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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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Voss, Hermann: Charakterköpfe des Decento: I. Massimo Stanzioni
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0277

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Voss. Charakterköpfe des Secento

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Abb. 1. MASSIMO STANZIONI: Bacchusfest
Madrid. Prado □

dem Katholizismus des 17. Jahrhunderts begegnet man mit ausgesprochenem Mißtrauen
und (unausgesprochener) Antipathie. Man hält ihm allenfalls die vollendete Form und
eine gewisse leicht hysterische Art von Schwärmerei zugute; eine einfache, unpathe-
tische Religiosität im Sinne verflossener Jahrhunderte wird ihm nicht zugetraut.
Wer sich bestrebt hat, liebevoll in eine Persönlichkeit wie Stanzioni einzu-
dringen, kann so allgemein gefaßten Urteilen unmöglich beistimmen. Man sehe seinen
hl. Bruno in der Certosa S. Martino zu Neapel: eine schlichte, ganz unpathetische
Mönchsfigur zwischen sechs Brüdern aufrecht dastehend; nur einen Kontrast hat das
Bild: das Stehen des Heiligen und das andächtige Niederknien der Mönche — im
übrigen nichts, was die ergreifende Einfachheit dieses siebenmal gebrachten weißen
Ordenkostüms, dieser sieben glatt geschorenen Häupter störte. Und dabei könnte man
nicht einmal sagen, daß absichtvoll nach Schlichtheit oder hieratischer Feierlichkeit ge-
strebt wäre — innerhalb der bescheidentlich und taktvoll gezogenen Grenzen ist so
viel malerische Feinheit, so viel Abtönung des Ausdruckes der Andacht gegeben, wie
sie die Zeit nun einmal verlangte.
Stanzioni hat für den eigentümlich weltfremden und doch freudigen Geist dieser
Karthäuserbilder einen eigenen koloristischen Ausdruck gefunden: er gibt ein ganz
helles, silbriges Weiß, stimmt es zu einem leichten Grauschwarz (das Riberesker Ab-
stammung ist) und stellt zu diesen beiden Tönen eine bläuliche Landschaft als Grund.
So ist es wie in dem Bilde der Certosa, besonders in dem noch silberneren des
 
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