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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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Rundschau
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Monatshefte für Kunstwissenschaft

von dem eine Menge Landschaftszeichnungen
von höchst eindrucksvoller Raumtiefe, zart und
voll Qualität, aber etwas monoton — alle von
der nordischen Schwerblütigkeit, die ihre Schöp-
fungen schwerer zugänglich macht, aber auch
oft inniger lieben heißt; gewaltige Zeichnungen
von Käthe Kollwitz; Akte und Landschaften
von E. R. Weiß, mitunter überwältigend in
ihrer Frische und sinnlichen Lebenskraft; Land-
schaften von Ulrich Hübner, die einen selb-
ständigen Weg zu einer koloristisch kräftigen
Form einschlagen und frohe Hoffnungen auf die
Entwicklung des Künstlers erregen. Bei Schulte
waren im März Sammlungen von Habermann
und Robert Weise ausgestellt; Weise stellt
eine glückliche Vermittlung zwischen dem de-
korativen Streben der Münchner Scholle und der
anmutigen Sinnlichkeit der modernen Schwaben
her, ist aber noch mitten auf dem Wege zu
seiner Synthese. Im April gab es ebenda eine
große Übersicht über das Schaffen Heinrich
Zügels; es ist leider nicht der Raum, an dieser
interessanten und bis zur Einseitigkeit konse-
quenten Malernatur die Entwicklung des Licht-
problems bis zur Gegenwart darzustellen; nie-
mand, außer Liebermann, hat sich in Deutsch-
land um dieses Problem mit so großer Selb-
ständigkeit und Beharrlichkeit bemüht, wie
Zügel, aber gerade bei ihm wird auch die
Frage laut, ob nicht am Ende das, was Mittel
bleiben sollte, zum beschließenden Zweck ge-
worden ist. In jedem Falle eine ungemeine
Leistung, die den größten Respekt fordert. S.
MÜNCHEN= --
Der langsam zu Ende gehende Winter hat
uns erfreulicherweise mit wertvollen Gaben
beschenkt. Er hat ferner Ausstellungen in seltener
Vielseitigkeit gezeigt, deren Bedeutung und An-
regung die Aufnahmefähigkeit auf starke Probe
stellten. Fast möchte man wünschen, daß dieses
Kaleidoskop weniger rasch gedreht werde, um
die allzu flüchtigen Eindrücke zu tieferer Wir-
kung gelangen zu lassen. Von Menzel und
Wilhelm Busch zu van Gogh und Gauguin ist
ein weiter Schritt.
Menzel! Schmerzlich war die Lücke, die
bisher in der neuen Pinakothek durch das be-
dauerliche Fehlen von Werken des Berliner Alt-
meisters klaffte. Er, der gerne und lange in
München geweilt hatte, wo sich so vielfache
Anregung für sein lebhaftes Empfinden fand —
es sei an das Gemälde des Altars der Damen-
stiftskirche in der Galerie Behrens in Hamburg

erinnert — , hat durch die ansehnliche Schenkung
seiner Nichte, Frl. Krigar-Menzel in der Pina-
kothek, wo er einen eigenen Raum erhalten
wird, ein treffliches Denkmal erhalten. Seit der
Jahrhundertausstellung, seit den Arbeiten von
Tschudi und Meier-Graefe über Menzel sind
wir bedeutet worden, den Anfängen des Meisters
größere Beachtung zu schenken, die intime Zeit
seiner Genrebilder nnd Studien als außerordent-
lich wichtig anzusehen, ja ihr für Menzels ur-
sprüngliche Begabung fast höheren Wert zu-
zugestehen als den Zeiten der Hofgunst und
der großen Geschichtsbilder. Die nach München
gelangenden Werke, stammen fast ausschließlich
aus seinen früheren Jahren. Da bisher nur die
Zeichnungen in der königl. graphischen Samm-
lung ausgestellt sind, sei mit Erlaubnis Herrn
Dr. Weigmanns aus dessen Aufsatz über die
Schenkung in der,, Münchner Allgemeinen Zeitung"
folgendes mitgeteilt: Man begegnet in einem
gegenständlich so einfachen Bilde: „Menzels
Schwester an der Türe eines durch Lampenlicht
spärlich erleuchteten Raumes" koloristischen Prob-
lemen, die in ihrer sicheren Lösung für ihre Zeit
— 1847 — aufs höchste überraschen müssen.
Die harmonische Kombinierung und feine Ab-
stimmung ihrer Tonwerte stempeln diese Studie
zu einem koloristischen Meisterstück. Das my-
stische Halbdunkel einer nur durch Altarkerzen er-
hellten Kirche in Innsbruck, bei der der Blick
wie mit magnetischer Gewalt über die andächtige
Menge auf die heilige Handlung gezogen wird,
das geheimnisvolle Spiel des Mondlichts um
den Chor einer Dorfkirche, aus deren tief-
beschatteten Pfeilerpartien der rötliche Schein
eines schwach erleuchteten heiligen Grabes her-
vordämmert, der Widerstreit des fahlen Voll-
mondglanzes mit den gelblichen Lichtern eines
von innen und außen erleuchteten Fabrik-
etablissements — in solchen Motiven zeigt sich
Menzels sonst auf scharfe zeichnerische Auf-
fassung der Objekte ausgehendes Auge auch
den malerischen Erscheinungsformen offen.
Mit einem für seine Zeit bewunderungs-
würdigen Wagemut machte er sich — 1851 —
daran die dumpfschwüle Atmosphäre eines
kerzenerleuchteten Konzertsaales festzuhalten,
in der sich eine illustre Gesellschaft ver-
sammelt hat. Und wenn den Künstler auch ein
eminentes Gedächtnis in den Stand setzte aus
der Erinnerung die ganze Skala der Tonwerte
wiederzugeben, die das eindringende Tageslicht
in der Dadikammer eines Büchertrödlers auf
den schmucklosen Wänden hervorzaubert, so
verschmähte er es doch nicht, gelegentlich auch
vor der Natur selbst den Pinsel in die Hand zu
nehmen. Die Schenkung enthält dafür zwei
 
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