Literatur
223
worden, die den Bewegungen der Gestalten an-
hängt. Die Mitarbeit Rafaels an diesen Fresken
ist wohl wahrscheinlich, läßt sich aber mit Sicher-
heit nicht nachweisen.
Das früher Holbein und von Morelli dem
Rafael zugeschriebene Porträt in der Gallerie
Borghese in Rom gibt Knapp wohl mit Recht
dem Perugino, ebenso wie er die Autorschaft
Rafaels in dem bekannten Bilde der Anbetung
des Kindes in der Nationalgalerie in London
ablehnt. Ähnliches gilt auch bezüglich des für
die Mönche von Vallombrosa gemalten, 1500
datierten Altarbildes in der Akademie in Florenz.
Eher könnte Rafaels Mitwirkung bei dem Ma-
donnenbild in Bologna und in der Pinakothek
in Perugia in Betracht kommen, wo die beiden
auf der Erde knieenden Heiligen fast genau so
in einem Jugendwerke Rafaels, der Kreuzigung
in der Sammlung Mond, wiederkehren. Mit
Recht wird dagegen die Anteilnahme Rafaels
an der Auferstehung im Vatikan von Knapp
abgelehnt, ein Werk, das ja schon von Vasari
als Arbeit des Perugino bezeichnet wurde. Das
Bild Peruginos in Caen, das Morelli, wie nach
ihm besonders Berenson angezweifelt hat, der
es unbegreiflicherweise dem Lo Spagna zu-
schreiben wollte, gibt Knapp dem Perugino
zurück.
Während der Jahre 1504 bis 1506, in denen
sich Perugino vorwiegend in Florenz aufhielt,
ist neben dem Triumph der Keuschheit wohl
auch das seinerzeit um eine so riesige Summe
als echter Rafael angekaufte Bild, Apollo und
Marsyas darstellend, im Louvre entstanden.
Apollo erinnert hier sehr an den David des
Donatello im Museo nazionale, wie ja überhaupt
Perugino wiederholt figürliche Kompositionen
von Donatello her übernommen hat. Audi das
gleidifalls früher von Morelli Rafael zuge-
schriebene Frauenbildnis in den Uffizien gehört
in diese Zeit.
Aus der letzten Periode des Künstlers, 1506
bis 1509, ist vor allem die thronende Madonna
in Marseille zu nennen. Schade, daß Knapp
es sich hat entgehen lassen, einen Vergleich
dieser Madonna mit den früheren ähnlichen
Darstellungen auszustellen. Gewanddrapierung
wie allgemein die Proportionierung der Madonna
zeigt doch manch auffallende Neuerungen, so
daß es sich schon verlohnt hätte, etwa auf die
Herkunft derselben etwas näher einzugehen.
Mit den Malereien in Rom hat Perugino
bereits den Höhepunkt seines Schaffens über-
schritten; was nachher folgt, trägt den Stempel
des Alters an sich. Trotzdem wird man auch
hier wie etwa in der Pieta in San Pietro in
Perugia einen interessanten kompositionellen
Fortschritt gegenüber der Pieta in Santa Maria
in Fano konstatieren können und dasselbe gilt
für die Anbetung der Könige in Trevi. Der
Einfluß Leonardos macht sich hier in der Kom-
position deutlich genug fühlbar, und es wäre in-
teressant zu wissen, von wann ab der Einfluß
dieses Großmeisters der Renaissancemalerei in
Peruginos Kunst datiert. Das Problem einer
monumentalen Gruppenverbindung unter klarer
Unterscheidung von Vorder- und Mittelgrund,
Haupt- und Nebenpersonen, das Problem einer
innigen Verbindung von Figuren und Landschaft
hat ihn innerlich ernstlich beschäftigt, und der
75jährige bleibt doch nicht unberührt von dem
Hauche der neuen Zeit. Aber es ist nur ein
Hauch. Langsam geht die künstlerische Ent-
wicklung Peruginos vor sidi. Der Künstler in
ihm ist doch allmählich in dem eigenen Phlegma
erstickt. Es ist ein Jammer, zuzuschauen, wie
seine Kunst dahinsiecht. Perugino hat zu lange
gelebt. Man möchte ihm gerne einen rühm-
licheren Abgang von der Bühne des künst-
lerischen Lebens gönnen. Die Madonna in der
Glorie kann sich in Bologna schon neben der
Cäcilia Rafaels sehen lassen. Aber in der Trans-
figuration in Perugia, die in demselben Jahre
entstanden ist, in dem Rafael seine analoge
Darstellung vollendet, macht sich doch die Stick-
luft des Philisteriums Rafael gegenüber recht
unangenehm fühlbar. Die Hand ist steif, das
Auge müde geworden, das leidenschaftslose
Herz schlägt langsamer denn je .... längst
rauschen die mächtigen Fluten der neuen Zeit
über seine Kunst hinweg, aber er war doch
einer und nicht der geringste ihrer Propheten.
Man hat später im 18. wie im 19. Jahrhundert
in ihm mit Recht den Vertreter einer besonde-
ren künstlerischen Weltanschauung gewittert,
die uns Modernsten freilich ein Greuel geworden
ist. Das soll uns aber nicht hindern, seiner
Kunst Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und
dem dankbar zu sein, der uns sein Lebenswerk
vor Augen führt. Die zeitliche Anordnung der
Gemälde wird wohl nur wenig Widerspruch bei
Fachgenossen hervorrufen.
Fritz Burger.
J. Strzygowski. Kleinarmenische Mi-
niaturmalerei. Die Miniaturen des Tübinger
Evangeliars MA XIII, 1 vom Jahre 1113 bezw.
893 n. Chr. — 27 S. mit 2 Tafeln im Vierfarben-
druck, 2 Lichtdrucktafeln und 12 Abbildungen
im Text (Veröffentlichungen der Kgl. Univer-
sitätsbibliothek in Tübingen. Bd. I. S. 17—43.
Taf. VII— X).
223
worden, die den Bewegungen der Gestalten an-
hängt. Die Mitarbeit Rafaels an diesen Fresken
ist wohl wahrscheinlich, läßt sich aber mit Sicher-
heit nicht nachweisen.
Das früher Holbein und von Morelli dem
Rafael zugeschriebene Porträt in der Gallerie
Borghese in Rom gibt Knapp wohl mit Recht
dem Perugino, ebenso wie er die Autorschaft
Rafaels in dem bekannten Bilde der Anbetung
des Kindes in der Nationalgalerie in London
ablehnt. Ähnliches gilt auch bezüglich des für
die Mönche von Vallombrosa gemalten, 1500
datierten Altarbildes in der Akademie in Florenz.
Eher könnte Rafaels Mitwirkung bei dem Ma-
donnenbild in Bologna und in der Pinakothek
in Perugia in Betracht kommen, wo die beiden
auf der Erde knieenden Heiligen fast genau so
in einem Jugendwerke Rafaels, der Kreuzigung
in der Sammlung Mond, wiederkehren. Mit
Recht wird dagegen die Anteilnahme Rafaels
an der Auferstehung im Vatikan von Knapp
abgelehnt, ein Werk, das ja schon von Vasari
als Arbeit des Perugino bezeichnet wurde. Das
Bild Peruginos in Caen, das Morelli, wie nach
ihm besonders Berenson angezweifelt hat, der
es unbegreiflicherweise dem Lo Spagna zu-
schreiben wollte, gibt Knapp dem Perugino
zurück.
Während der Jahre 1504 bis 1506, in denen
sich Perugino vorwiegend in Florenz aufhielt,
ist neben dem Triumph der Keuschheit wohl
auch das seinerzeit um eine so riesige Summe
als echter Rafael angekaufte Bild, Apollo und
Marsyas darstellend, im Louvre entstanden.
Apollo erinnert hier sehr an den David des
Donatello im Museo nazionale, wie ja überhaupt
Perugino wiederholt figürliche Kompositionen
von Donatello her übernommen hat. Audi das
gleidifalls früher von Morelli Rafael zuge-
schriebene Frauenbildnis in den Uffizien gehört
in diese Zeit.
Aus der letzten Periode des Künstlers, 1506
bis 1509, ist vor allem die thronende Madonna
in Marseille zu nennen. Schade, daß Knapp
es sich hat entgehen lassen, einen Vergleich
dieser Madonna mit den früheren ähnlichen
Darstellungen auszustellen. Gewanddrapierung
wie allgemein die Proportionierung der Madonna
zeigt doch manch auffallende Neuerungen, so
daß es sich schon verlohnt hätte, etwa auf die
Herkunft derselben etwas näher einzugehen.
Mit den Malereien in Rom hat Perugino
bereits den Höhepunkt seines Schaffens über-
schritten; was nachher folgt, trägt den Stempel
des Alters an sich. Trotzdem wird man auch
hier wie etwa in der Pieta in San Pietro in
Perugia einen interessanten kompositionellen
Fortschritt gegenüber der Pieta in Santa Maria
in Fano konstatieren können und dasselbe gilt
für die Anbetung der Könige in Trevi. Der
Einfluß Leonardos macht sich hier in der Kom-
position deutlich genug fühlbar, und es wäre in-
teressant zu wissen, von wann ab der Einfluß
dieses Großmeisters der Renaissancemalerei in
Peruginos Kunst datiert. Das Problem einer
monumentalen Gruppenverbindung unter klarer
Unterscheidung von Vorder- und Mittelgrund,
Haupt- und Nebenpersonen, das Problem einer
innigen Verbindung von Figuren und Landschaft
hat ihn innerlich ernstlich beschäftigt, und der
75jährige bleibt doch nicht unberührt von dem
Hauche der neuen Zeit. Aber es ist nur ein
Hauch. Langsam geht die künstlerische Ent-
wicklung Peruginos vor sidi. Der Künstler in
ihm ist doch allmählich in dem eigenen Phlegma
erstickt. Es ist ein Jammer, zuzuschauen, wie
seine Kunst dahinsiecht. Perugino hat zu lange
gelebt. Man möchte ihm gerne einen rühm-
licheren Abgang von der Bühne des künst-
lerischen Lebens gönnen. Die Madonna in der
Glorie kann sich in Bologna schon neben der
Cäcilia Rafaels sehen lassen. Aber in der Trans-
figuration in Perugia, die in demselben Jahre
entstanden ist, in dem Rafael seine analoge
Darstellung vollendet, macht sich doch die Stick-
luft des Philisteriums Rafael gegenüber recht
unangenehm fühlbar. Die Hand ist steif, das
Auge müde geworden, das leidenschaftslose
Herz schlägt langsamer denn je .... längst
rauschen die mächtigen Fluten der neuen Zeit
über seine Kunst hinweg, aber er war doch
einer und nicht der geringste ihrer Propheten.
Man hat später im 18. wie im 19. Jahrhundert
in ihm mit Recht den Vertreter einer besonde-
ren künstlerischen Weltanschauung gewittert,
die uns Modernsten freilich ein Greuel geworden
ist. Das soll uns aber nicht hindern, seiner
Kunst Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und
dem dankbar zu sein, der uns sein Lebenswerk
vor Augen führt. Die zeitliche Anordnung der
Gemälde wird wohl nur wenig Widerspruch bei
Fachgenossen hervorrufen.
Fritz Burger.
J. Strzygowski. Kleinarmenische Mi-
niaturmalerei. Die Miniaturen des Tübinger
Evangeliars MA XIII, 1 vom Jahre 1113 bezw.
893 n. Chr. — 27 S. mit 2 Tafeln im Vierfarben-
druck, 2 Lichtdrucktafeln und 12 Abbildungen
im Text (Veröffentlichungen der Kgl. Univer-
sitätsbibliothek in Tübingen. Bd. I. S. 17—43.
Taf. VII— X).