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Monatshefte für Kunstwissenschaft
in Bishopsgate St. vor dem Einbruch zu retten,
ist begreiflich. Diese Hall ist eines der wenigen
Gebäude der City, die s. Z. dem großen Feuer
entgangen waren. Sie stellte ein sehr bedeut-
sames Beispiel häuslicher Architektur des aus-
gehenden Mittelalters dar, wenn auch nur
einzelne Teile, so die Banqueting Hall, als wirk-
lich alt gelten konnten. Obwohl der König sich
persönlich für die Erhaltung von Crosby Hall
aussprach, und obwohl gegen £ 50,000 zu diesem
Zwecke gesammelt worden waren, scheiterten
doch alle Rettungsversudie, weil weder die City
noch „Greater London" irgendwelche Opfer zu
bringen bereit waren. Jetzt ist das alte Ge-
bäude völlig abgerissen, und ein Bankhaus wird
sich bald an seiner Stelle erheben. Die alte
Eichendecke der Banketthalle, sowie andere
Stücke von künstlerischem Wert hat man sorg-
fältig aufbewahrt, um sie wenigstens so zu
retten. Was aus ihnen werden wird, ist noch
unsicher. So geschehen im London des zwan-
zigsten Jahrhunderts!
Lord Battersea, der Ende vorigen Jahres
starb, hat der Londoner Tate Galery Burne-
Jones' „Goldene Treppe" testamentarisch ver-
macht, jenes Bild, das eine größere Anzahl
Burne-Jones'scher Mädchentypen in verschie-
denen reizvollen Stellungen vorführt. Da die
Galery bisher nur ein Bild des Meisters („König
Cophetua") besitzt, so ist dieser Zuwachs sehr
erwünscht.
Eine Versammlung, die der Lord Mayor im
Februar einberufen hatte, verhandelte über den
im nächsten August hier stattfindenden inter-
nationalen Kongress zur Ausgestaltung des
Kunst- und Zeichnenunterrichtes. Der erste
dieser Kongresse war 1900 in Paris während
der Ausstellung abgehalten worden, der zweite
in Bern 1904; an ihm hatten achthundert Mit-
glieder von einundzwanzig Nationen teilge-
nommen. Für August erwartet man eine noch
viel umfassendere Beteiligung. Eine Ausstellung
von Zeichnungen, die die Lehrmethoden der
versdiiedenen Nationen vorführen soll, wird
während der Tagung des Kongresses im South
Kensigton Museum abgehalten werden. F.
PARIS ==^=: .=
In regelmäßigen Zwischenräumen wird in
Paris die Frage aufgeworfen, wann endlich das
Kolonialministerium den Pavillon de Flore der
Tuilerien verlassen wird, um so die für die Kunst-
sammlungen seit Jahren so dringend notwendige
Erweiterungsmöglichkeit zu schaffen und um
wenigstens eine der das Louvre ständig be-
drohenden Feuersgefahren zu beseitigen. Es
ist zu hoffen, daß es mit dem Umzug der Ko-
lonien nunmehr endlich Ernst werden wird,
nachdem vor einigen Tagen im Kolonial-
ministerium ein regelrechter Brand ausgebrochen
ist, der gerade noch rechtzeitig von der Feuer-
wehr gelöscht werden konnte. Mit diesem Um-
züge wäre allerdings nur eine der Gefahren
beseitigt: nach wie vor kochen die Frauen der
Aufseher ihren Pot-au-feu unter den Dach-
stühlen des Louvre, nach wie vor werden in
Erdgeschossen die französischen Rententitel mit
Hilfe eines Gasmotors gedruckt und die Kessel
der Zentralheizung mit vollen Kohlenschaufeln
gespeist, nach wie vor bleibt das Finanz-
ministerium unter gleichem Dache mit den
Schätzen der Kunst aller Zeiten.
Aus der Provinz sind einige Funde zu be-
richten. In Lapte (Departement Haute Loire)
fand ein Bauer in seinem Felde eine wohl-
erhaltene mit gallischen Münzen gefüllte Urne.
Unter den Münzen sind besonders eine Anzahl
Goldstateren hervorzuheben, die einem von
Münzen Philipps II. von Mazedonien abge-
leiteten Typus angehören. Im Gerichtsgebäude
zu Etampes ist man im Begriff, sehr inter-
ressante Wandmalereien aus dem fünfzehnten
Jahrhundert aufzudecken, dieselben sollen die
Schenkung der Baronie Etampes durch Philipp
den Schönen an Louis von Evreux (1307)
darstellen.
Auch um die Erhaltung der vorhandenen
Kunstschätze bemüht man sich. Auf dem Mont
Saint Michel ist die Abtei selber Staatsbesitz
und so vor den Vandalen geschützt, doch zu
den Füssen der Merveille sind die Schmarotzer
am Werk: Eine Poldergesellschaft wird in ab-
sehbarer Zeit die ehrwürdige Insel mit dem
Festlande verbunden haben, auf der Insel selbst
haben allerhand industriöse Leute, besonders
das fruchtbare Geschlecht der mere Poulard,
die Flanken des heiligen Berges mit allerhand
Dependancen, Hotels und Kitschmuseen ge-
schändet, jetzt wollte man anscheinend auf der
Nordseite unter dem Schatten der ehrwürdigen
Reste des Waldes von Scissy Terrassen mit
„Blick aufs Meer" anlegen. Rechtzeitig hat sich
der Staat die betreffenden Grundstücke gesichert.
Auch in den Kolonien beginnt man auf die Er-
haltung der von den europäischen Kulturträgern
unversehrt gelassenen Kunstdenkmale bedacht
zu werden, so hat die Republik dieser Tage
eine Kommission zur Erhaltung der Kunstdenk-
male in Indochina errichtet, an deren Spitze der
verdiente Archäologe und Sekretär des In-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
in Bishopsgate St. vor dem Einbruch zu retten,
ist begreiflich. Diese Hall ist eines der wenigen
Gebäude der City, die s. Z. dem großen Feuer
entgangen waren. Sie stellte ein sehr bedeut-
sames Beispiel häuslicher Architektur des aus-
gehenden Mittelalters dar, wenn auch nur
einzelne Teile, so die Banqueting Hall, als wirk-
lich alt gelten konnten. Obwohl der König sich
persönlich für die Erhaltung von Crosby Hall
aussprach, und obwohl gegen £ 50,000 zu diesem
Zwecke gesammelt worden waren, scheiterten
doch alle Rettungsversudie, weil weder die City
noch „Greater London" irgendwelche Opfer zu
bringen bereit waren. Jetzt ist das alte Ge-
bäude völlig abgerissen, und ein Bankhaus wird
sich bald an seiner Stelle erheben. Die alte
Eichendecke der Banketthalle, sowie andere
Stücke von künstlerischem Wert hat man sorg-
fältig aufbewahrt, um sie wenigstens so zu
retten. Was aus ihnen werden wird, ist noch
unsicher. So geschehen im London des zwan-
zigsten Jahrhunderts!
Lord Battersea, der Ende vorigen Jahres
starb, hat der Londoner Tate Galery Burne-
Jones' „Goldene Treppe" testamentarisch ver-
macht, jenes Bild, das eine größere Anzahl
Burne-Jones'scher Mädchentypen in verschie-
denen reizvollen Stellungen vorführt. Da die
Galery bisher nur ein Bild des Meisters („König
Cophetua") besitzt, so ist dieser Zuwachs sehr
erwünscht.
Eine Versammlung, die der Lord Mayor im
Februar einberufen hatte, verhandelte über den
im nächsten August hier stattfindenden inter-
nationalen Kongress zur Ausgestaltung des
Kunst- und Zeichnenunterrichtes. Der erste
dieser Kongresse war 1900 in Paris während
der Ausstellung abgehalten worden, der zweite
in Bern 1904; an ihm hatten achthundert Mit-
glieder von einundzwanzig Nationen teilge-
nommen. Für August erwartet man eine noch
viel umfassendere Beteiligung. Eine Ausstellung
von Zeichnungen, die die Lehrmethoden der
versdiiedenen Nationen vorführen soll, wird
während der Tagung des Kongresses im South
Kensigton Museum abgehalten werden. F.
PARIS ==^=: .=
In regelmäßigen Zwischenräumen wird in
Paris die Frage aufgeworfen, wann endlich das
Kolonialministerium den Pavillon de Flore der
Tuilerien verlassen wird, um so die für die Kunst-
sammlungen seit Jahren so dringend notwendige
Erweiterungsmöglichkeit zu schaffen und um
wenigstens eine der das Louvre ständig be-
drohenden Feuersgefahren zu beseitigen. Es
ist zu hoffen, daß es mit dem Umzug der Ko-
lonien nunmehr endlich Ernst werden wird,
nachdem vor einigen Tagen im Kolonial-
ministerium ein regelrechter Brand ausgebrochen
ist, der gerade noch rechtzeitig von der Feuer-
wehr gelöscht werden konnte. Mit diesem Um-
züge wäre allerdings nur eine der Gefahren
beseitigt: nach wie vor kochen die Frauen der
Aufseher ihren Pot-au-feu unter den Dach-
stühlen des Louvre, nach wie vor werden in
Erdgeschossen die französischen Rententitel mit
Hilfe eines Gasmotors gedruckt und die Kessel
der Zentralheizung mit vollen Kohlenschaufeln
gespeist, nach wie vor bleibt das Finanz-
ministerium unter gleichem Dache mit den
Schätzen der Kunst aller Zeiten.
Aus der Provinz sind einige Funde zu be-
richten. In Lapte (Departement Haute Loire)
fand ein Bauer in seinem Felde eine wohl-
erhaltene mit gallischen Münzen gefüllte Urne.
Unter den Münzen sind besonders eine Anzahl
Goldstateren hervorzuheben, die einem von
Münzen Philipps II. von Mazedonien abge-
leiteten Typus angehören. Im Gerichtsgebäude
zu Etampes ist man im Begriff, sehr inter-
ressante Wandmalereien aus dem fünfzehnten
Jahrhundert aufzudecken, dieselben sollen die
Schenkung der Baronie Etampes durch Philipp
den Schönen an Louis von Evreux (1307)
darstellen.
Auch um die Erhaltung der vorhandenen
Kunstschätze bemüht man sich. Auf dem Mont
Saint Michel ist die Abtei selber Staatsbesitz
und so vor den Vandalen geschützt, doch zu
den Füssen der Merveille sind die Schmarotzer
am Werk: Eine Poldergesellschaft wird in ab-
sehbarer Zeit die ehrwürdige Insel mit dem
Festlande verbunden haben, auf der Insel selbst
haben allerhand industriöse Leute, besonders
das fruchtbare Geschlecht der mere Poulard,
die Flanken des heiligen Berges mit allerhand
Dependancen, Hotels und Kitschmuseen ge-
schändet, jetzt wollte man anscheinend auf der
Nordseite unter dem Schatten der ehrwürdigen
Reste des Waldes von Scissy Terrassen mit
„Blick aufs Meer" anlegen. Rechtzeitig hat sich
der Staat die betreffenden Grundstücke gesichert.
Auch in den Kolonien beginnt man auf die Er-
haltung der von den europäischen Kulturträgern
unversehrt gelassenen Kunstdenkmale bedacht
zu werden, so hat die Republik dieser Tage
eine Kommission zur Erhaltung der Kunstdenk-
male in Indochina errichtet, an deren Spitze der
verdiente Archäologe und Sekretär des In-