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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0336

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328

Monatshefte für Kunstwissenschaft

machen den eigentlichen Wert des Bandes aus.
Bei den Bestimmungen sind in zahlreichen
Fällen Angaben Max J. Friedländers verwertet
worden. Von den abgebildeten Frühwerken
fesselt besonders die durch ihre Aufbewahrungs-
stelle (Buckingham Palace) sonst kaum zugäng-
liche Böhmische Madonna, von Szenen aus
dem Marienleben auf dem Rahmen umgeben:
die etwas schwammigen weichen Gesichter, der
feuchte Blick der beiden Hauptfiguren betonen
einen durchaus örtlich und persönlich bedingten,
von der gleichzeitigen französischen und ita-
lienischen Kunst wenig abhängigen Charakter.
— Der frühen Kölner Schule wird meistens der
1429 gestiftete Pallantaltar zugerechnet, von dem
zwei Täfelchen aus der Sammlung Donaldson
ausgestellt waren. Die Individualisierung der
Gesichter geht hier über eine allgemeine Süßig-
keit nicht hinaus; besonders hübsch ist die
Szene der Verlobung der hl. Katharina — auf
jeden Hofstaat verzichtend steckt der etwa fünf-
jährige, mit einfachem Kittel bekleidete Junge
der träumerisch dasitzenden Prinzessin den Ring
an den Finger. Ein echtes Werk des Bartolo-
mäusmeisters ist die Kreuzabnahme der Temple-
Newsam-Sammlung (Hon. E. Wood): von zitternd
nervösem Leben erfüllt, freilich die Gestalten
auch fast in musikalische Noten auflösend. So
wirkt der kühne Kletterer auf der Leiter fast
wie ein hüpfender Frosch, die Finger Maria
Magdalenas gleichen Spinnenfüßen. Besonders
reichlich ist die westfälische Schule vertreten.
Die unter dem seltsamen, aus der Inschrift
„Nazarenus" entstandenen Namen „Jarenus" be-
kannte blumig buntfarbige Beweinung Christi
aus Wilton House ist freilich nicht abgebildet,
da schon in der von Captain Wilkinson heraus-
gegebenen Publikation der Pembroke-Sammlung
enthalten; auch wird sie ja neuerdings von
Friedländer der Nürnberger Schule des 15. Jahr-
hunderts zugewiesen. Ein echt westfälisches
Stück aber ist der Flügel mit der Kreuzschlep-
pung aus der Sammlung Hughes of Kinmel; in
der Komposition nicht sehr belebt, hat dieses
Werk des auch in Berlin gut vertretenen Meisters
von Schöppingen durch den vergeistigt gespann-
ten Ausdruck der Gruppe unmittelbar hinter
dem Kreuze und durch die weiche feine Hügel-
landschaft viel gewinnendes. Dem Johann Kör-
becke von Münster wird eine Darbringung im
Tempel (H. Wagner) zugeschrieben: klotzige
Figuren in steifem symmetrischen Aufbau, die
eckig geschnittenen Gesichter von echt west-
fälischem trotzig ruhenden Selbstbewußtsein er-
füllt. Ein künstlerisch viel höher stehendes
Werk ist die reich und gewandt bewegte Kreu-
zigung aus dem Besitz von Sulley in London;

die Beziehung der westfälischen zur holländi-
schen Kunst wird hier so deutlich wie sonst
selten. Außer den von Friedländer hier zitierten
Straßburger Bildern kommt besonders die mit
der Münchener Sammlung Hoech als „Engelbrecht-
sen" verkaufte, dann in den Besitz von Albert
Langen ebendort übergegangene Tafel „Abraham
und Melchisedek" für den Vergleich in Betracht.
Nach Westfalen wird in England auch der durch
die Düsseldorfer Ausstellung von 1904 bekannt
gewordene„Niederrheinische Meister von 1510"
versetzt, dessen gewaltiger Aachener Kreuzi-
gungsaltar bei mancher Ungleichheit und Un-
sicherheit doch an manchen Stellen Menzelsche
Beobaditungssdiärfe mit Grünewaldschem Ge-
bärdenschwung und Grünewaldscher Farbentiefe
vereinigt. Im Klub waren die Liverpooler Flügel
mit der Handwaschung des Pilatus und der Be-
weinung Christi ausgestellt, ganz wie die zuge-
hörige Kreuzigung der Londoner Nationalgalerie
sind sie dem Aachener Werk aufs deutlichste
verwandt, aber erheblich unterlegen, Mit Recht
wird den Brüdern Dünwegge ein in seinem frag-
mentierten Zustand besonders verworren wir-
kendes Bruchstück der Kreuzigung, aus dem
Besitz des Herzogs von Norfolk, gegeben: das
gierige Greifen nach allem Lebendigen rächt sich
bei dem äußerst eindringlich gemalten Stück in
den aufgerissenen Augen und den fakirhaft
verrenkten Armen. — Von den mannigfachen
Stücken, die unter Dürers Namen ausgestellt
waren und abgebildet sind, wird wohl nur das
längst bekannte Brustbild eines jungen deutschen
Kaufherrn in Venedig, der auch auf dem Prager
Rosenkranzfest vorkommt (aus königlichem Be-
sitz) ungeteilte Freude wecken: es ist so gut,
scharf und unbefangen, wie Dürers beste Zeich-
nungen. Der Salvator Mundi (C. Fairfax Murray)
mag einmal echt gewesen sein; was dabei her-
auskommt, wenn ein unvollendetes altes Werk
im 19. Jahrhundert „fertig gemalt" und dann
wieder von diesen Übermalungen befreit wird,
wird wohl jeder leicht denken können. Dürers
Trabant Schäuffelin ist durch das, wie fast alle
Temperabilder auf Leinwand arg stumpfgewor-
dene, aber edel und frei gezeichnete „Glücksrad"
(Herzog von Devonshire) im ganzen glücklich
vertreten. Von den beiden Baldung-Porträts
ist gerade das weniger sichere, etwas flache
und kalte eines jungen Mannes (Sir George
Donaldson) abgebildet. Holbeins Schatten war
von der Ausstellung auch durch die absichtliche
Enthaltsamkeit ihrer Leiter nicht ganz fernzu-
halten. Gewichtige Stimmen sprachen dafür,
das durch die unnachahmlich gerundete Model-
lierung verblüffende Halbfigurenbild einer Frau
in Gelb (Sir Frederick Cook) dem großen Haus
 
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