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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Jusepe Ribera (Lo Spagnoletto). Von
August L. Mayer. Mit 59 Abbildungen in Licht-
druck auf 43 Tafeln. Leipzig, Karl W. Hierse-
mann. 1908.
Auf seine vielversprechende Doktordisser-
tation hat der hochbegabte Verfasser in wenigen
Monaten, leider viel zu rasch, einen fast zwei-
hundert Seiten starken Band über den gleichen
Gegenstand folgen lassen und sich mit der ver-
schwenderischen Freigebigkeit der Jugend selbst
um einen schönen wissenschaftlichen Erfolg be-
trogen. Glänzende Resultate ernstester Forschung
verschwinden unter einem Spreuhaufen von Phra-
sen, und die stark vernachlässigte Form wetteifert
mit falschen Vergleichen und unzutreffender Cha-
rakteristik. Das Beste an dem Buch ist die Monu-
menten-Kenntnis, aber sicherlich ' nicht das einzig
Gute. Gleich der erste Satz: „Das größte Stief-
kind der Kunstgeschichte ist die spanische Ma-
lerei" erregt Mißbehagen und Widerspruch.
Wo bleibt Justis Velazquez? Die Ableitung von
Riberas und auch Ribaltas Kunststil von Parma
und Paul Veronese scheint mir nicht richtig,
jedenfalls nicht erwiesen. Auch von „düsteren
Valenzianern" dürfte man so allgemein wohl
nicht sprechen. Wenn auch in den Augen der
Modernen das Tenebroso als schwerwiegender
Vorwurf gilt, so hat ein Meister des Kolorits
wie Ribera nicht nötig, für den Pleinairismus
gerettet zu werden. An der Hand der Chrono-
logie zeigt uns der Verfasser den Weg dieser
künstlerischen Entwickelung, ein breites Licht
in die Neapolitanische Kunstgeschichte des
17. Jahrhunderts hineinwerfend. Sehr dankens-
wert sind auch die Tabellen am Schluß des
Werkes. Ein Inhaltsverzeichnis werde ich wohl
nicht allein vermissen. Über die flauen Licht-
drucke auf fingerdickem Papier weiß ich nichts
Erfreuliches zu sagen. V. v. L.
g
Friedrich Perzynski: Vortrag über den
japanischen Farbenholzschnitt, gehalten
in der Bremer Kunsthalle am 14. Oktober 1907.
Franz Leuwer, Bremen, 1908.
Okakuro Kakuzo: Moderne Probleme
der Malerei. ^Vortrag, gehalten auf dem
Kongreß von St. Louis, 1904. Verlag von
Walter G. Mühlau, Kiel, 1907.
Beide Vorträge sind nur kurz. In dem ersten
plaudert Perzynski in fein abgewogenen und
schön gesetzten Worten über den japanischen
Holzschnitt. Er will nichts Neues sagen, will
weder dem, was er selbst in seinem kleinen
Buche niedergelegt hat, noch den Forschungen
Seidlitzens, Stranges, Tei-Sans, Kurths und
Münsterbergs etwas hinzufügen. Er will nur
einem größeren Publikum Interesse und Ver-
ständnis einflößen. Das wird er wohl erreicht
haben. Hier und da fällt auch ein interessantes
Wort. So nennt er das Ukioyoye „eine Heimat-
kunst par excellence". Man denke, was wir
unter diesem Worte zu verstehen pflegen.
Dasselbe sollen für Japan die Kunstschulen be-
deuten, die sich fast ausschließlich mit der Frau,
mit der Courtisane, mit der Geisha, mit dem
Schauspieler beschäftigen. Oder er charakteri-
siert das Neue der Hiroshigeschen Landschafts-
kunst mit folgenden Worten, die sich übrigens
nicht ganz mit den wirklichen Verhältnissen
decken möchten: „Hiroshige lockert die frisierte
Natur der aristokratischen Malergilde zu einem
lebendigen Sein auf, in dem die Elemente, statt
zu deklamieren, mit Donnerworten sprechen."
Im allgemeinen scheint mir Perzynski den
japanischen Holzschnitt zu hoch zu werten und
vieles als Errungenschaft des Ukiyoye hinzu-
stellen, was eine frühere Zeit und andere Schulen
schufen.
Ganz besonders schön ist die Ausstattung —
der Druck, das Format, das Papier, die Raum-
verteilung — die nach Angabe von Alfred
Walther von Heymel hergestellt wurde.
Der zweite Vortrag wurde von einem Ja-
paner auf dem Kongreß von St. Louis im Jahre
1904 in englischer Sprache gehalten, von Oka-
kuro Kakuzo, dem Vizepräsidenten der Gesell-
schaft japanischer Maler. Es kann gar nicht
genug betont werden, wie wichtig es für uns
ist, Worte von gelehrten und feinsinnigen
Japanern über ihre Kunst zu hören. Immer
wieder müssen die Japanologen und die spra-
chenkundigen Japaner darauf hingewiesen wer-
den, wichtige Arbeiten zur Kunst aus allen
Zeiten zu übersetzen. Denn der europäische
und amerikanische Kunsthistoriker wird wohl
nur in den seltensten Fällen die Zeit finden,
Werke seines Faches in japanischer Sprache
wirklich durchzuarbeiten. Er kann zufrieden
sein, wenn er die japanische Umgangssprache
so weit beherrscht, daß er sich im Lande selbst
zurechtfindet, und die japanische Schrift mit
1500 Buchstaben, um einen leichten Zeitungs-
artikel zu verstehen. Aber auch noch die völlig
andere Schriftsprache und 10 000 Charaktere
zum Lesen eines wissenschaftlichen Buches in
sich aufzunehmen, das ist von ihm kaum zu
verlangen.
Auch der kurze Vortrag Kakuzos gibt uns
lehrreiche Aufklärungen über die japanische
Denkweise im allgemeinen, wie über die japa-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Jusepe Ribera (Lo Spagnoletto). Von
August L. Mayer. Mit 59 Abbildungen in Licht-
druck auf 43 Tafeln. Leipzig, Karl W. Hierse-
mann. 1908.
Auf seine vielversprechende Doktordisser-
tation hat der hochbegabte Verfasser in wenigen
Monaten, leider viel zu rasch, einen fast zwei-
hundert Seiten starken Band über den gleichen
Gegenstand folgen lassen und sich mit der ver-
schwenderischen Freigebigkeit der Jugend selbst
um einen schönen wissenschaftlichen Erfolg be-
trogen. Glänzende Resultate ernstester Forschung
verschwinden unter einem Spreuhaufen von Phra-
sen, und die stark vernachlässigte Form wetteifert
mit falschen Vergleichen und unzutreffender Cha-
rakteristik. Das Beste an dem Buch ist die Monu-
menten-Kenntnis, aber sicherlich ' nicht das einzig
Gute. Gleich der erste Satz: „Das größte Stief-
kind der Kunstgeschichte ist die spanische Ma-
lerei" erregt Mißbehagen und Widerspruch.
Wo bleibt Justis Velazquez? Die Ableitung von
Riberas und auch Ribaltas Kunststil von Parma
und Paul Veronese scheint mir nicht richtig,
jedenfalls nicht erwiesen. Auch von „düsteren
Valenzianern" dürfte man so allgemein wohl
nicht sprechen. Wenn auch in den Augen der
Modernen das Tenebroso als schwerwiegender
Vorwurf gilt, so hat ein Meister des Kolorits
wie Ribera nicht nötig, für den Pleinairismus
gerettet zu werden. An der Hand der Chrono-
logie zeigt uns der Verfasser den Weg dieser
künstlerischen Entwickelung, ein breites Licht
in die Neapolitanische Kunstgeschichte des
17. Jahrhunderts hineinwerfend. Sehr dankens-
wert sind auch die Tabellen am Schluß des
Werkes. Ein Inhaltsverzeichnis werde ich wohl
nicht allein vermissen. Über die flauen Licht-
drucke auf fingerdickem Papier weiß ich nichts
Erfreuliches zu sagen. V. v. L.
g
Friedrich Perzynski: Vortrag über den
japanischen Farbenholzschnitt, gehalten
in der Bremer Kunsthalle am 14. Oktober 1907.
Franz Leuwer, Bremen, 1908.
Okakuro Kakuzo: Moderne Probleme
der Malerei. ^Vortrag, gehalten auf dem
Kongreß von St. Louis, 1904. Verlag von
Walter G. Mühlau, Kiel, 1907.
Beide Vorträge sind nur kurz. In dem ersten
plaudert Perzynski in fein abgewogenen und
schön gesetzten Worten über den japanischen
Holzschnitt. Er will nichts Neues sagen, will
weder dem, was er selbst in seinem kleinen
Buche niedergelegt hat, noch den Forschungen
Seidlitzens, Stranges, Tei-Sans, Kurths und
Münsterbergs etwas hinzufügen. Er will nur
einem größeren Publikum Interesse und Ver-
ständnis einflößen. Das wird er wohl erreicht
haben. Hier und da fällt auch ein interessantes
Wort. So nennt er das Ukioyoye „eine Heimat-
kunst par excellence". Man denke, was wir
unter diesem Worte zu verstehen pflegen.
Dasselbe sollen für Japan die Kunstschulen be-
deuten, die sich fast ausschließlich mit der Frau,
mit der Courtisane, mit der Geisha, mit dem
Schauspieler beschäftigen. Oder er charakteri-
siert das Neue der Hiroshigeschen Landschafts-
kunst mit folgenden Worten, die sich übrigens
nicht ganz mit den wirklichen Verhältnissen
decken möchten: „Hiroshige lockert die frisierte
Natur der aristokratischen Malergilde zu einem
lebendigen Sein auf, in dem die Elemente, statt
zu deklamieren, mit Donnerworten sprechen."
Im allgemeinen scheint mir Perzynski den
japanischen Holzschnitt zu hoch zu werten und
vieles als Errungenschaft des Ukiyoye hinzu-
stellen, was eine frühere Zeit und andere Schulen
schufen.
Ganz besonders schön ist die Ausstattung —
der Druck, das Format, das Papier, die Raum-
verteilung — die nach Angabe von Alfred
Walther von Heymel hergestellt wurde.
Der zweite Vortrag wurde von einem Ja-
paner auf dem Kongreß von St. Louis im Jahre
1904 in englischer Sprache gehalten, von Oka-
kuro Kakuzo, dem Vizepräsidenten der Gesell-
schaft japanischer Maler. Es kann gar nicht
genug betont werden, wie wichtig es für uns
ist, Worte von gelehrten und feinsinnigen
Japanern über ihre Kunst zu hören. Immer
wieder müssen die Japanologen und die spra-
chenkundigen Japaner darauf hingewiesen wer-
den, wichtige Arbeiten zur Kunst aus allen
Zeiten zu übersetzen. Denn der europäische
und amerikanische Kunsthistoriker wird wohl
nur in den seltensten Fällen die Zeit finden,
Werke seines Faches in japanischer Sprache
wirklich durchzuarbeiten. Er kann zufrieden
sein, wenn er die japanische Umgangssprache
so weit beherrscht, daß er sich im Lande selbst
zurechtfindet, und die japanische Schrift mit
1500 Buchstaben, um einen leichten Zeitungs-
artikel zu verstehen. Aber auch noch die völlig
andere Schriftsprache und 10 000 Charaktere
zum Lesen eines wissenschaftlichen Buches in
sich aufzunehmen, das ist von ihm kaum zu
verlangen.
Auch der kurze Vortrag Kakuzos gibt uns
lehrreiche Aufklärungen über die japanische
Denkweise im allgemeinen, wie über die japa-