganzes veröffentlicht werden. —
Der Unterzeichnete untersuchte das Pro-
blem, in welcher Weise der Block verhauen

war, aus welchem Michelangelo seinen David
schuf. Seine Ausführungen werden im näch-
sten Hefte vollständig wiedergegeben. — Wei-
tere Darlegungen des Unterzeichneten be-
faßten sich mit dem bildnerischen Arbeits-
prozesse Michelangelos überhaupt. Es sei ein
Vorurteil, daß Michelangelo nach einem kleinen
Wachsmodell und nach Zeichnungen seine Fi-
guren direkt aus dem Steine schlug. Er hat
vielmehr, ebenso wie beim Zeichnen, auch beim
plastischen Arbeiten die Hilfsmittel und Kunst-
griffe angewendet, die das Resultat seiner
Arbeit sicherstellten. Er hat sich des Punk-
tierens für seine Plastiken bedient; selbst beim
Matthäus können wir unten einen solchen
Punktierpunkt feststellen. In ganz unverkenn-
barer Weise ist ein solcher Punkt beim David-
Apollo des Bargello wahrnehmbar. Allerdings
muß man sich bei diesen Zeichen des Punktier-
verfahrens vor Augen halten, daß es zur Zeit
der Renaissance in anderer Weise gehandhabt
wurde als heute. Die Voraussetzung für seine
Anwendung ist aber ein ziemlich großes und
weitgearbeitetes Modell. Das Vorurteil ver-
lange aber, daß Michelangelo „allenfalls Wachs-
modelle in kleinem Maßstabe bosselte, nicht
aber Tonabozzi", wie Frey in seinen Studien
zur Michelangelo-Biographie (S. 21) wieder ein-
mal wiederholt. Mit Hilfe eines solchen gene-
rellen Satzes wird natürlich leicht auch ein
wirklich positiver Beweis für die Unwahrheit
der Ansicht, wie er in dem so gut wie nur in
irgend einem Falle urkundlich beglaubigten und
stilistisch für sich selbst sprechenden Flußgott-
Modell der Akademie gegeben ist, widerlegt.
Durch die Aussage von Benvenuto Cellini
(Trattato dell' oreficeria. Firenze 1857. S. 197 ff.)
wird aber in striktester Weise dargetan, daß
Michelangelo, nachdem die Arbeit an kleinen
Modellen ihm ungenügende Ergebnisse gegeben
habe, „dazu geschritten sei, mit größter Be-
scheidenheit (con grandissima ubbidienza) große
Modelle genau von den Maßen, wie das Werk
aus dem Marmor herauskommen sollte, anzu-
fertigen: und solches haben wir (sagt Cellini)
mit unseren eigenen Augen in der Sakristei
von San Lorenzo gesehen."
Modelle von Ton werden ferner in der
Korrespondenz Michelangelos wiederholt er-
wähnt, in bezug auf die Medici-Gräber z. B. in
dem Brief Fattuccis vom 5. März 1524. Aus
den Ricordi des Meisters können wir außerdem
Fall für Fall verfolgen, wann Michelangelo ein
neues Modell begonnen hat und zwar aus
dem Einkauf genau der gleichen Materalien,
die er für den Flußgott-Modell-Torso verwendet
hat: Werg, Bindfaden, Scheerwolle. Daß sie
 
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