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Monatshefte für Kunstwissenschaft
schaft mit zwei weiblichen Figuren: ein im
Wasser stehendes Mädchen, das einen Metall-
kübel auf dem Kopf trägt, und eine Hirtin, die
am Bachesrand sitzt und sich die Füße wäscht.
Beide kommen mit nur geringfügigen Abwei-
chungen als Hauptfiguren auf dem 1907 in Paris
versteigerten Siberechts der Sammlung Sedel-
meyer vor (Kat. Nr. 46). Dieses selbst ist von
Siberechts als Gemälde auf dem Bild in Kopen-
hagen kopiert worden.1)
Die gegenwärtig in Holland veranstalteten
Ausstellungen moderner Kunst sind so
zahlreich, daß man die größte Mühe hat, sie
alle zu besichtigen. Es sind durchweg Sonder-
ausstellungen von Werken holländischer Künst-
ler, von denen ich drei, die im März zu sehen
waren, hervorhebe: Die Willem Maris-
Ausstellung in Amsterdam im Larenschen
Kunsthandel (26 Nummern, darunter zwei sehr
interessante Frühwerke). Zweitens die Kollek-
tion Jan Veth in Leiden (Leidsche Kunst-
vereeniging). Unter all' den meist schon bekannten
Lithographien, die hier gezeigt wurden, ist
W. Bodes Porträt doch ganz entschieden
das feinste. Von den Ölgemälden wirkten zwei
kleine Knabenbildnisse, das einer Dame und
ein lebensgroßes Herrenbild am stärksten. Bei
dem letzten, das den blinden Prof. Lohman dar-
stellt, zeigt sichVeths tiefe Charakterisierungskraft
in besonders hohem Maße. Denn man muß sich
vergegenwärtigen, daß er hier auf die Wieder-
gabe der Augen, in denen sich der innere
Mensch doch am meisten wiederspiegelt, ver-
zichten mußte. In Dordrecht endlich waren 40 Ge-
mälde und Zeichnungen von G. H. Breitner aus-
gestellt.
3 Kurt Freise.
ENTDECKUNG VON 68 UNBEKANN-
TEN BRIEFEN MICHELANGELOS.
Ein bekannter Florentiner Kunstgelehrter
und Archivforscher hat im Archiv der Familie
Rasponi-Spinelli zu Florenz eine Serie von 15
Bänden entdeckt, mit Briefen an Vasari. Unter
diesen befinden sich 68 unedierte Briefe
Michelangelos. Die Adresse des Empfängers
macht diese Briefe besonders wichtig, weil sie
natürlich Auskünfte auf Fragen, welche Vasari
für die Zwecke seiner Lebensbeschreibung des
Meisters an ihn richtete und somit authentische
Aussagen Michelangelos über sich selbst, ent-
9 Hierauf machte mich seinerzeit Herr E. Weiß in Halle
aufmerksam, und dieselbe Beobachtung durch Herrn Mats-
vansky in Wien teilte von Frimmel in seinen Blättern f.
Gemäldekunde mit.
halten werden. Überraschungen werden sie
natürlich nicht enthalten.
Die Entdeckerfreude des Entdeckers bestand
nun darin, von den Besitzern des Schatzes so-
fort höflichst von der weiteren Durchforschung
der wichtigen Dokumente entfernt zu werden;
selbst die Edierung wird ihm nicht belassen,
obwohl er wie nur irgend einer in Italien da-
für der gegebene Forscher war. Vielmehr wer-
den die Besitzer, zwei Grafen Rasponi-Spinelli,
im Verein mit dem comrn. Giuseppe Tomasetti.
der ein hervorragender Gelehrter auf dem Ge-
biete der mittelalterlichen Geschichte ist, aber
der Michelangelo-Forschung völlig fern steht,
die Herausgabe besorgen.
Das Interesse des Fundes ist aber durch die
Bedeutung der Michelangelo - Briefe nicht er-
schöpft. Jene Bände von an Vasari gerichteten
Briefen werden für die Kenntnis von den Quellen
des ersten Geschichtsschreibers der italienischen
Kunst von großer Wichtigkeit sein. Es wäre
darum dringend zu wünschen, daß die Besitzer
des Archives Spinelli diese Serie dem Studium
zunächst ihres Entdeckers und dann der Öffent-
lichkeit überhaupt überließen, sei es in ihrem
eigenen Hause oder im Staatsarchiv von Flo-
renz, dem Brauche vieler alter Familien der
Stadt folgend, welche ihren Besitz an alten Ur-
kunden den reichen und vieldurchsuchten Be-
ständen des Archivio di Stato einverleibt haben.
A. G.
€
AUS DER WERKSTATT EINES
RÖMISCHEN PHOTOGRAPHEN
Domenico Anderson hat sich endlich
entschlossen, einen Generalkatalog seines großen
photographischen Verlages in französischer
Sprache herauszugeben. Er begegnet damit im
wahrsten Sinne des Wortes einem lange ge-
fühlten Bedürfnis. Der Katalog, der so lange
auf sich warten ließ, übertrifft dafür aber auch
die meisten ähnlichen Veranstaltungen. Man
spürt überall, daß er von fachmännischer Hand
angelegt worden ist. Die Anordnung ist klar
und übersichtlich; die Bestimmungen im Ein-
zelnen sind fast immer zutreffend; nur eine
ausführliche Inhaltsübersicht wird schmerzlich
vermißt.
Anderson selbst schickt eine beachtenswerte
Einleitung voraus, in welcher er sich über die
verschiedenen Arten der photographischen Re-
produktion als Fachmann äußert: Silberdrucke
ebenso billig wie nützlich zur Reproduktion,
aber Veränderungen unterworfen und wegen
Monatshefte für Kunstwissenschaft
schaft mit zwei weiblichen Figuren: ein im
Wasser stehendes Mädchen, das einen Metall-
kübel auf dem Kopf trägt, und eine Hirtin, die
am Bachesrand sitzt und sich die Füße wäscht.
Beide kommen mit nur geringfügigen Abwei-
chungen als Hauptfiguren auf dem 1907 in Paris
versteigerten Siberechts der Sammlung Sedel-
meyer vor (Kat. Nr. 46). Dieses selbst ist von
Siberechts als Gemälde auf dem Bild in Kopen-
hagen kopiert worden.1)
Die gegenwärtig in Holland veranstalteten
Ausstellungen moderner Kunst sind so
zahlreich, daß man die größte Mühe hat, sie
alle zu besichtigen. Es sind durchweg Sonder-
ausstellungen von Werken holländischer Künst-
ler, von denen ich drei, die im März zu sehen
waren, hervorhebe: Die Willem Maris-
Ausstellung in Amsterdam im Larenschen
Kunsthandel (26 Nummern, darunter zwei sehr
interessante Frühwerke). Zweitens die Kollek-
tion Jan Veth in Leiden (Leidsche Kunst-
vereeniging). Unter all' den meist schon bekannten
Lithographien, die hier gezeigt wurden, ist
W. Bodes Porträt doch ganz entschieden
das feinste. Von den Ölgemälden wirkten zwei
kleine Knabenbildnisse, das einer Dame und
ein lebensgroßes Herrenbild am stärksten. Bei
dem letzten, das den blinden Prof. Lohman dar-
stellt, zeigt sichVeths tiefe Charakterisierungskraft
in besonders hohem Maße. Denn man muß sich
vergegenwärtigen, daß er hier auf die Wieder-
gabe der Augen, in denen sich der innere
Mensch doch am meisten wiederspiegelt, ver-
zichten mußte. In Dordrecht endlich waren 40 Ge-
mälde und Zeichnungen von G. H. Breitner aus-
gestellt.
3 Kurt Freise.
ENTDECKUNG VON 68 UNBEKANN-
TEN BRIEFEN MICHELANGELOS.
Ein bekannter Florentiner Kunstgelehrter
und Archivforscher hat im Archiv der Familie
Rasponi-Spinelli zu Florenz eine Serie von 15
Bänden entdeckt, mit Briefen an Vasari. Unter
diesen befinden sich 68 unedierte Briefe
Michelangelos. Die Adresse des Empfängers
macht diese Briefe besonders wichtig, weil sie
natürlich Auskünfte auf Fragen, welche Vasari
für die Zwecke seiner Lebensbeschreibung des
Meisters an ihn richtete und somit authentische
Aussagen Michelangelos über sich selbst, ent-
9 Hierauf machte mich seinerzeit Herr E. Weiß in Halle
aufmerksam, und dieselbe Beobachtung durch Herrn Mats-
vansky in Wien teilte von Frimmel in seinen Blättern f.
Gemäldekunde mit.
halten werden. Überraschungen werden sie
natürlich nicht enthalten.
Die Entdeckerfreude des Entdeckers bestand
nun darin, von den Besitzern des Schatzes so-
fort höflichst von der weiteren Durchforschung
der wichtigen Dokumente entfernt zu werden;
selbst die Edierung wird ihm nicht belassen,
obwohl er wie nur irgend einer in Italien da-
für der gegebene Forscher war. Vielmehr wer-
den die Besitzer, zwei Grafen Rasponi-Spinelli,
im Verein mit dem comrn. Giuseppe Tomasetti.
der ein hervorragender Gelehrter auf dem Ge-
biete der mittelalterlichen Geschichte ist, aber
der Michelangelo-Forschung völlig fern steht,
die Herausgabe besorgen.
Das Interesse des Fundes ist aber durch die
Bedeutung der Michelangelo - Briefe nicht er-
schöpft. Jene Bände von an Vasari gerichteten
Briefen werden für die Kenntnis von den Quellen
des ersten Geschichtsschreibers der italienischen
Kunst von großer Wichtigkeit sein. Es wäre
darum dringend zu wünschen, daß die Besitzer
des Archives Spinelli diese Serie dem Studium
zunächst ihres Entdeckers und dann der Öffent-
lichkeit überhaupt überließen, sei es in ihrem
eigenen Hause oder im Staatsarchiv von Flo-
renz, dem Brauche vieler alter Familien der
Stadt folgend, welche ihren Besitz an alten Ur-
kunden den reichen und vieldurchsuchten Be-
ständen des Archivio di Stato einverleibt haben.
A. G.
€
AUS DER WERKSTATT EINES
RÖMISCHEN PHOTOGRAPHEN
Domenico Anderson hat sich endlich
entschlossen, einen Generalkatalog seines großen
photographischen Verlages in französischer
Sprache herauszugeben. Er begegnet damit im
wahrsten Sinne des Wortes einem lange ge-
fühlten Bedürfnis. Der Katalog, der so lange
auf sich warten ließ, übertrifft dafür aber auch
die meisten ähnlichen Veranstaltungen. Man
spürt überall, daß er von fachmännischer Hand
angelegt worden ist. Die Anordnung ist klar
und übersichtlich; die Bestimmungen im Ein-
zelnen sind fast immer zutreffend; nur eine
ausführliche Inhaltsübersicht wird schmerzlich
vermißt.
Anderson selbst schickt eine beachtenswerte
Einleitung voraus, in welcher er sich über die
verschiedenen Arten der photographischen Re-
produktion als Fachmann äußert: Silberdrucke
ebenso billig wie nützlich zur Reproduktion,
aber Veränderungen unterworfen und wegen