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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Die Bandornamentik ist im Kreise der Mittelmeerkunst mesopotamischen Ur-
sprunges.1) Vom Euphrat und Tigris wandert sie den südlichen Weg mit den Paviment-
mosaiken, den nördlichen mit der asiatischen Kleinkunst nach dem Westen. Was die
germanischen Völker an Ornamenten nach dem Süden mitbringen und was dort auf
Grund heimischer Anklänge rezipiert wird, geht zum guten Teil auf orientalische An-
regungen zurück. In Cividale steht die mesopotamische Wurzel, nach der die Kunst-
wissenschaft im 20. Jahrhundert mit der größten Hingabe suchen muß, in einem erhal-
tenen Beispiele leibhaftig vor uns. Die Bandornamente zählen hier in zweiter Linie; an
einem Hauptbeispiel der frühen persisch-islamischen Kunst, dem in Bagdad gearbeiteten
Minbar von Kairuan, sind sie derart herrschend, daß eine ins einzelne gehende Mono-
graphie über dieses wertvollste Denkmal der Kunstentwicklung im ersten Jahrtausend
uns in einer Weise über den Sachverhalt belehren wird, die für die Zukunft jeden
Zweifel ausschließen dürfte.2) Das Vorkommen der S-Folge in Cividale hat seine
Parallelen in den Ornamentbändern der ältesten vom Osten vordringenden Malereien
und Mosaiken, die es meist als Streifenornament verwenden, während schon die alt-
orientalische Kunst in Ägypten sowohl wie in Vorderasien und der mykenäischen Mittel-
meerkunst es flächenfüllend benutzt haben.8)
Und nun die sechs Heiligenfiguren. Sie stehen nicht vereinzelt. Ihre Parallelen
sind in dem Vororte von Antiochia auf italienischem Boden, in Ravenna, zu finden.
Es sind die Frauen der Prozession an der Oberwand von S. Apollinare nuovo und die
Heiligenfiguren in Stuck an der Oberwand von S. Giovanni in Fonte, die das Feld
einer vergleichenden Untersuchung eröffnen — vorläufig. Genauere Forschungen werden
über das Gebiet der byzantinischen Elfenbeinplastik auf die hellenistischen Vorbilder
des Orients führen.
II. Die koptische Truhe von Terracina.
Das Domkapitel von Terracina bewahrt eine Holztruhe, die 1906 auf der byzan-
tinischen Ausstellung von Grottaferrata längere Zeit in der Nähe Roms zu sehen war..
Erst da hatte ich Gelegenheit, das bekannte Stück genauer zu besichtigen. Von der
Arbeit an den koptischen Altertümern herkommend, machte mir ein Blick auf gewisse
technische Details wahrscheinlich, daß das an sich fremdartige Denkmal vom Nil aus
an den Golf von Gaeta gelangt sei.
Die Vorderseite (Abb. 8) zeigt unten fünf Arkaden, oben vier, die einen kleineren
Bogen in die Mitte nehmen; über ihm der Platz für das Schloß. Kapitell und Basis der
, Vgl. meine Besprechungen von Salin, Die altgermanische Tierornamentik in der
„Deutschen Literaturzeitung" 1905 Sp. 2896f. und von Hampel, „Die Kunst des Mittelalters in
Ungarn", Monatshefte der kunstwiss. Literatur I (1905), S. 254.
2) Vgl. Zeitschrift für bildende Kunst VIII (1907), S. 386f.
") Vgl. Owen Jones, Grammar of ornament pl. X f., Perrot et Chipiez, Histoire VI passim.
4) Munoz, L'art byzantin ä l'exposition de Grottaferrata p. 182 f. Baldoria gibt die Maße
im Ardiivio storico dell' arte II, 242 mit 1,05x0,67 x0,58 m an.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Die Bandornamentik ist im Kreise der Mittelmeerkunst mesopotamischen Ur-
sprunges.1) Vom Euphrat und Tigris wandert sie den südlichen Weg mit den Paviment-
mosaiken, den nördlichen mit der asiatischen Kleinkunst nach dem Westen. Was die
germanischen Völker an Ornamenten nach dem Süden mitbringen und was dort auf
Grund heimischer Anklänge rezipiert wird, geht zum guten Teil auf orientalische An-
regungen zurück. In Cividale steht die mesopotamische Wurzel, nach der die Kunst-
wissenschaft im 20. Jahrhundert mit der größten Hingabe suchen muß, in einem erhal-
tenen Beispiele leibhaftig vor uns. Die Bandornamente zählen hier in zweiter Linie; an
einem Hauptbeispiel der frühen persisch-islamischen Kunst, dem in Bagdad gearbeiteten
Minbar von Kairuan, sind sie derart herrschend, daß eine ins einzelne gehende Mono-
graphie über dieses wertvollste Denkmal der Kunstentwicklung im ersten Jahrtausend
uns in einer Weise über den Sachverhalt belehren wird, die für die Zukunft jeden
Zweifel ausschließen dürfte.2) Das Vorkommen der S-Folge in Cividale hat seine
Parallelen in den Ornamentbändern der ältesten vom Osten vordringenden Malereien
und Mosaiken, die es meist als Streifenornament verwenden, während schon die alt-
orientalische Kunst in Ägypten sowohl wie in Vorderasien und der mykenäischen Mittel-
meerkunst es flächenfüllend benutzt haben.8)
Und nun die sechs Heiligenfiguren. Sie stehen nicht vereinzelt. Ihre Parallelen
sind in dem Vororte von Antiochia auf italienischem Boden, in Ravenna, zu finden.
Es sind die Frauen der Prozession an der Oberwand von S. Apollinare nuovo und die
Heiligenfiguren in Stuck an der Oberwand von S. Giovanni in Fonte, die das Feld
einer vergleichenden Untersuchung eröffnen — vorläufig. Genauere Forschungen werden
über das Gebiet der byzantinischen Elfenbeinplastik auf die hellenistischen Vorbilder
des Orients führen.
II. Die koptische Truhe von Terracina.
Das Domkapitel von Terracina bewahrt eine Holztruhe, die 1906 auf der byzan-
tinischen Ausstellung von Grottaferrata längere Zeit in der Nähe Roms zu sehen war..
Erst da hatte ich Gelegenheit, das bekannte Stück genauer zu besichtigen. Von der
Arbeit an den koptischen Altertümern herkommend, machte mir ein Blick auf gewisse
technische Details wahrscheinlich, daß das an sich fremdartige Denkmal vom Nil aus
an den Golf von Gaeta gelangt sei.
Die Vorderseite (Abb. 8) zeigt unten fünf Arkaden, oben vier, die einen kleineren
Bogen in die Mitte nehmen; über ihm der Platz für das Schloß. Kapitell und Basis der
, Vgl. meine Besprechungen von Salin, Die altgermanische Tierornamentik in der
„Deutschen Literaturzeitung" 1905 Sp. 2896f. und von Hampel, „Die Kunst des Mittelalters in
Ungarn", Monatshefte der kunstwiss. Literatur I (1905), S. 254.
2) Vgl. Zeitschrift für bildende Kunst VIII (1907), S. 386f.
") Vgl. Owen Jones, Grammar of ornament pl. X f., Perrot et Chipiez, Histoire VI passim.
4) Munoz, L'art byzantin ä l'exposition de Grottaferrata p. 182 f. Baldoria gibt die Maße
im Ardiivio storico dell' arte II, 242 mit 1,05x0,67 x0,58 m an.