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Monatshefte für Kunstwissenschaft
welch edler Geist hier zerstört ward. Eine sehr
erfreuliche Ergänzung dieser Zusammenstellung
war in der Kunsthandlung von Zimmer-
mann zu sehen. Hier befand sich die berühmte
Arleserin, die endlich ihren Käufer gefunden
hat. Neben van Gogh wirkten hier einige frühe
Bilder von Gauguin und ein vorzügliches Land-
schaftsstück aus Tahiti farbenfreudiger und in
ihrer besseren Anspruchslosigkeit sympathisch.
Es gibt in München nur eine Privatsamm-
lung, die mit ernsten Absichten Werke der
neuen Franzosen, soweit sie hier im Lager der
Pointillisten Signac und Seurat, dort von van
Gogh und Gauguin, in der Plastik von Aristide
Maillol geschaffen wurden, angekauft hat. Da
wir diese Sammlung nunmehr leider von Mün-
chen nach Berlin verlieren, wird es ihr Besitzer,
Direktor Dr. Wolff, nicht dem Münchner Chro-
nisten übel nehmen, wenn er hier die Güte
rühmt, mit welcher seine Bilder den Fachgenossen
zugänglich gemacht waren. Das Ersuchen um
öffentliche Ausstellung wurde mit dem bedauer-
lichen, aber bei der einseitigen Empfindlichkeit
mancherMünchner Kunstkreise sehr verständlichen
Hinweis auf eine mögliche Ablehnung zurück-
gewiesen. Und doch wäre es recht schön ge-
wesen, mit den Kleinen in der Sezession einmal
die Großen, vor allem Maurice Denis, zu messen.
Noch andere Privatsammlungen sind aus
München fortgekommen. Der Wechsel der Diplo-
maten hat die Sammlung Pourtales, aus welcher
einige treffliche Stücke in der Münchner Re-
naissance-Ausstellung waren (s. den Aufsatz
von G. Habich im Münchner Jahrbuch der bilden-
den Kunst, 1. Halbband, 1907), nach Petersburg,
die besonders an italienischer Kleinplastik und
Werken der italienischen späteren Zeit sehr be-
merkenswerte Sammlung des Cav. Berti, welche
den Münchner Kunstforschern so gut wie un-
bekannt blieb, nach Lissabon entführt. Der
schöne Erfolg der genannten Renaissance-Aus-
stellung hat eine Ausstellung von Werken
alter Münchner Kunst angeregt, die in diesem
Sommer stattfinden sollte. Die erfreuliche Reich-
haltigkeit des Materials, das in kurzer Zeit zu-
sammenzubringen und entsprechend aufzustellen
nicht möglich war, gebot einen Aufschub auf
das nächste Jahr. Uhde-Bernays.
WIEN ■. ..~
In der Zeit vom 22. März bis 2. April fand
im Salon Pisko zu wohltätigen Zwecken eine
Ausstellung der Sammlung Eißler statt, und
zwar ihrer alten und neuen Meister mit Aus-
schluß der Österreicher.
Eine von feinstem Geschmack zeugende
Sammlung ist damit weiteren Kreisen bekannt
geworden. Fast jedes Stück ist von hohem
künstlerischen Wert, ganz große Meister sind
durch echte Werke vertreten; durch kleine,
schöne Arbeiten, die aber doch nur dem künst-
lerisch geschulten Beschauer ihre volle Qualität
offenbaren. Prunkstücke, die dem Laien impo-
nieren, fehlen fast ganz. Als zweites Charak-
teristikon der Sammlung erscheint mir die Plan-
mäßigkeit der Anlage. Nirgends in Wien wird
man so viele bedeutende Künstler des XIX. Jahr-
hunderts, Engländer, Franzosen, Belgier und
Deutsche nebeneinander repräsentiert finden.
Mit der Federzeichnung eines guten Schächers
von Dürer, monogrammiert und datiert 1517
beginnt die Reihe. Schäuffeleins doppelseitig
bemalte Tafel mit der „Geburt Christi" und dem
„Gebet am Ölberg" dürfte die Hälfte eines Flügels
eines großen Altarwerks sein. Etwas feiner in
der Ausführung ist die „Geburt".1) Das Haupt-
stück unter den niederländischen Werken des
XVII. Jahrhunderts ist eine prachtvolle Bister-
zeichnung Rembrandts „der verlorene Sohn beim
Gelage".
Zwei mäßig große Bilder, ein Stiergefecht
und eine Kommunion scheinen mit Recht den
Namen Goyas zu tragen und dürften dessen
späterer Zeit angehören. Die englischen Bilder
gruppieren sich um ein Bildnis in ganzer Figur
des Schotten Raeburn. Vier Landschaften von
Constable sind in ihrer Feinheit vielleicht nur
dem ganz verständlich, der die Größe des
Meisters von London her kennt. Ein Burne
Jones, Landseer und eine kleine Federzeichnung
„Sarasate" von Whistler. Auch von den neueren
Franzosen sind wieder einige der bedeutendsten
vertreten. Ein gewaltiges Haupt Napoleons in
Wolken und ein Frauenkopf (La Folle) von Geri-
cault, von Delacroix prächtige Skizzen zu zweien
seiner bekannten Hauptwerke, dem „Massacre de
Scio" und dem Deckenbilde der Salle Apollon des
Louvre; dazu die Federzeichnung eines Löwen.
Vorzüglich ist auch Daumier vertreten durch zwei
Ölbilder und ein Aquarell. Eine farbenprächtige
Illustration zu Boccaccio zählt zu Monticellis
reizvollsten Schöpfungen, auch der Heros der
Modernen, Manet, fehlt nicht ganz; eine Farb-
skizze einer Dame in ganzer Figur gibt von
seiner Art aber doch nur eine beschränkte Vor-
stellung, wenig mehr als die kleine Federzeich-
nung von der Kunst Whistlers. Und ähnlich
sind auch einige große deutsche Meister zwar
vertreten aber doch nicht ihrer vollen Bedeu-
9 Höhe 1,205 m, Breite 1,320 m.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
welch edler Geist hier zerstört ward. Eine sehr
erfreuliche Ergänzung dieser Zusammenstellung
war in der Kunsthandlung von Zimmer-
mann zu sehen. Hier befand sich die berühmte
Arleserin, die endlich ihren Käufer gefunden
hat. Neben van Gogh wirkten hier einige frühe
Bilder von Gauguin und ein vorzügliches Land-
schaftsstück aus Tahiti farbenfreudiger und in
ihrer besseren Anspruchslosigkeit sympathisch.
Es gibt in München nur eine Privatsamm-
lung, die mit ernsten Absichten Werke der
neuen Franzosen, soweit sie hier im Lager der
Pointillisten Signac und Seurat, dort von van
Gogh und Gauguin, in der Plastik von Aristide
Maillol geschaffen wurden, angekauft hat. Da
wir diese Sammlung nunmehr leider von Mün-
chen nach Berlin verlieren, wird es ihr Besitzer,
Direktor Dr. Wolff, nicht dem Münchner Chro-
nisten übel nehmen, wenn er hier die Güte
rühmt, mit welcher seine Bilder den Fachgenossen
zugänglich gemacht waren. Das Ersuchen um
öffentliche Ausstellung wurde mit dem bedauer-
lichen, aber bei der einseitigen Empfindlichkeit
mancherMünchner Kunstkreise sehr verständlichen
Hinweis auf eine mögliche Ablehnung zurück-
gewiesen. Und doch wäre es recht schön ge-
wesen, mit den Kleinen in der Sezession einmal
die Großen, vor allem Maurice Denis, zu messen.
Noch andere Privatsammlungen sind aus
München fortgekommen. Der Wechsel der Diplo-
maten hat die Sammlung Pourtales, aus welcher
einige treffliche Stücke in der Münchner Re-
naissance-Ausstellung waren (s. den Aufsatz
von G. Habich im Münchner Jahrbuch der bilden-
den Kunst, 1. Halbband, 1907), nach Petersburg,
die besonders an italienischer Kleinplastik und
Werken der italienischen späteren Zeit sehr be-
merkenswerte Sammlung des Cav. Berti, welche
den Münchner Kunstforschern so gut wie un-
bekannt blieb, nach Lissabon entführt. Der
schöne Erfolg der genannten Renaissance-Aus-
stellung hat eine Ausstellung von Werken
alter Münchner Kunst angeregt, die in diesem
Sommer stattfinden sollte. Die erfreuliche Reich-
haltigkeit des Materials, das in kurzer Zeit zu-
sammenzubringen und entsprechend aufzustellen
nicht möglich war, gebot einen Aufschub auf
das nächste Jahr. Uhde-Bernays.
WIEN ■. ..~
In der Zeit vom 22. März bis 2. April fand
im Salon Pisko zu wohltätigen Zwecken eine
Ausstellung der Sammlung Eißler statt, und
zwar ihrer alten und neuen Meister mit Aus-
schluß der Österreicher.
Eine von feinstem Geschmack zeugende
Sammlung ist damit weiteren Kreisen bekannt
geworden. Fast jedes Stück ist von hohem
künstlerischen Wert, ganz große Meister sind
durch echte Werke vertreten; durch kleine,
schöne Arbeiten, die aber doch nur dem künst-
lerisch geschulten Beschauer ihre volle Qualität
offenbaren. Prunkstücke, die dem Laien impo-
nieren, fehlen fast ganz. Als zweites Charak-
teristikon der Sammlung erscheint mir die Plan-
mäßigkeit der Anlage. Nirgends in Wien wird
man so viele bedeutende Künstler des XIX. Jahr-
hunderts, Engländer, Franzosen, Belgier und
Deutsche nebeneinander repräsentiert finden.
Mit der Federzeichnung eines guten Schächers
von Dürer, monogrammiert und datiert 1517
beginnt die Reihe. Schäuffeleins doppelseitig
bemalte Tafel mit der „Geburt Christi" und dem
„Gebet am Ölberg" dürfte die Hälfte eines Flügels
eines großen Altarwerks sein. Etwas feiner in
der Ausführung ist die „Geburt".1) Das Haupt-
stück unter den niederländischen Werken des
XVII. Jahrhunderts ist eine prachtvolle Bister-
zeichnung Rembrandts „der verlorene Sohn beim
Gelage".
Zwei mäßig große Bilder, ein Stiergefecht
und eine Kommunion scheinen mit Recht den
Namen Goyas zu tragen und dürften dessen
späterer Zeit angehören. Die englischen Bilder
gruppieren sich um ein Bildnis in ganzer Figur
des Schotten Raeburn. Vier Landschaften von
Constable sind in ihrer Feinheit vielleicht nur
dem ganz verständlich, der die Größe des
Meisters von London her kennt. Ein Burne
Jones, Landseer und eine kleine Federzeichnung
„Sarasate" von Whistler. Auch von den neueren
Franzosen sind wieder einige der bedeutendsten
vertreten. Ein gewaltiges Haupt Napoleons in
Wolken und ein Frauenkopf (La Folle) von Geri-
cault, von Delacroix prächtige Skizzen zu zweien
seiner bekannten Hauptwerke, dem „Massacre de
Scio" und dem Deckenbilde der Salle Apollon des
Louvre; dazu die Federzeichnung eines Löwen.
Vorzüglich ist auch Daumier vertreten durch zwei
Ölbilder und ein Aquarell. Eine farbenprächtige
Illustration zu Boccaccio zählt zu Monticellis
reizvollsten Schöpfungen, auch der Heros der
Modernen, Manet, fehlt nicht ganz; eine Farb-
skizze einer Dame in ganzer Figur gibt von
seiner Art aber doch nur eine beschränkte Vor-
stellung, wenig mehr als die kleine Federzeich-
nung von der Kunst Whistlers. Und ähnlich
sind auch einige große deutsche Meister zwar
vertreten aber doch nicht ihrer vollen Bedeu-
9 Höhe 1,205 m, Breite 1,320 m.