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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 10. FRANS POST: Brasilianische Landschaft
Haag, Mauritshuis □
warmbraunen Anzug gekleidet. Der zugleich verschmitzte und verschämte Ausdruck
im Gesicht des zum Beschauer blickenden Mädchens ist echt Steen. — Ob die Meisen-
falle am Ast des Baumes nur zufällig dahängt? Nicht ohne Nebenbedeutung das
Kaninchen links vorn vor seiner Höhle dem neckischen Treiben der beiden zuzuhören
scheint? — Der hübschen Landschaft ist ein großer Teil des Bildes eingeräumt.
Ebenfalls von einem Leidener, wenn auch nicht von Geburt, ist die dritte Neu-
erwerbung des „Lakenhal", von dem liebenswürdigen Schilderer kleinbürgerlichen Lebens
Quirin Brekelenkam (Abb. 9). Er führt uns hier eine recht intime Toilettenszene in
einem behaglichen Zimmer einfacher Bürgersleute vor. Die Großmutter sitzt in der
Mitte auf einem Stuhl und sucht — ruhig und ernst, als gälte es eine gefährliche
Operation — dem vor ihr knienden und seinen Kopf auf ihren Schoß legenden Enkel
das Ungeziefer aus dem Haar. Dem Knaben ist diese Prozedur nicht besonders
angenehm; sein Gesicht läßt uns darüber nicht im Ungewissen. Zum Verständnis einer
solchen Darstellung bedarf es weiter keiner Worte. Koloristisch zeigt das Bild — ob-
gleich ein ausgesprochen schummeriges Helldunkel herrscht — Brekelenkams Vorliebe
für ein kräftiges Zinnoberrot, das hier die Ärmel der Alten haben. Den sonst gleich-
mäßigen, etwas dunkeln Ton unterbrechen nur noch das Gelb des Butterbrotes und
das frische Rot des neben diesem vorn am Boden liegenden Apfels. Und dann, jedoch
viel schwächer, das Bett mit der roten Decke und zwei weißen Kopfkissen. Das Holz-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 10. FRANS POST: Brasilianische Landschaft
Haag, Mauritshuis □
warmbraunen Anzug gekleidet. Der zugleich verschmitzte und verschämte Ausdruck
im Gesicht des zum Beschauer blickenden Mädchens ist echt Steen. — Ob die Meisen-
falle am Ast des Baumes nur zufällig dahängt? Nicht ohne Nebenbedeutung das
Kaninchen links vorn vor seiner Höhle dem neckischen Treiben der beiden zuzuhören
scheint? — Der hübschen Landschaft ist ein großer Teil des Bildes eingeräumt.
Ebenfalls von einem Leidener, wenn auch nicht von Geburt, ist die dritte Neu-
erwerbung des „Lakenhal", von dem liebenswürdigen Schilderer kleinbürgerlichen Lebens
Quirin Brekelenkam (Abb. 9). Er führt uns hier eine recht intime Toilettenszene in
einem behaglichen Zimmer einfacher Bürgersleute vor. Die Großmutter sitzt in der
Mitte auf einem Stuhl und sucht — ruhig und ernst, als gälte es eine gefährliche
Operation — dem vor ihr knienden und seinen Kopf auf ihren Schoß legenden Enkel
das Ungeziefer aus dem Haar. Dem Knaben ist diese Prozedur nicht besonders
angenehm; sein Gesicht läßt uns darüber nicht im Ungewissen. Zum Verständnis einer
solchen Darstellung bedarf es weiter keiner Worte. Koloristisch zeigt das Bild — ob-
gleich ein ausgesprochen schummeriges Helldunkel herrscht — Brekelenkams Vorliebe
für ein kräftiges Zinnoberrot, das hier die Ärmel der Alten haben. Den sonst gleich-
mäßigen, etwas dunkeln Ton unterbrechen nur noch das Gelb des Butterbrotes und
das frische Rot des neben diesem vorn am Boden liegenden Apfels. Und dann, jedoch
viel schwächer, das Bett mit der roten Decke und zwei weißen Kopfkissen. Das Holz-