Der Kunstsammler
243
und bilden, zusammen mit dem in Ebenholz
geschnittenen Hintergrund, ein Ganzes von großer
malerischer Wirkung, in dem nur das, ohne
Zweifel später, an Stelle des wohl verloren ge-
gangenen ursprünglichen, ergänzte häßlicheKreuz
störend wirkt.
Herkunft und Stil weisen in diesem Falle
mit Bestimmtheit auf Algardi hin. Das Werk
stammt aus dem direkten Besitz der Familie
Rospigliosi, in der es stets, auf Grund einer
festen, von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbten
Überlieferung, für eine Arbeit Alessandro Algardis
gegolten hat. Mit dieser Überlieferung stimmt
aber auch der Stil der Arbeit durchaus überein;
doch brauche ich wohl im einzelnen nicht näher
hierauf einzugehen, nachdem schon Posse in dem
oben angeführten Aufsatz die hauptsächlichsten
Gründe angeführt hat, die laut für Algardis
Urheberschaft sprechen. Es ist nicht nur der
ganze Geist, der diese Arbeit durchzieht, die
Wärme des Ausdrucks und der Empfindung in
den Bewegungen und Köpfen der Figuren, die
geschickte malerische Gruppierung und vollendete
Durchführung der letzteren selbst sowie ihres
landschaftlichen Hintergrundes, sondern es sind
auch gewisse Einzelheiten, wie z. B. die, bis-
weilen etwas allzu weitgehende Behandlung
nebensächlichen Details, ferner der zeichnerische
Schwung der Linie in der Figur des das Schweiß-
tuch haltenden Engels, sowie endlich die auf den
Wolken schwebenden Putten, die, worauf Posse
mit Recht hinweist, mit denjenigen auf dem be-
rühmten Attilarelief des Künstlers im Stilcharakter
so genau übereinstimmen, daß sie nur von
Algardis Hand herrühren können. Welcher
Künstler außer ihm hätte wohl auch damals, sei
es in Rom oder in Italien überhaupt, ein Werk
wie dieses schaffen können, das so viel Übung
in der Führung des Schnitzmessers und eine
solche Geschicklichkeit in der Bearbeitung dieses
so heiklen Materials voraussetzt? Man könnte
vielleicht an Fiammingo denken, mit dem ja
Algardi in gewissem Sinne geistesverwandt und
befreundet war, und in der Tat erinnert ja auch
die Gestalt der Maria in mancher Hinsicht an
ähnliche Werke dieses vlämischen Meisters1);
allein diese Ähnlichkeit ist doch nur eine äußer-
liche, die sich wohl hinlänglich durch die gleich-
mäßige Vorliebe beider Künstler für die Antike
und das klassizistische Ideal ihrer Zeit erklärt.
Keinesfalls aber wird sie Grund sein dürfen, das
Werk etwa Algardi abzusprechen und dem
Fiammingo zuzuweisen; vielmehr wird man aus
den angegebenen Gründen an Algardis Urheber-
, Vergl. des Verfassers Buch „Elfenbeinplastik seit
der Renaissance" p. 33.
Schaft festhalten müssen und somit vielleicht
hoffen dürfen, mit Hilfe dieses Werkes auch noch
andere ähnliche Arbeiten des Künstlers in Zukunft
feststellen zu können.
ALTE INNENRÄUME IN HOLLAND.
Im Verlag von Karl W. Hiersemann in
Leipzig erscheint gegenwärtig ein Lieferungs-
werk in beschränkter Ausgabe, das geeignet
ist, das architekturgeschichtliche und künstlerische
Interesse in hohem Maße zu fesseln und das vor
allem auch den Sammlern zur Orientierung in
mancher Hinsicht willkommen sein muß. „Die
alten Innenräume in Holland", so heißt
die Sammlung, herausgegeben von K. Sluyter-
mann, Professor an der Technischen Hoch-
schule in Delft, bieten in einer bunten Reihe
von etwa hundert Blatt den heutigen Zu-
stand der kulturhistorisch wertvollen Milieux,
von denen nur die wenigsten weiterhin be-
kannt sind. Holland hat infolge seiner un-
unterbrochenen bürgerlichen Tradition noch
immer lebendige Beziehungen zur eigenen Ver-
gangenheit, was sich schon in dem äußeren
Bild der holländischen Städte dem künstlerischen
Sinn offenbart, der an diesen sprechenden
Zeichen der Überlieferung den Genius loci er-
greifen möchte. Berückend ist der Eindruck der
Vorhalle im Haarlemer Rathaus mit der tief-
sitzenden altersgebräunten Balkendecke und den
fast am Fußboden aufstehenden schwärzlichen
Porträts an der geweißten Wand, die in dieser
Form unheimlich monumental wirken. Der Vor-
saal ist von dem geheimnisvollen Leben der
Vergangenheit erfüllt, er bildet die stimmungs-
vollste Vorbereitung, die den in den folgenden
Rathaussälen gesammelten Werken des Haar-
lemer Meisters Frans Hals gegeben werden
konnte. Die sinnlich übersinnliche Atmosphäre der
Vergangenheit ist in diesem Gehäuse konzen-
trierter als etwa in dem für die Geschichte
Hollands überaus bedeutsamen Rittersaal des
Binnenhof in den Haag, wo jetzt die General-
staaten tagen, oder etwa in dem Delfter Prinsen-
hof, wo der Oranier auf der Treppe der mörde-
rischen Kugel erlegen ist. Trotz der geschicht-
lichen Reminiszenz ist in diesen beiden Räumen
der mystische Quell nicht mächtig genug, weil
die restaurierende Hand dort zu viel von dem
Bestehenden weggenommen und an Stelle des
geheimnisvoll umwitterten echten Zustandes der
Überlieferung die Totenmaske der sogenannten
Restaurierung gesetzt hat. Die jetzige Eisen-
konstruktion des Haager Rittersaals gibt nicht
243
und bilden, zusammen mit dem in Ebenholz
geschnittenen Hintergrund, ein Ganzes von großer
malerischer Wirkung, in dem nur das, ohne
Zweifel später, an Stelle des wohl verloren ge-
gangenen ursprünglichen, ergänzte häßlicheKreuz
störend wirkt.
Herkunft und Stil weisen in diesem Falle
mit Bestimmtheit auf Algardi hin. Das Werk
stammt aus dem direkten Besitz der Familie
Rospigliosi, in der es stets, auf Grund einer
festen, von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbten
Überlieferung, für eine Arbeit Alessandro Algardis
gegolten hat. Mit dieser Überlieferung stimmt
aber auch der Stil der Arbeit durchaus überein;
doch brauche ich wohl im einzelnen nicht näher
hierauf einzugehen, nachdem schon Posse in dem
oben angeführten Aufsatz die hauptsächlichsten
Gründe angeführt hat, die laut für Algardis
Urheberschaft sprechen. Es ist nicht nur der
ganze Geist, der diese Arbeit durchzieht, die
Wärme des Ausdrucks und der Empfindung in
den Bewegungen und Köpfen der Figuren, die
geschickte malerische Gruppierung und vollendete
Durchführung der letzteren selbst sowie ihres
landschaftlichen Hintergrundes, sondern es sind
auch gewisse Einzelheiten, wie z. B. die, bis-
weilen etwas allzu weitgehende Behandlung
nebensächlichen Details, ferner der zeichnerische
Schwung der Linie in der Figur des das Schweiß-
tuch haltenden Engels, sowie endlich die auf den
Wolken schwebenden Putten, die, worauf Posse
mit Recht hinweist, mit denjenigen auf dem be-
rühmten Attilarelief des Künstlers im Stilcharakter
so genau übereinstimmen, daß sie nur von
Algardis Hand herrühren können. Welcher
Künstler außer ihm hätte wohl auch damals, sei
es in Rom oder in Italien überhaupt, ein Werk
wie dieses schaffen können, das so viel Übung
in der Führung des Schnitzmessers und eine
solche Geschicklichkeit in der Bearbeitung dieses
so heiklen Materials voraussetzt? Man könnte
vielleicht an Fiammingo denken, mit dem ja
Algardi in gewissem Sinne geistesverwandt und
befreundet war, und in der Tat erinnert ja auch
die Gestalt der Maria in mancher Hinsicht an
ähnliche Werke dieses vlämischen Meisters1);
allein diese Ähnlichkeit ist doch nur eine äußer-
liche, die sich wohl hinlänglich durch die gleich-
mäßige Vorliebe beider Künstler für die Antike
und das klassizistische Ideal ihrer Zeit erklärt.
Keinesfalls aber wird sie Grund sein dürfen, das
Werk etwa Algardi abzusprechen und dem
Fiammingo zuzuweisen; vielmehr wird man aus
den angegebenen Gründen an Algardis Urheber-
, Vergl. des Verfassers Buch „Elfenbeinplastik seit
der Renaissance" p. 33.
Schaft festhalten müssen und somit vielleicht
hoffen dürfen, mit Hilfe dieses Werkes auch noch
andere ähnliche Arbeiten des Künstlers in Zukunft
feststellen zu können.
ALTE INNENRÄUME IN HOLLAND.
Im Verlag von Karl W. Hiersemann in
Leipzig erscheint gegenwärtig ein Lieferungs-
werk in beschränkter Ausgabe, das geeignet
ist, das architekturgeschichtliche und künstlerische
Interesse in hohem Maße zu fesseln und das vor
allem auch den Sammlern zur Orientierung in
mancher Hinsicht willkommen sein muß. „Die
alten Innenräume in Holland", so heißt
die Sammlung, herausgegeben von K. Sluyter-
mann, Professor an der Technischen Hoch-
schule in Delft, bieten in einer bunten Reihe
von etwa hundert Blatt den heutigen Zu-
stand der kulturhistorisch wertvollen Milieux,
von denen nur die wenigsten weiterhin be-
kannt sind. Holland hat infolge seiner un-
unterbrochenen bürgerlichen Tradition noch
immer lebendige Beziehungen zur eigenen Ver-
gangenheit, was sich schon in dem äußeren
Bild der holländischen Städte dem künstlerischen
Sinn offenbart, der an diesen sprechenden
Zeichen der Überlieferung den Genius loci er-
greifen möchte. Berückend ist der Eindruck der
Vorhalle im Haarlemer Rathaus mit der tief-
sitzenden altersgebräunten Balkendecke und den
fast am Fußboden aufstehenden schwärzlichen
Porträts an der geweißten Wand, die in dieser
Form unheimlich monumental wirken. Der Vor-
saal ist von dem geheimnisvollen Leben der
Vergangenheit erfüllt, er bildet die stimmungs-
vollste Vorbereitung, die den in den folgenden
Rathaussälen gesammelten Werken des Haar-
lemer Meisters Frans Hals gegeben werden
konnte. Die sinnlich übersinnliche Atmosphäre der
Vergangenheit ist in diesem Gehäuse konzen-
trierter als etwa in dem für die Geschichte
Hollands überaus bedeutsamen Rittersaal des
Binnenhof in den Haag, wo jetzt die General-
staaten tagen, oder etwa in dem Delfter Prinsen-
hof, wo der Oranier auf der Treppe der mörde-
rischen Kugel erlegen ist. Trotz der geschicht-
lichen Reminiszenz ist in diesen beiden Räumen
der mystische Quell nicht mächtig genug, weil
die restaurierende Hand dort zu viel von dem
Bestehenden weggenommen und an Stelle des
geheimnisvoll umwitterten echten Zustandes der
Überlieferung die Totenmaske der sogenannten
Restaurierung gesetzt hat. Die jetzige Eisen-
konstruktion des Haager Rittersaals gibt nicht