Voss. Charakterköpfe des Secento
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stil ins Machtvolle, wenn man will, Rohe, Sinnliche umbildete und als ein anderer
nach Rom zurückkehrte.
Ihren eigentlichen Kulminationspunkt erreicht die Schule in zwei stark von-
einander verschiedenen Charakteren, die zu den eigenartigsten der Zeit gehören:
Salvator Rosa und Luca Giordano. Zwei völlig entgegengesetzte Naturen! Der eine
ein Poet, aber keiner, der die Poesie wie Claude Lorrain in weltabgeschiedener Stille
fände, sondern einer, der sehr handfest zugreift, wo das Leben in seiner ganzen
Sinnlichkeit gegenwärtig ist, gleicherweise ein Landschafter und ein überaus origineller
Figurenmaler, einer der alles kann und freilich lebenslang in allem ein arger Dilettant
geblieben ist. Nicht so der andere. Luca Giordano ist kein Poet, sondern nur ein
sehr begabter Dekorateur; die Stimmung, die von seinen Sachen ausgeht, ist besten-
falls die strahlende Heiterkeit des Südens, gelegentlich, wenn er gut inspiriert war,
sehr sprechend getroffen, aber auf die Dauer doch leicht monoton erscheinend. Deko-
rativ sind seine Bilder — und in noch höherem Maße die Fresken — eigentlich immer —
das Schwächste von seiner Hand mag öde und ausgeschrieben erscheinen, man hat
doch nie das peinliche Gefühl, daß der Künstler in Verlegenheit war, wie eine auch
noch so schwierige oder (schlimmer noch!) gleichgültige Aufgabe anzugreifen sei. Er-
staunlich ist seine sichere Handhabung eines völlig eigenen Kolorites. In allem, was
Komposition, Figuren, Lineament, Helldunkel anlangt, ist Pietro da Cortona das Vorbild
des Fa presto (und gewiß überstrahlt der Meister seinen Schüler weit an Genie), aber
in der Farbe ist der Neapolitaner völlig originell und völlig neapolitanisch. Diese
breiten Ströme gelblich gefärbten Lichtes, die er in seine Bilder hineinschickt, diese
wollüstigen Halbtöne, aus denen hie und da ein Stück rosigen Fleischtones hervor-
leuchtet, und zu dem dann eine Flut strohblonden Haares und ein sattes samtenes
Blau gestimmt ist — wahrer, empfundener ist das Licht und die Farbe Ides Südens
nie gemalt worden, vor allem nie mehr aus dem Genius jenes Volkes selber heraus.
Es ist ein merkwürdiges, ja bizarres Schauspiel, in jene sonnentrunkene Welt
die freudlose, finstere Erscheinung des Spaniers Ribera eintreten zu sehen. Das Secento
ist ja reich an solchen sonderbaren, dramatischen Kontrasten: in Rom haben die
Carraccesken ihr Widerspiel in der Richtung des Caravaggio, in Florenz steht dem
vielgeliebten und noch mehr gehaßten Salonbildmaler Dolci der Mann mit der derben
Affrescatore-Faust gegenüber: Giovanni da S. Giovanni, und in Bologna erhebt sich
gegen den formvollen, aber konventionellen Katholizismus der Reni und Albani die
zur Ekstase und Mystik neigende glutvolle Religiosität eines Giuseppe Crespi. Aber
der Mann der stockschwarzen Finsternis, des eisigen Schweigens, des saftlosesten,
rein deskriptiven Naturalismus in dieser Welt des Lichtes (das damals in der Kunst
erst wurde), unter diesen passionierten Schwätzern und Musikanten — das ist doch
wohl vom Sonderbaren das Sonderbarste.
Und dieser Spanier stand in Neapel keineswegs isoliert da. Zwar war in
seinem Charakter viel rein Spanisches, das sich in jener italienischen Umgebung nicht
restlos auflösen konnte, aber seine Art machte Schule, er wurde — wie alles in Italien,
das gefällt — nachgeahmt. Unter denen, die ihm künstlerisch nahe stehen, ist der
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stil ins Machtvolle, wenn man will, Rohe, Sinnliche umbildete und als ein anderer
nach Rom zurückkehrte.
Ihren eigentlichen Kulminationspunkt erreicht die Schule in zwei stark von-
einander verschiedenen Charakteren, die zu den eigenartigsten der Zeit gehören:
Salvator Rosa und Luca Giordano. Zwei völlig entgegengesetzte Naturen! Der eine
ein Poet, aber keiner, der die Poesie wie Claude Lorrain in weltabgeschiedener Stille
fände, sondern einer, der sehr handfest zugreift, wo das Leben in seiner ganzen
Sinnlichkeit gegenwärtig ist, gleicherweise ein Landschafter und ein überaus origineller
Figurenmaler, einer der alles kann und freilich lebenslang in allem ein arger Dilettant
geblieben ist. Nicht so der andere. Luca Giordano ist kein Poet, sondern nur ein
sehr begabter Dekorateur; die Stimmung, die von seinen Sachen ausgeht, ist besten-
falls die strahlende Heiterkeit des Südens, gelegentlich, wenn er gut inspiriert war,
sehr sprechend getroffen, aber auf die Dauer doch leicht monoton erscheinend. Deko-
rativ sind seine Bilder — und in noch höherem Maße die Fresken — eigentlich immer —
das Schwächste von seiner Hand mag öde und ausgeschrieben erscheinen, man hat
doch nie das peinliche Gefühl, daß der Künstler in Verlegenheit war, wie eine auch
noch so schwierige oder (schlimmer noch!) gleichgültige Aufgabe anzugreifen sei. Er-
staunlich ist seine sichere Handhabung eines völlig eigenen Kolorites. In allem, was
Komposition, Figuren, Lineament, Helldunkel anlangt, ist Pietro da Cortona das Vorbild
des Fa presto (und gewiß überstrahlt der Meister seinen Schüler weit an Genie), aber
in der Farbe ist der Neapolitaner völlig originell und völlig neapolitanisch. Diese
breiten Ströme gelblich gefärbten Lichtes, die er in seine Bilder hineinschickt, diese
wollüstigen Halbtöne, aus denen hie und da ein Stück rosigen Fleischtones hervor-
leuchtet, und zu dem dann eine Flut strohblonden Haares und ein sattes samtenes
Blau gestimmt ist — wahrer, empfundener ist das Licht und die Farbe Ides Südens
nie gemalt worden, vor allem nie mehr aus dem Genius jenes Volkes selber heraus.
Es ist ein merkwürdiges, ja bizarres Schauspiel, in jene sonnentrunkene Welt
die freudlose, finstere Erscheinung des Spaniers Ribera eintreten zu sehen. Das Secento
ist ja reich an solchen sonderbaren, dramatischen Kontrasten: in Rom haben die
Carraccesken ihr Widerspiel in der Richtung des Caravaggio, in Florenz steht dem
vielgeliebten und noch mehr gehaßten Salonbildmaler Dolci der Mann mit der derben
Affrescatore-Faust gegenüber: Giovanni da S. Giovanni, und in Bologna erhebt sich
gegen den formvollen, aber konventionellen Katholizismus der Reni und Albani die
zur Ekstase und Mystik neigende glutvolle Religiosität eines Giuseppe Crespi. Aber
der Mann der stockschwarzen Finsternis, des eisigen Schweigens, des saftlosesten,
rein deskriptiven Naturalismus in dieser Welt des Lichtes (das damals in der Kunst
erst wurde), unter diesen passionierten Schwätzern und Musikanten — das ist doch
wohl vom Sonderbaren das Sonderbarste.
Und dieser Spanier stand in Neapel keineswegs isoliert da. Zwar war in
seinem Charakter viel rein Spanisches, das sich in jener italienischen Umgebung nicht
restlos auflösen konnte, aber seine Art machte Schule, er wurde — wie alles in Italien,
das gefällt — nachgeahmt. Unter denen, die ihm künstlerisch nahe stehen, ist der
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