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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Strzygowski, Josef: Das orientalische Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0033

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Strzygowski. Das orientalische Italien

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seitlich dieselben Stile oben nach außen eingerollt, dazwischen eine fünfblättrige
Palmette.
Es ist hier kein Wort über den mesopotamisch-syrischen Ursprung des Zinnen-
motivs an sich zu verlieren. Die Eigenart der vorliegenden Motive allein weist in
diese Richtung. Die Bogenzinne oben deckt sich mit dem, was wir die phönikische
Palmette nennen1) und ist tatsächlich noch in den syrischen Kirchen des 5. und 6. Jahr-
hunderts überaus häufig, wenn auch zumeist in vereinfachter Form nachweisbar. Sie
findet sich auch an Werken der Kleinkunst, die aus allerhand Gründen mit Syrien in
Beziehung zu setzen sind. Darüber habe ich in meiner Mschatta-Arbeit, S. 277 f., ge-
sprochen. Ebendort S. 285 f. war auch von der so eigenartig in Einzelteile aufgelösten
Akanthuspalmette die Rede, die in Mschatta in den Hohlkehlen sitzt und Analogien
auf sassanidischen Denkmälern hat. Sehr bezeichnend für die Verwandtschaft mit
Mschatta sind ferner die Folgen kleiner Rosetten, die auf dem Türbogen in Cividale
das Weinlaubornament flankieren. Genau die gleichen Vierpässe findet man an der
Fassade aus dem Moab als Randornament, so durchgehends am oberen Rande des
großen Zickzackfrieses2) und ebenso als Bordüre an allen sechsteiligen Rosetten der
unteren Dreiecke.") Es kann für den, der sich in die Ornamente von Mschatta ein-
gelebt hat, kein Zweifel sein, daß die Stuckdekoration von Cividale nicht nur dem-
selben Kunstkreise angehört, sondern womöglich dem Typus nach älter ist. Für
die Schärfe des Formschnittes gibt es bis jetzt Parallelen nur unter den koptischen
Kalksteinskulpturen Ägyptens4) und an der Fassade der Grabeskirche in Jerusalem.5)
Es könnte nun jemand kommen und sagen, unter den Ornamenten von Cividale
fänden sich Motive, die an Mschatta nicht vorkämen, und auch die sechs weiblichen6)
Heiligen neben dem Fenster hätten im Osten keine Analogien. Was den ersten Ein-
wurf anbelangt, so handelt es sich da um die charakteristischen zwei- bzw. dreistreifigen
Bandornamente, die wir so gut aus den Resten der europäischen Funde aus der Völker-
wanderungszeit und in Italien im besonderen aus der Longobardenskulptur kennen:
Cattaneo hat letztere am ausgiebigsten zusammengestellt. An dem Fensterbogen oben,
in der Laibung des Türbogens unten und auf dem Türsturz selbst sind solche Orna-
mente in Streifen verwendet. Am Türsturz begegnet auch die S-Folge, von der
Cattaneo behauptet, sie sei nach dem longobardischen Vorbilde kopiert, das er als
Fig. 40 abbildet. Derart können die Dinge auf den Kopf gestellt werden, solange man
immer Rom oder Byzanz für die einzigen Quellen der Kunstentwicklung hält, und was
dort nicht nadiweisbar ist, eher als die Schöpfung von Barbaren ansieht, als daß
jemandem einfiele, im Oriente danach zu suchen!

9 Perrot et Chipiez Hist, de l'art III, 129 f.

2) Detailskizze Jahrbuch S. 279, Fig. 54.

3) Details auf Tafel X und XI des Jahrbuchs.

4) Vgl. meine „Koptische Kunst", Cat. gen. du musee du Caire, p. 45 f. und 72 f.

5) Orient oder Rom, S. 127f.

6) Vgl. dagegen die Deutung auf nur vier weibliche und zwei männliche Heilige bei
Eitelberger, Mitt. d. C. C. IV, S. 322.
 
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