Rundschau
311
treffliche Belege; eine kleine Landschaft mit
einem unter mächtigen Bäumen versteckten
Bildstock aus den Salzburger Bergen, und eine,
zwar im Vorwurf unscheinbare, in der Aus-
führung aber malerisch breite Studie: des
Meisters Pelz, nachlässig auf ein rotbraunes
Sofa geworfen.
Aus viel späterer Zeit (1863) datiert das
nach seiner Bildwirkung abgeschlossenste Öl-
gemälde der ganzen Reihe, der Ausblick von
einem Balkon des kgl. Schlosses in Berlin.
Neben einem Pastell aus demjahre 1857, Adam
mit Jagdbeute zu Eva zurückkehrend und einem
Aquarell aus dem Jahre 1847 enthält die Schenkung
ferner unter den Zeichnungen eine Reihe von
Darstellungen aus Menzels Familie, Skizzen von
Hoffestlichkeiten, vor allem aber Studien von den
Reisen des Künstlers in Süddeutschland. Einige
Blätter „Alte im Lehnstuhl" und „Schlüssig,
Unschlüssig" gehören den allerletzten Jahren an
(1902 und 1903). Dem Vernehmen nach wird
die nunmehr mit dem würdigen und stolzen Wort
„Menzel-Sammlung der Münchner neuen Pina-
kothek" zu bezeichnende Schenkung durch eine
umfangreiche Publikation bekannt gemacht wer-
den. Dann werden wir nach Kenntnis der Ori-
ginale nochmals hierauf einzugehen haben.
Außer dieser großartigen Schenkung hat die
neue Pinakothek aus der Kollektivausstellung der
Werke Albert von Kellers durch Ankauf zwei
Bilder erhalten und weiterhin eine frühe Arbeit
Fritz von Uhdes, „La chanteuse" erworben, die
ohne besonders charakteristisch zu sein (sie ist noch
unter Munkacsys Einfluß entstanden) das Vor-
handene erfreulich ergänzt.
Die Nennung dieser führenden Meister der
Sezession gibt die Veranlassung, ganz kurz
auf die Frühjahrsausstellung dieser Vereinigung
einzugehen, nicht etwa um die wenig bedeuten-
den Münchner Bilder zu besprechen oder Zügels
kraftvolle Zeichnungen, Slevogts Iliasradierungen
und Landenbergers lichterfüllte Studien zu rüh-
men, sondern nur um einige Bedenken zu äußern
gegen die hier gebotene Zusammenhäufung einer
Anzahl der modernsten französischen Bilder
(Valloton, Vuillard, Bonnard,Roussel). Denn solche
Ausstellungen bergen doch die Gefahr in sich,
den jungen kräftigfrischen Münchner Nachwuchs,
der immer noch früh genug an die Seine geht,
zu einer unselbständigen Nachahmung zu ver-
leiten. Von diesem Gesichtspunkt aus sollte
man solche gewiß dankenswerten und für den
Kenner interessanten Experimente vielleicht
doch nicht allzu oft wiederholen. Auch die
vorzügliche Ausstellung von Werken van
Goghs, die in einer überraschenden Mannig-
faltigkeit zusammengebracht wurde, ist wohl
geeignet, als gute Vermittlerin für die Kennt-
nis des absonderlichen und doch durch nach-
giebiges Eingehen auf seine fabelhaft per-
sönlichen und ganz sicherlich fabelhaft künst-
lerischen Absichten zur Höhe des Genies ge-
tragenen Meisters betrachtet zu werden. Auch
sie möge ja nicht neben dem Guten, das sie zu
wirken berufen ist, Schädliches stiften durch eine
falsch verstandene Aufforderung zur Nachahmung.
Van Goghs Eigenart, welche die qualvolle An-
spannung und deshalb geistige Erkrankung mit
sich verbindende Auflösung seiner Gehirnnerven
bestimmte, die krank waren infolge einer furcht-
bar erregten Wahrnehmungsfähigkeit sinnlicher,
rein malerischer Eindrücke, gibt als künstlerisches
Resultat eine Überfülle von Licht und Farbig-
keit. Ja sie gibt die Überfülle in einer schmerz-
haften, kaum zu ertragenden Steigerung, vor der
das geblendete Auge hilfesuchend ruhige Töne
erfleht und sich ermattet schließen will um den
machtvoll ringsum flutenden Farben- und Licht-
wellen zu entrinnen. Wenn wir uns wohl ein-
mal verleiten ließen, angesichts ewiger Schöp-
fungen der größten Meister eine auf den zu-
nächst unmöglichen persönlichen Kontakt sich
gründende Unruhe zu empfinden, die wir dann
als Wirkungen der eminent persönlichen Ge-
staltungskraft und Gestaltenfülle solcher Genien
aufzufassen uns bemühten — hier wahrlich wird
dieser sonst akademisch aufgezwungene Zaum
freudig angelegt um späterhin ebenso freudig
fortgeworfen zu werden. Van Gogh verlangt
dabei nicht einmal das Aufgeben aller theore-
tischen Maximen, die sonst bei der kritischen
Betrachtung von Kunstwerken anzuwenden sind.
Er hat mit dem gleichen persönlichen Recht wie
etwa Richard Strauß oder E. T. A. Hoffmann
oder Arthur Rimbaud die Linie des künstlerisch
Erreichbaren bis zur aller allerletzten Möglichkeit
— hier nach der rein malerischen Seite hin — aus-
gedehnt. Was ihn dabei ebenso unsympathisch
macht wie die genannten Meister auf anderen
Gebieten der Kunst, es ist demnadi nicht auf
der negativen Seite, sondern auf der positiven und
besteht in dem Gezwungenen und daher Un-
natürlichen, dem Problematischen und trotz aller
Genialität leider doch auf Effekt rechnenden
seines Malens. Wir hatten in der Kunsthand-
lung von Brakl Gelegenheit, fast Hundert
Arbeiten van Goghs betrachten zu können. Von
bescheidenen Anfängen, Landschaften, die in
der Nähe Monets liegen, bis zu den farb-
verbissenen Gewalttaten des Geisteskranken von
Arles war das wichtige zu sehen, das das Werk
des eigentümlichsten Malers der Vergangenheit
bildet, der das Hamletwort ins Gedächtnis ruft,
311
treffliche Belege; eine kleine Landschaft mit
einem unter mächtigen Bäumen versteckten
Bildstock aus den Salzburger Bergen, und eine,
zwar im Vorwurf unscheinbare, in der Aus-
führung aber malerisch breite Studie: des
Meisters Pelz, nachlässig auf ein rotbraunes
Sofa geworfen.
Aus viel späterer Zeit (1863) datiert das
nach seiner Bildwirkung abgeschlossenste Öl-
gemälde der ganzen Reihe, der Ausblick von
einem Balkon des kgl. Schlosses in Berlin.
Neben einem Pastell aus demjahre 1857, Adam
mit Jagdbeute zu Eva zurückkehrend und einem
Aquarell aus dem Jahre 1847 enthält die Schenkung
ferner unter den Zeichnungen eine Reihe von
Darstellungen aus Menzels Familie, Skizzen von
Hoffestlichkeiten, vor allem aber Studien von den
Reisen des Künstlers in Süddeutschland. Einige
Blätter „Alte im Lehnstuhl" und „Schlüssig,
Unschlüssig" gehören den allerletzten Jahren an
(1902 und 1903). Dem Vernehmen nach wird
die nunmehr mit dem würdigen und stolzen Wort
„Menzel-Sammlung der Münchner neuen Pina-
kothek" zu bezeichnende Schenkung durch eine
umfangreiche Publikation bekannt gemacht wer-
den. Dann werden wir nach Kenntnis der Ori-
ginale nochmals hierauf einzugehen haben.
Außer dieser großartigen Schenkung hat die
neue Pinakothek aus der Kollektivausstellung der
Werke Albert von Kellers durch Ankauf zwei
Bilder erhalten und weiterhin eine frühe Arbeit
Fritz von Uhdes, „La chanteuse" erworben, die
ohne besonders charakteristisch zu sein (sie ist noch
unter Munkacsys Einfluß entstanden) das Vor-
handene erfreulich ergänzt.
Die Nennung dieser führenden Meister der
Sezession gibt die Veranlassung, ganz kurz
auf die Frühjahrsausstellung dieser Vereinigung
einzugehen, nicht etwa um die wenig bedeuten-
den Münchner Bilder zu besprechen oder Zügels
kraftvolle Zeichnungen, Slevogts Iliasradierungen
und Landenbergers lichterfüllte Studien zu rüh-
men, sondern nur um einige Bedenken zu äußern
gegen die hier gebotene Zusammenhäufung einer
Anzahl der modernsten französischen Bilder
(Valloton, Vuillard, Bonnard,Roussel). Denn solche
Ausstellungen bergen doch die Gefahr in sich,
den jungen kräftigfrischen Münchner Nachwuchs,
der immer noch früh genug an die Seine geht,
zu einer unselbständigen Nachahmung zu ver-
leiten. Von diesem Gesichtspunkt aus sollte
man solche gewiß dankenswerten und für den
Kenner interessanten Experimente vielleicht
doch nicht allzu oft wiederholen. Auch die
vorzügliche Ausstellung von Werken van
Goghs, die in einer überraschenden Mannig-
faltigkeit zusammengebracht wurde, ist wohl
geeignet, als gute Vermittlerin für die Kennt-
nis des absonderlichen und doch durch nach-
giebiges Eingehen auf seine fabelhaft per-
sönlichen und ganz sicherlich fabelhaft künst-
lerischen Absichten zur Höhe des Genies ge-
tragenen Meisters betrachtet zu werden. Auch
sie möge ja nicht neben dem Guten, das sie zu
wirken berufen ist, Schädliches stiften durch eine
falsch verstandene Aufforderung zur Nachahmung.
Van Goghs Eigenart, welche die qualvolle An-
spannung und deshalb geistige Erkrankung mit
sich verbindende Auflösung seiner Gehirnnerven
bestimmte, die krank waren infolge einer furcht-
bar erregten Wahrnehmungsfähigkeit sinnlicher,
rein malerischer Eindrücke, gibt als künstlerisches
Resultat eine Überfülle von Licht und Farbig-
keit. Ja sie gibt die Überfülle in einer schmerz-
haften, kaum zu ertragenden Steigerung, vor der
das geblendete Auge hilfesuchend ruhige Töne
erfleht und sich ermattet schließen will um den
machtvoll ringsum flutenden Farben- und Licht-
wellen zu entrinnen. Wenn wir uns wohl ein-
mal verleiten ließen, angesichts ewiger Schöp-
fungen der größten Meister eine auf den zu-
nächst unmöglichen persönlichen Kontakt sich
gründende Unruhe zu empfinden, die wir dann
als Wirkungen der eminent persönlichen Ge-
staltungskraft und Gestaltenfülle solcher Genien
aufzufassen uns bemühten — hier wahrlich wird
dieser sonst akademisch aufgezwungene Zaum
freudig angelegt um späterhin ebenso freudig
fortgeworfen zu werden. Van Gogh verlangt
dabei nicht einmal das Aufgeben aller theore-
tischen Maximen, die sonst bei der kritischen
Betrachtung von Kunstwerken anzuwenden sind.
Er hat mit dem gleichen persönlichen Recht wie
etwa Richard Strauß oder E. T. A. Hoffmann
oder Arthur Rimbaud die Linie des künstlerisch
Erreichbaren bis zur aller allerletzten Möglichkeit
— hier nach der rein malerischen Seite hin — aus-
gedehnt. Was ihn dabei ebenso unsympathisch
macht wie die genannten Meister auf anderen
Gebieten der Kunst, es ist demnadi nicht auf
der negativen Seite, sondern auf der positiven und
besteht in dem Gezwungenen und daher Un-
natürlichen, dem Problematischen und trotz aller
Genialität leider doch auf Effekt rechnenden
seines Malens. Wir hatten in der Kunsthand-
lung von Brakl Gelegenheit, fast Hundert
Arbeiten van Goghs betrachten zu können. Von
bescheidenen Anfängen, Landschaften, die in
der Nähe Monets liegen, bis zu den farb-
verbissenen Gewalttaten des Geisteskranken von
Arles war das wichtige zu sehen, das das Werk
des eigentümlichsten Malers der Vergangenheit
bildet, der das Hamletwort ins Gedächtnis ruft,