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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0324

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

treiben sondern Blei dazu benützt. Piccione
erörterte dann die Münzfälschungen, besonders
die Nachahmungen der jetzt so gesuchten Deka-
drachmen von Syrakus, ferner den antiken
Lötungsprozeß. Seine das zahlreiche Auditorium
sichtlich anregenden Ausführungen brachte
Piccione mit einem Schwünge und Eifer vor,
welche in dem Sprecher den leidenschaftlichen
Romagnolen gleich erkennen ließen.
Ludwig Pollak.

VENEDIG ========
Die Accademia di Belle Arti hat sich in
letzter Zeit aufs erfreulichste bereichert. Eine
der wichtigsten Erwerbungen des Instituts ist
ein Porträt von der Hand des fruchtbaren und
doch gediegenen Lorenzo Lotto. Er ist in
neuerer Zeit seinem vollen Werte nach aner-
kannt worden. Früher hat man ihn nicht als
Maler ersten Ranges gelten lassen wollen; aber
ein aufmerksames und liebevolles Studium seines
Lebenswerkes hat zu seiner Wertschätzung ge-
führt und ihm seinen Rang unter den Künstlern
der Renaissance gesichert. Als Porträtmaler ist
er unter den Italienern eine einzigartige Er-
scheinung: er weicht dem Zeremoniellbildnis
aus und pflegt einerseits das familiäre, ander-
seits trachtet er den Geist seiner Modelle deutlich
herauszugestalten. Das erworbene Bild auf Holz
gemalt (0,77x0,57) kostete 7000 Lire; es ist ein
männliches Bildnis in dreiviertel Ansicht, wahr-
scheinlich das eines Gelehrten, eines Mannes mit
schwarzem Barthaar, olivengrauem Teint, melan-
cholisch forschenden dunklen Augen. Am Kopf
ein schwarzes Käppchen, wie es die Männer
der Wissenschaft im 16. Jahrhundert gewohnt
waren zu tragen, pfirsichfarbig die Gewandung,
welche restauriert wurde. Der Hintergrund ist
nachgedunkelt und die linke Hand, die eine
Rolle hält, verputzt; von der schmalen und
nervösen Rechten sind nur drei Finger zu sehen.
Unter den Porträts Lottos ist dieses vielleicht
zwischen seiner ersten und zweiten Malweise
(1508—1512) zu zählen; es stammt aus der
Galerie Caradori und Racanati, an welchem Ort
der Meister zweimal weilte, und war bis jetzt
unbekannt geblieben. Das Bildnis steht jedoch
nicht auf der Höhe von Lottos Porträt, des
Mannes im roten Bart, in der Brera-Galerie in
Mailand oder jenes des Bischofs de Rossi im
Museum zu Neapel. — Über die Authentizität
eines soeben erworbenen Bildes Lorenzo Lottos
(für 6000 Lire) haben wir guten Grund zu
zweifeln. Vasari berichtet, daß er im Hause
eines Florentiners zu Empoli eine Christigeburt

Lottos gesehen, die wunderschön war. Haupt-
sächlich vom Bambino sei das Bild überstrahlt,
Maria sei kniend dargestellt, und eine ganze
Figur, welche die Züge Marco Loredans auf-
weist, bete das Kind an. Diese Beschreibung
stimmt auf das neuerworbene Bild, es aber
bellissimo, wie Vasari, zu bezeichnen, davon
sind wir weit entfernt. Das Werk ist ganz
Barock, so auch die Technik, der asphaltfarbige
Hintergrund, die rot und blau angetane
Madonna. Wohl besitzt der im samtenen
Scharlachrot gekleidete Donator einige Fein-
heiten in Farbe und Pinselstrich; die Form der
verwischten Inschriftstafel mahnt an den Stil
des Seicento. Einiges leidenschaftliche in den
Bewegungen und phantastische in der Kompo-
sition ist dem Bilde nicht abzusprechen. Wir
haben es sicher nicht mit dem Bilde, das Vasari
nennt, zu tun, sondern mit einem Werke des
18. Jahrhunderts, und müssen Lorenzo Lotto
ganz und gar ausschließen.
Ein Chef d'ceuvre hingegen ist das neu ge-
kaufte (für 9000 Lire) Bild „Anbetung der drei
Könige" von Jacopo da Ponte. Dieser große
Künstler wird immer mehr zu Ehren kommen.
Eine Wiederholung dieses Gemäldes befindet
sich in der Corsini-Galerie (Rom); das venezia-
nische Bild stammt aus der zweiten Periode des
Meisters, der naturalistischen. Da Ponte ver-
legt die Szene ins Freie vor einer Strohhütte,
die sich an dem Sockel massiver Säulen an-
lehnt und auf Landschaft Ausblick gewährt.
Alles ist auf kräftige Kontrastwirkung zwischen
hell und dunkel berechnet. Im Vordergrund
kauert die rotgekleidete Maria, die zwei Enden
eines Tuches emporhebt und das nakte Kind
den Hirten zeigt, die teils kniend, teils in ge-
beugter Stellung abgebildet sind. Eine Kuh
berödielt das Bambino, rechts im Vordergrund
eine Ziege mit Knabe, der an der Szene ganz
unbeteiligt ist und sich an einem Feuer zu
schaffen macht. Das ganze Bild hat, im Gegen-
satz zu dem im Saale befindlichen Bassanos,
eine mehr spanische, als venezianisdie Auf-
fassung.
Durch Ankauf „des Engels" von Pier Maria
Pennacchi (für 7000 Lire), der seit Monaten von
Herrn Douglas nach England gebracht wurde
und jetzt in die Accademia kommt, bezweckt
man ein Orgelflügelwerk zu rekonstruieren,
welches der Meister ursprünglich für die S. Maria
Miracoli-Kirche zu Venedig gemalt hatte. Auf
dem ersten Bild bricht ein warm-goldiges Licht
von einem offenen Fenster ein und beleuchtet
von der Rückseite den rothaarigen Engel, welcher
in der Linken eine Lilie hält und die Rechte
wie zum Segen erhebt. So schreitet er Maria
 
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