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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0327

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Rundschau

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Ausschreibungen zustande kommen, könnte man
wohl kaum finden. Die Komiteemitglieder haben
offenbar sich gar nidit klar gemacht, daß unter
solchen Umständen nur wieder eines der vielen
schrecklichen „Monumente" mehr geschaffen
werden kann, die London allüberall verunzieren.
Schon „schmückt" solch ein Shakespearedenkmal
den Leicesterplatz, auf dem der große Dichter
als kleiner Gernegroß in „dichterischer Attitüde"
mit gekreuzten Beinen dasteht. Soll ein zwei-
tes solches Werk nun seine Manen beleidigen?
Freilich, diesmal will man ja einen Architektur-
rahmen großen Stiles um die Statue herum-
bauen; aber da wird wohl ein zweites Prince
Consort Denkmal daraus werden, als welches
es kein öderes, planloseres, kunstfeindlicheres
Monument auf der ganzen Erde gibt. Und zu
einer solchen Tat fordert man nun Beiträge von
aller Welt! Geben darf jeder, aber was mit
dem Gelde wird, das bestimmt das Komitee,
dem von ausländischen Vertretern nur der ame-
rikanische Botschafter in London attachiert wird,
der, auch recht seltsamerweise, den Bildhauer
auswählen soll, der mit einigen anderen Künstlern
undNichtkünstlern als jurore für die Auswahl jener
sechs Skizzen fungieren wird. All die anderen
Botschafter, Gesandten und wie die Herren des
Corps Diplomatique alle heißen, sie sollen nur
ein Spezialkomitee bilden zum trefflichen Zwecke
des Geldherbeischaffens, denn alle englisch-
sprachigen Lande von England selber bis herab
zu den Falkland Islands dürften, so fürchtet das
Komitee, die gewünschten 200000 Pfund nicht
aufbringen. Also Deutschland, Frankreich usw.
vor! Ich habe diese Denkmalidee und ihre
näheren Umstände hier nur deshalb so aus-
führlich dargestellt, um einmal die historisch
interessante Art, wie heutzutage Kunstaufgaben
ersten Ranges behandelt und vergeben werden,
zu beleuchten (man vergleiche damit die Re-
naissancezeit und ihre Ergebnisse!) und sodann
jedermann ernstlich vor einem Beitrag zu die-
sem so gänzlich unklaren und unverdauten und
künstlerisch wenigstens fast sicher zum Schei-
tern verdammten Plane zu warnen. Wo ist
denn in den englischsprachigen Landen heutzu-
tage überhaupt ein Bildhauer, der eine Statue
Shakespeares, des Dichters würdig schaffen
könnte? Den einen Bildhauer, der symbolisch,
nicht wie es offenbar gewünscht wird realistisch
(d. h. also wohl im spanischen Mantel, Degen,
Schnallenschuhen usw.!), den unerschöpflichen
Kunst- und Kulturinhait, den uns der Name
Shakespeare bedeutet, unseren Augen sichtbar
machen könnte, Rodin, ihn schließt man von
vornherein aus, denn er kann, so meint das
Komitee, als nicht zu einer englischsprachigen

Rasse gehörig, Shakespeares Genius und Dä-
monentum nicht in all seiner Tiefe erfassen.
Ist je das Nationalitätsprinzip engherziger, un-
verständlicher, gefährlicher geübt worden als
hier? Erfreulich bei der ganzen Sache sind nur
zwei Punkte, einmal, daß vorläufig noch kein
Geld vorhanden ist, den Plan zur Wirklichkeit
werden zu lassen, außer wohl jenen 1000 Pfund
und einigen Versprechungen, so von Venedig,
das seinen Schilderer ehren möchte und allzu
leichtfertig dem Komitee vertraut: sodann, daß
zahlreiche einflußreiche Männer in England sel-
ber ihre Stimme gegen diesen Plan erhoben
haben. Die meisten verlangen ein National-
theater, das England und seiner Dramenliteratur
noch immer fehlt, und das auch als Gebäude
ein künstlerisches Monument für den Dichter
werden könnte. Es steht zu hoffen, daß man
ihre Stimme noch hören wird, ehe es zu spät
ist. London braucht kein neues Denkmal, sondern
die Abschaffung zahlreicher alter, und mit Shake-
speares Namen sollte man nicht spielen und
Unfug treiben.
An Ausstellungen hat es im verlaufenen
Monat wieder nicht gemangelt. Die verschie-
denen Gesellschaften und die Kunstsalons wett-
eiferten miteinander, interessante Gerichte auf-
zutischen. Die internationale Gesellschaft der
Maler, Bildhauer und Radierer stieg mit ihrer
als Kunstthema sehr interessanten Ausstellung
„Schöne Frauen" etwas zum Publikum, dem
fashionablen Londoner Kunstpublikum, herab,
woraus allein wohl auch nur der Einschluß
einiger sehr dilettantischer Werke zu erklären
ist. Der Wechsel der Moden in Ausdruck, Ge-
stalt und Kleidung der Frau der letzten 50 Jahre
wird weder historisch noch auch repräsentativ
künstlerisch dargetan, und die interessante Frage,
wer schafft einen bestimmten Frauentyp, der
Maler oder die ganze Zeitstimmung, kann man
hier nur aufwerfen nicht verfolgen. Von Len-
bach ist eines seiner Damenporträts, Lady
Savile, zu sehen, das allerdings für Lenbachs
Damenmalerei typisch genug ist. — Der in
Deutschland wohl momentan best bekannte,
jedenfalls und mit Recht hochgeschätzteste
jüngere englische Künstler, Frank Brangwyn,
hält im Hauptraume der Fine Art Society in
Bond Street, die auch in Bälde ein großes
Werk über seine Radierungen herausgeben wird,
eine „Einmannschau" ab. Man kann da zwei
dekorative Tafeln sehen, die s. Z. zur Aus-
schmückung des britischen Saales auf der Inter-
nationalen Ausstellung in Venedig im Jahre 1907
gedient hatten, und offenbar dem Künstler den
Auftrag zur Dekoration der Halle einer der
alten Londoner Gilden, der Kürschner, einge-
 
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