Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI issue:
Heft 3
DOI article:
Literatur
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0229

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Literatur

221

sinnige Schwabenart und charakterfeste Energie,
mit der der Augsburger Meister die Aufgaben
des deutschen Städtebaues im Sinne des italie-
nischen Kunstkanons der Spätrenaissance um-
formte und ihnen eine einheitlich Augsburgische
Lösung gab. Innerhalb der Stadtmauern hat
daher Elias Holl eine Bedeutung, die der eines
Alleinherrschers in architektonischen Dingen
gleichkommt, denn er hat dem Stadtbild ein
stolzes und unverkennbares Gesicht gegeben.
Aber auch über die Mauern hinaus ist der starke
Mann eine historische Figur von großen Zügen
und außerordentlichen Wirkungen. Doch stand
er bisher grad nicht in vollem Licht historischer
Erkenntnis. Die vielen Zweifel, die über Statistik
und Chronologie seiner Werke bestanden, sind
in dem Buche Baums mit vertrauenerweckender
Gründlichkeit untersucht und meist erklärt oder
beseitigt. Lokalgeschichtlich hat es seinen vollen
Wert. Aber die „synthetische Darstellung seiner
Entwickelung", die der Verfasser in der Ein-
leitung verspricht, ist er schuldig geblieben.
Denn die mager skizzierten Kapiteldien über
den inneren Weg, den Holl als Schwabe zurück-
legen mußte, um zu Palladio zu gelangen und
wieder von ihm loszukommen, heben sich
nicht über die Genügsamkeit der historischen
Vereinsliteratur provinzialer Region hinaus. Die
findige Geschäftigkeit des Archivkenners, der
aus allen Ecken Material herbeischleppt und
jede Frage mit einer Fülle von Notizen und
Vermerken überschüttet, ist kein Ersatz für die
historische Charakteristik und künstlerische Be-
wertung, auf die Holl Anspruch hat. Die
Synthese zerfällt in eine beträchtliche Zahl von
Analysen. Uns wird versichert, daß die Kunst
des Elias Holl ein Ausdruck seiner Persönlich-
keit sei. Aber wir begegnen nicht einmal dem
Versuch, diese Begriffe aus dem reichen Stoff
seiner Werke mit Inhalt zu füllen. So ist mit
dieser gewissenhaften Arbeit vor allem jener
Historiker zu beglückwünschen, der den Künstler
Elias Holl in großem Stile darstellen wird. Das
Material dazu hat Julius Baum in musterhafter
Weise geliefert. Artur Weese.
Fritz Knapp. Perugino. Bielefeld und
Leipzig, Velhagen & Klasing. 1907. Künstler-
monographien von H. Knackfuß, Bd. LXXXVII.
Ein Buch über Perugino wird man immer
mit einer gewissen Spannung in die Hand neh-
men, weniger vielleicht deshalb, weil man ein
neues künstlerisches Erlebnis erhofft, als viel-
mehr der Organisation des an sich spröden
künstlerischen Stoffes wegen. Denn Perugino

war ein Künstler, der sich nur wenig und, wie
es scheint, nicht zu seinem Vorteil entwickelt
und außerdem nur eine einzige Saite des klang-
reichen menschlichen Empfindungslebens anzu-
schlagen verstanden hat. Man wird Knapp zu-
gestehen müssen, daß er seine schwierige Auf-
gabe trefflich gelöst hat und sich in objektiver
Kritik vor einer Überschätzung seines Helden
zu bewahren weiß.1) In ruhiger, sachlicher Dar-
stellung versucht hier Knapp uns das Lebens-
werk Peruginos in entwicklungsgeschichtlicher
Reihenfolge vor Augen zu führen. Ferner-
stehende werden sich freilich bei der Lektüre
des Buches zunächst fragen, was die einleiten-
den Schilderungen von Perugias blutiger politi-
scher Vergangenheit mit der sentimentalen Lyrik
der Kunst Pietro Peruginos zu tun haben. Man
würde an dieser Stelle vielleicht lieber einige
Hinweise auf das bodenständige Element der
umbrischen Kunst, als deren „Klassiker" doch
Perugino recht eigentlich zu gelten hat, gesehen
haben, und eher eine Bloßlegung der Fäden
erwarten, die ihn, den Johannes Rafaelscher
Kunst, mit dieser Heimatskunst verknüpfen. Hier-
durch hätten sicherlich die feinsinnigen Aus-
führungen über Peruginos Lehr- und Wander-
jahre an Reiz und wissenschaftlichem Wert ge-
wonnen.
Als Lehrer Peruginos nimmt Knapp im
Gegensatz zu Crowe und Cavalcaselle Fiorenzo
di Lorenzo an, der ihm die Kunstweise Ver-
rocchios übermittelt haben mag. Der Einfluß
Piero della Francescas ist bei Perugino wohl
nur im allgemeinen wahrzunehmen, das heißt
nicht stärker als wie er sich damals fast überall
in Italien bemerkbar macht. Die Werke dieser
etwa bis 1491 dauernden Frühzeit erfreuen
durch ihre schlichte Grazie, den intimen Reiz
und den milden religiösen Geist, dem jede
theatralische Extase fremd ist. Dazu kommt
die unbestimmte Lichtführung, die relativ reiche
Skala zarter Halbtöne, die die Körper umspie-
len und die Anmut und Weichheit der Linien
im Sinne eines einheitlichen Gesamteindruckes
glücklich zu steigern wissen. Von Anfang an
ging Peruginos Kunst auf monumentale Ruhe
im Gegensatz zu der im Barock endenden floren-
tinischen Kunst aus, und dadurch ist er doch
einer der ersten geworden, die der Hoch-
renaissance mit die Wege bereitet haben. Aber
das Evangelium, das er predigte, stieß zunächst
auf taube Ohren, zudem kam es von schwachen
Lippen.
9 Die Behauptung, daß Perugino der bedeutendste
Landschaftsmaler Italiens im Quattrocento gewesen sei,
ist vielleicht die einzige Übersdiätzung des Künstlers, die
in dem Buche auffällt.
 
Annotationen