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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Eine „Ansicht der Heerengracht in der Nähe der Leidschen Straße in Amster-
dam" von dem so gut wie unbekannten Hendrik Kenn (geb. in Haarlem am
14. Aug. 1738, gest. gegen 1788), die voll bezeichnet und 1774 datiert ist, ist noch
nicht ausgestellt. Ebenso das Porträt des Pastors Anthonius Kuypers (Halbfigur in
Lebensgröße, bezeichnet und 1791 datiert, oval) von Joh. Friedr. Aug. Tischbein
Auch ein holländischer Primitiver aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
wurde erworben, das „Begräbnis eines Patriarchen" darstellend. In der Mitte vorn
sieht man das offene Grab, in dem der Tote liegt. Zu beiden Seiten knien je zwei
Augustinermönche mit einem stehenden Schutzheiligen hinter sich, links der heilige
Hieronymus und rechts der heilige Augustin. Direkt hinter dem Grab sitzen auf einer
Erderhöhung en face die heilige Maria und Elisabeth, erstere in Grau und Schwarz
mit langem blonden Haar, Elisabeth rechts von ihr in rotem Gewand. Im Grunde
des von einer Mauer und hohen Gebäuden eingefaßten Gartens sitzt auf einer Rasenbank
die Muttergottes, und vor ihr reitet das nackte Christuskindlein, behütet von einem er-
wachsenen Engel, auf einem Steckenpferd. Drei Engel musizieren ganz links in der
Ecke. Außerdem sieht man rechts noch ein paar Figuren. Die über die hintere Mauer
ragenden Bäume tragen herbstlich braun gefärbtes Laub. Das Bild, das nach dem
Katalog Beziehungen zu Nr. 43, „Madonna und Christkind, umgeben von vier heiligen
Frauen" hat, wurde mit Hülfe des Vereines „Rembrandt" von F. Kleinberger in
Paris erworben.
Endlich ist noch ein „Küdienstück" aus der Schule Pieter Aertsens zu er-
wähnen, eine junge Bäuerin, umgeben von Gemüsen, Früchten und Geflügel, die teils
auf den roten Bodenfliesen, teils auf einem Tische ausgebreitet sind. Im Hintergrund
sieht man Christus mit Maria und Martha, sowie einige andere Personen im Hause
des Lazarus. (Eichenholz, 110X140,5; oben, rechts gegen die Mitte, 1569 datiert).1)
*
Die neuen Erwerbungen der anderen Museen Hollands sind an Zahl beträchtlich
geringer. Sehr erfreulich entwickelt sich die städtische Galerie in der „Lakenhal"
in Leiden, von der demnächst auch ein neuer Katalog erscheinen soll. Dies Museum
konnte aus den Einnahmen der in seinen Räumen 1906 veranstalteten Rembrandt-
ausstellung zwei Werke von Leidener Künstlern ankaufen. Ein drittes Bild, von keinem
geringeren als von Rembrandt (Abb. 7), erhielt die Galerie von einem in Suresnes bei
Paris lebenden Holländer, Herrn L. Nardus, zum Geschenk, sodaß Leiden nun endlich
auch von seinem und Hollands größten Sohne ein Werk besitzt: einen kleinen auf Holz
9 Nachdem diese Zeilen schon geschrieben waren, erwarb das Rijksmuseum nodi zwei
Gemälde: auf der Versteigerung Herzog von Sutherland in London ein 1639 datiertes Bild von
Cornelis de Man, das die „holländische Trankodierei auf Jan Mayen-Eiland" darstellt, und
vom Kunsthändler F. Gerstel in Berlin ein bedeutendes Gemälde von Pieter Lastman, „Opfer-
streit zwischen Orest und Pylades" (Abb. 13), voll bezeichnet und 1614 datiert. Es wurde 1657
von J. Oudaen besungen und gehörte mit einem Pendant einst dem Bürgermeister Jan Six.
(Vergl. darüber meinen Artikel im „Bulletin van den Ned. Oudheidk. Bond", II. Serie", Heft 1,
Seite 39 ff.)
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Eine „Ansicht der Heerengracht in der Nähe der Leidschen Straße in Amster-
dam" von dem so gut wie unbekannten Hendrik Kenn (geb. in Haarlem am
14. Aug. 1738, gest. gegen 1788), die voll bezeichnet und 1774 datiert ist, ist noch
nicht ausgestellt. Ebenso das Porträt des Pastors Anthonius Kuypers (Halbfigur in
Lebensgröße, bezeichnet und 1791 datiert, oval) von Joh. Friedr. Aug. Tischbein
Auch ein holländischer Primitiver aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
wurde erworben, das „Begräbnis eines Patriarchen" darstellend. In der Mitte vorn
sieht man das offene Grab, in dem der Tote liegt. Zu beiden Seiten knien je zwei
Augustinermönche mit einem stehenden Schutzheiligen hinter sich, links der heilige
Hieronymus und rechts der heilige Augustin. Direkt hinter dem Grab sitzen auf einer
Erderhöhung en face die heilige Maria und Elisabeth, erstere in Grau und Schwarz
mit langem blonden Haar, Elisabeth rechts von ihr in rotem Gewand. Im Grunde
des von einer Mauer und hohen Gebäuden eingefaßten Gartens sitzt auf einer Rasenbank
die Muttergottes, und vor ihr reitet das nackte Christuskindlein, behütet von einem er-
wachsenen Engel, auf einem Steckenpferd. Drei Engel musizieren ganz links in der
Ecke. Außerdem sieht man rechts noch ein paar Figuren. Die über die hintere Mauer
ragenden Bäume tragen herbstlich braun gefärbtes Laub. Das Bild, das nach dem
Katalog Beziehungen zu Nr. 43, „Madonna und Christkind, umgeben von vier heiligen
Frauen" hat, wurde mit Hülfe des Vereines „Rembrandt" von F. Kleinberger in
Paris erworben.
Endlich ist noch ein „Küdienstück" aus der Schule Pieter Aertsens zu er-
wähnen, eine junge Bäuerin, umgeben von Gemüsen, Früchten und Geflügel, die teils
auf den roten Bodenfliesen, teils auf einem Tische ausgebreitet sind. Im Hintergrund
sieht man Christus mit Maria und Martha, sowie einige andere Personen im Hause
des Lazarus. (Eichenholz, 110X140,5; oben, rechts gegen die Mitte, 1569 datiert).1)
*
Die neuen Erwerbungen der anderen Museen Hollands sind an Zahl beträchtlich
geringer. Sehr erfreulich entwickelt sich die städtische Galerie in der „Lakenhal"
in Leiden, von der demnächst auch ein neuer Katalog erscheinen soll. Dies Museum
konnte aus den Einnahmen der in seinen Räumen 1906 veranstalteten Rembrandt-
ausstellung zwei Werke von Leidener Künstlern ankaufen. Ein drittes Bild, von keinem
geringeren als von Rembrandt (Abb. 7), erhielt die Galerie von einem in Suresnes bei
Paris lebenden Holländer, Herrn L. Nardus, zum Geschenk, sodaß Leiden nun endlich
auch von seinem und Hollands größten Sohne ein Werk besitzt: einen kleinen auf Holz
9 Nachdem diese Zeilen schon geschrieben waren, erwarb das Rijksmuseum nodi zwei
Gemälde: auf der Versteigerung Herzog von Sutherland in London ein 1639 datiertes Bild von
Cornelis de Man, das die „holländische Trankodierei auf Jan Mayen-Eiland" darstellt, und
vom Kunsthändler F. Gerstel in Berlin ein bedeutendes Gemälde von Pieter Lastman, „Opfer-
streit zwischen Orest und Pylades" (Abb. 13), voll bezeichnet und 1614 datiert. Es wurde 1657
von J. Oudaen besungen und gehörte mit einem Pendant einst dem Bürgermeister Jan Six.
(Vergl. darüber meinen Artikel im „Bulletin van den Ned. Oudheidk. Bond", II. Serie", Heft 1,
Seite 39 ff.)