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Monatshefte für Kunstwissenschaft
graphisch-wissenschaftlichem Interesse. Sie lie-
ßen ihre Arbeiten durch Stich oder Radierung ver-
vielfältigen, um so derartigen Wünschen des
Publikums Rechnung zu tragen. Dabei ist dann
zu beobachten, wie bei den Meistern des 16. Jahr-
hunderts historische oder biblisdie Figuren-
darstellungen noch einen wesentlichen Bestand-
teil ihrer Ruinenansichten ausmachen. So staffiert
M. v. Heemskerck auf dem 1571 von Ph. Galle
gestochenen Blatt seine Zeichnung des Kolosseums
mit Elisa, der Elias' Mantel empfängt, oder viel-
mehr umgekehrt, er staffiert um diese biblische
Szene die Ruinen des Kolosseums herum. Bei
einer anderen Wiedergabe des Kolosseums, die
zu einer Serie der sieben Weltwunder gehört,
bringt er im Vordergrund Kriegsleute zu Pferd
und zu Fuß an, die das Wunder anstaunen. Und
in der Ruine selbst findet vor zahlreichem Pub-
likum der Kampf eines Löwen mit einem Pferde
statt. Bei Hieronymus Cock (1510—1570)
überwiegen die rein topographischen Aufnahmen.
Das gleidieistvon Hendrick van Cleefs (f 1589)
Zeichnungen zu sagen, von der ganz nüchternen
Wiedergabe der Marcus Aurelius-Säule durch
Nicolaesvan Aelst (1526 bis ca. 1614), von den
Blättern PieterSteevens'(1540—1604), Gerrit
Terborchs (1584—1662). Der letzte, der Vater
des berühmten Porträtmalers, ist mit 8 Zeich-
nungen vertreten, die — bis auf eine von 1607 —
alle 1609 datiert sind. Bei einer Reihe anderer
Meister spielt dagegen das Pittoreske der alten,
von Unkraut überwucherten Ruinen, in deren
Mauerwerk sich die helle italienische Sonne
tausendfältig fängt und diese so durch diescharfen
Schatten- und Liditkontraste malerisch belebt,
die größere Rolle. An erster Stelle ist unter
diesen Paulus Bril (1554—1626) zu nennen —
ein Künstler, der sich trotz des ungleichen
Wertes seines umfangreichen Oeuvre doch als
recht guter Landschafter bewährt, beispielsweise
in seinen Fresken im Palazzo Rospiglioso in Rom.
Die große, 1624 datierte Federzeichnung von ihm
(Nr.41) ist durchaus nur um des malerischen Durch-
blickes wegen gemacht. Auf die Wiedergabe des
Kolosseums selber kam es dem Künstler dabei gar
nicht an, oder doch nur sehr in zweiter Linie —
wohl aber spricht daraus ein gewisser Zug zum
Romantischen, den auch noch andere (hier nicht
ausgestellte) Blätter des Prentenkabinets dar-
legen könnten. Derselben auf malerische Wirkung
ausgehenden Absicht verdankt die von Raph.
Sadeler sehr fein nach Bril gestochene Ansicht des
Tempels der Sibylle ihre Entstehung. Ja, Bril strebt
hier mit zeichnerischen Mitteln direkteBildwirkung
an und erreicht sie auch. Von den andern Meistern
gehören zu dieser Gruppe Poelenburg, der
mehr zum Idyllischen neigt; ferner Breenberch,
der in seinen kleinformatigen Serien „Verscheijden
vervallen gebouwen soo binnen als buyten
Romen" von 1640 und „Diversa antiquitatis
vestigia" von 1648 gleichsam Reihen von „Künst-
leransichtskarten" gibt. Auch Thomas Wijck
und Jan Asselyn sind jenen zuzurechnen.
Wieder andere lassen auf den Ruinenstätten,
unbekümmert um die darüber liegende historische
Weihe, lustige Genreszenen aus dem Alltags-
leben sich abspielen. Bei Jan Ossenbeeck
z. B. findet auf den Ruinen des Forums Roma-
num eine Wildsauhatz statt, und die sog. Grotte
von Egeria hat er angefüllt mit dichtgedrängten
Mengen tanzender und zechender Leute.
Unter den späteren Blättern wächst zeit-
weilig die Zahl der mehr nüchternen Ansichts-
wiedergaben; oder aber die Künstler lassen sich
zu stärkeren Übertreibungen in den Licht- und
Schatteneffekten verleiten, wie — um nur einen
gerade heraus zu greifen — Jean Grandjean
(1752—1781) auf seiner Zeichnung des Kolosseums
(Nr. 153). Den Abschluß der interessanten Aus-
stellung bildet eine große Radierung der Engels-
burg von dem 1849 geborenen Elias Stark.
Man kann wohl ohne Einschränkung sagen, daß
dies Blatt künstlerisch weitaus den Höhepunkt
dieser „Ruinenkunst" bedeutet. Man braucht
nur dies Panorama mit Nr. 144, auch einer Dar-
stellung der Engelsburg von ziemlich der gleichen
Stelle aus aufgenommen, von Isaac de Mou-
cheron (1667—1744) zu vergleichen, um zu er-
kennen, was es heißt, als Nordländer unbefangen
die großartige Formenschönheit der antiken Bau-
werke und der sie umgebenden Landschaft
künstlerisch auf sich wirken zu lassen — im
Gegensatz zu jenen Meistern, die entweder in
kleinlicher oder nüchterner Wiedergabe der
Details stecken bleiben, oder aber in Akademis-
mus und Manierismus verfallen, wodurch sie uns
auch ihre figürlichen Darstellungen oft un-
sympathisch machen. Die Ausstellung ist auch
noch insofern interessant, als einmal übersicht-
lich zusammengestellt ist, durch welche und
durch wie viele niederländische Maler die Kennt-
nis der antiken Ruinen den niederländischen
Künstlern vermittelt wurde, die selbst nie den
Boden Italiens betreten haben, deren Phantasie
aus solchen Anregungen aber doch fruchtbaren
Nutzen zog. Ihre Zahl ist nicht gering. Und
zur Illustrierung dieser Wirkung ließe sich aus
ihren Werken vielleicht auch einmal eine charak-
teristische Auswahl, gewissermaßen als Gegen-
stück zu der jetzigen Ausstellung, treffen. Na-
türlich waren das nicht die einzigen, die diesem
Genre ihre Aufmerksamkeit schenkten, auch wei-
tere, wissenschaftlich gebildete Kreise (nicht nur in
den Niederlanden) brachten solchen Ruinendar-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
graphisch-wissenschaftlichem Interesse. Sie lie-
ßen ihre Arbeiten durch Stich oder Radierung ver-
vielfältigen, um so derartigen Wünschen des
Publikums Rechnung zu tragen. Dabei ist dann
zu beobachten, wie bei den Meistern des 16. Jahr-
hunderts historische oder biblisdie Figuren-
darstellungen noch einen wesentlichen Bestand-
teil ihrer Ruinenansichten ausmachen. So staffiert
M. v. Heemskerck auf dem 1571 von Ph. Galle
gestochenen Blatt seine Zeichnung des Kolosseums
mit Elisa, der Elias' Mantel empfängt, oder viel-
mehr umgekehrt, er staffiert um diese biblische
Szene die Ruinen des Kolosseums herum. Bei
einer anderen Wiedergabe des Kolosseums, die
zu einer Serie der sieben Weltwunder gehört,
bringt er im Vordergrund Kriegsleute zu Pferd
und zu Fuß an, die das Wunder anstaunen. Und
in der Ruine selbst findet vor zahlreichem Pub-
likum der Kampf eines Löwen mit einem Pferde
statt. Bei Hieronymus Cock (1510—1570)
überwiegen die rein topographischen Aufnahmen.
Das gleidieistvon Hendrick van Cleefs (f 1589)
Zeichnungen zu sagen, von der ganz nüchternen
Wiedergabe der Marcus Aurelius-Säule durch
Nicolaesvan Aelst (1526 bis ca. 1614), von den
Blättern PieterSteevens'(1540—1604), Gerrit
Terborchs (1584—1662). Der letzte, der Vater
des berühmten Porträtmalers, ist mit 8 Zeich-
nungen vertreten, die — bis auf eine von 1607 —
alle 1609 datiert sind. Bei einer Reihe anderer
Meister spielt dagegen das Pittoreske der alten,
von Unkraut überwucherten Ruinen, in deren
Mauerwerk sich die helle italienische Sonne
tausendfältig fängt und diese so durch diescharfen
Schatten- und Liditkontraste malerisch belebt,
die größere Rolle. An erster Stelle ist unter
diesen Paulus Bril (1554—1626) zu nennen —
ein Künstler, der sich trotz des ungleichen
Wertes seines umfangreichen Oeuvre doch als
recht guter Landschafter bewährt, beispielsweise
in seinen Fresken im Palazzo Rospiglioso in Rom.
Die große, 1624 datierte Federzeichnung von ihm
(Nr.41) ist durchaus nur um des malerischen Durch-
blickes wegen gemacht. Auf die Wiedergabe des
Kolosseums selber kam es dem Künstler dabei gar
nicht an, oder doch nur sehr in zweiter Linie —
wohl aber spricht daraus ein gewisser Zug zum
Romantischen, den auch noch andere (hier nicht
ausgestellte) Blätter des Prentenkabinets dar-
legen könnten. Derselben auf malerische Wirkung
ausgehenden Absicht verdankt die von Raph.
Sadeler sehr fein nach Bril gestochene Ansicht des
Tempels der Sibylle ihre Entstehung. Ja, Bril strebt
hier mit zeichnerischen Mitteln direkteBildwirkung
an und erreicht sie auch. Von den andern Meistern
gehören zu dieser Gruppe Poelenburg, der
mehr zum Idyllischen neigt; ferner Breenberch,
der in seinen kleinformatigen Serien „Verscheijden
vervallen gebouwen soo binnen als buyten
Romen" von 1640 und „Diversa antiquitatis
vestigia" von 1648 gleichsam Reihen von „Künst-
leransichtskarten" gibt. Auch Thomas Wijck
und Jan Asselyn sind jenen zuzurechnen.
Wieder andere lassen auf den Ruinenstätten,
unbekümmert um die darüber liegende historische
Weihe, lustige Genreszenen aus dem Alltags-
leben sich abspielen. Bei Jan Ossenbeeck
z. B. findet auf den Ruinen des Forums Roma-
num eine Wildsauhatz statt, und die sog. Grotte
von Egeria hat er angefüllt mit dichtgedrängten
Mengen tanzender und zechender Leute.
Unter den späteren Blättern wächst zeit-
weilig die Zahl der mehr nüchternen Ansichts-
wiedergaben; oder aber die Künstler lassen sich
zu stärkeren Übertreibungen in den Licht- und
Schatteneffekten verleiten, wie — um nur einen
gerade heraus zu greifen — Jean Grandjean
(1752—1781) auf seiner Zeichnung des Kolosseums
(Nr. 153). Den Abschluß der interessanten Aus-
stellung bildet eine große Radierung der Engels-
burg von dem 1849 geborenen Elias Stark.
Man kann wohl ohne Einschränkung sagen, daß
dies Blatt künstlerisch weitaus den Höhepunkt
dieser „Ruinenkunst" bedeutet. Man braucht
nur dies Panorama mit Nr. 144, auch einer Dar-
stellung der Engelsburg von ziemlich der gleichen
Stelle aus aufgenommen, von Isaac de Mou-
cheron (1667—1744) zu vergleichen, um zu er-
kennen, was es heißt, als Nordländer unbefangen
die großartige Formenschönheit der antiken Bau-
werke und der sie umgebenden Landschaft
künstlerisch auf sich wirken zu lassen — im
Gegensatz zu jenen Meistern, die entweder in
kleinlicher oder nüchterner Wiedergabe der
Details stecken bleiben, oder aber in Akademis-
mus und Manierismus verfallen, wodurch sie uns
auch ihre figürlichen Darstellungen oft un-
sympathisch machen. Die Ausstellung ist auch
noch insofern interessant, als einmal übersicht-
lich zusammengestellt ist, durch welche und
durch wie viele niederländische Maler die Kennt-
nis der antiken Ruinen den niederländischen
Künstlern vermittelt wurde, die selbst nie den
Boden Italiens betreten haben, deren Phantasie
aus solchen Anregungen aber doch fruchtbaren
Nutzen zog. Ihre Zahl ist nicht gering. Und
zur Illustrierung dieser Wirkung ließe sich aus
ihren Werken vielleicht auch einmal eine charak-
teristische Auswahl, gewissermaßen als Gegen-
stück zu der jetzigen Ausstellung, treffen. Na-
türlich waren das nicht die einzigen, die diesem
Genre ihre Aufmerksamkeit schenkten, auch wei-
tere, wissenschaftlich gebildete Kreise (nicht nur in
den Niederlanden) brachten solchen Ruinendar-