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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0326

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318 Monatshefte für Kunstwissenschaft

Maler des modernen Lebens gepriesen, heute
vielgerühmt und wenig gekannt wird.
Einen originellen Überblick über das künst-
lerische Schaffen der Frau gab eine Ausstellung
in dem nach Londoner Muster gegründeten
Damenklub „Lyceum France", wo Judith Leyster,
Rosalba Carriera, Fragos Schwägerin Marguerite
Gerard, Prudhons Freundin Constanze Mayer,
Angelika Kauffmann, Mme. Vigee Lebrun, Eva
Gonzales, Berthe Morizot, Marie Bashkirtsheff,
Rosa Bonheur u. a. m. wirkungsvoll für die
Ernstheit weiblichen Kunstschaffens plädierten.
Bei Blot (rue Richepanse) sahen wir eine
größere Anzahl von Werken Daumiers ver-
einigt. Wenn diese Ausstellung auch meist be-
kanntes brachte, so erfreut doch jede Gelegen-
heit, die uns Werke dieses großen Meisters
sehen läßt.
Das Museum Galliera zeigt eine sehr wert-
volle Ausstellung bedruckter Baumwollstoffe,
Erzeugnisse jener Industrie, die, von dem Bayern
Oberkampf in Jouy begründet, zunächst dem
indischen und holländischen handgedruckten
Kattun ein französisches, bald sehr geschmack-
voll und originell entwickeltes Produkt entgegen-
stellte.
Ein sehr witziges und echt pariserisches Aus-
stellungsprojekt planen der bekannte Bibliophile
Paul Gallimard und der Schriftsteller Camille de
Ste. Croix: Sie wollen eine Anzahl von Bildern
zusammenbringen, die seit 1789 von den Jurys
des Salons refüsiert wurden: Corot, Millet, De-
lacroix, Diaz, Decamps, Chasseriau, Courbet,
Barye, Puvis de Chavannes, Manet, Monet und
alle andern Impressionisten werden im Petit
Palais mit ihren Werken gegen die Unfehlbar-
keit der Juroren sprechen.
Von modernen Ausstellungen ist nicht viel
zu berichten: Vuillard bei Bernheim, Thiesson
bei Blot. Wichtiger ist die Societe Nouvelle bei
Petit, in der die hervorragendsten Künstler des
Champ de Mars eine fein gewählte Frühjahrs-
ausstellung bringen. Das Schicksal der Indepen-
dants ist nun wohl endgültig besiegelt, der
Herbstsalon und die Privatsalons haben ihn ge-
tötet: während noch vor wenigen Jahren in den
Treibhäusern an der Seine frisches Leben herrschte,
sind unter den 6700 Bildern von 1908 nur wenige
die etwas Neues zu sagen haben. Der gute alte
Stamm zieht sich zurück, Dilettanten und Akro-
baten behaupten des Feld.
Rudolf Adelbert Meyer.
LONDON - ---—- ——
Im Juli 1905 wurde im Mansion House eine
Versammlung abgehalten, die beschloß, Shake-

speare zum 300jährigen Todestage (1916) ein
würdiges Denkmal in London zu errichten,
worunter man ein architektonisches Monument
inklusive einer Statue verstand. Ein Mr. Badger
nämlich hatte 1000 Pfund für diesen Zweck dem
London County Conncil überreicht, und nun sollte
das große Publikum nicht nur Englands, sondern
aller Länder mobil gemacht werden, um die noch
fehlenden 199000 Pfund Sterling aufzubringen.
Wie in solchen Fällen üblich, wurde auch da-
mals ein „repräsentatives" Komitee ernannt,
dem der Präsident der Royal Academy, Sir
E. Poynter, der Erbauer des neuen Victoria und
Albert Museums, Sir A. Webb, u. a. angehörten.
Als geeigneten Standort dachte man sich da-
mals die Südseite der Themse, die nahe Asso-
ziationen mit Shakespeare und seiner Zeit be-
sitzt. Dieses Komitee arbeitete nun im Stillen
eifrig, sehr eifrig weiter und war am 6. März
1908, also nach fast drei Jahren, so weit ge-
kommen, in einer Versammlung im gleichen
Hause folgende Vorschläge machen zu können:
daß ein großes Architekturmonument inklusive
einer Statue im Park Crescent (nahe dem großen
Regent Park, aber weit ab vom Zentrum Lon-
dons) errichtet werden solle, für das nur Künst-
ler englischsprachiger Lande (also von England
selber bis hinab zu den Falkland Islands in
Südamerika) Entwürfe einreichen dürften, und
zwar immer möglichst zwei zusammen, ein
Architekt und ein Bildhauer (denn wenn jeder
hübsch auf seinem Gebiete bliebe, könne es
doch gar nicht fehlen); ferner, daß die Künstler
zunächst eine kleinere Skizze einreichen sollten,
aus denen dann von einem Komitee sechs zur
engeren Wahl ausgewählt werden würden.
Diese sechs ausgewählten Entwürfe sollten dann
von den betreffenden Künstlern genauer aus-
geführt werden, wofür ihnen ein sogen. „Hono-
rarium" zuteil werden solle. Die Skizzen, und
nun lese und staune man, sollen bis 31. Juli
dieses Jahres, also in vier Monaten höchstens
(denn noch ist ja nichts entschieden), die end-
gültigen Entwürfe aber bis 28. Februar nächsten
Jahres eingereicht werden, damit das Monument
auch noch rechtzeitig im Jahre 1916 zur großen
Shakespearefeier fertig werden könne.1) Und
diese Vorschläge macht das Komitee, das fast
drei Jahre dazu gebraucht hat, um zu diesen,
um es zart zu sagen, seltsamen Entschlüssen zu
kommen! Ein eklatanteres Beispiel, auf welch
unsinnige Weise heutzutage solche Denkmals-

9 Seitdem diese Zeilen geschrieben worden, sind die
Termine mit etwas mehr Einsicht dahin abgeändert worden,
daß man für die erste Skizze den 1. Jan. 1909 als End-
termin festgesetzt hat, während die Zeitgrenze zur Ab-
lieferung der endgültigen Entwürfe zunädist noch unent-
schieden bleibt.F
 
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