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Monatshefte für Kunstwissenschaft
angekauft worden ist. Auch hier ist das rein
künstlerische wieder merkwürdig weit fortge-
schritten, auch technisch steht sie höher als jene
Tassen. Aber die Masse ist ganz genau die-
selbe, wie bei jenen: sie ist wieder ganz gelb-
lich und durchscheinend und ebensowenig kom-
pakt. Kein Mensch würde dies Stück zunächst
für „Porzellan" halten und doch kann es wieder-
um nur, weil es durchscheinend aber nicht härt
ist, ein Frittenporzellan sein.
Aus allen diesen Stücken aber dürfte her-
vorgehen, daß, da diese künstlerisch schon ziem-
lich vorgeschritten sind, die Fabrik von
Rudolstadt doch beträchtliche Zeit ein Fritten-
porzellan produziert haben muß.
E. Zimmermann.
ITALIENISCHER KUNSTSCHMUGGEL.
Von Zeit zu Zeit geht durch die italienische
Presse ein Schrei der Entrüstung über heimlichen
Export von Kunstwerken ersten Ranges. Von
Seiten der Regierung wird alsdann versichert,
daß die Schuldigen wegen ihrer Verletzung des
gesetzlichen Ausfuhrverbotes zur Verantwor-
tung gezogen werden sollen, man hört aber
nie davon, daß dies in Wirklichkeit geschehen
ist. Jetzt handelt es sich wieder einmal um
einen solchen Fall: die Madonna der Luca
Signorelli, die sich im Palazzo Man-
cini in Cittä di Castello befand, ist in der
National-Gallery in London aufgetaucht;
alle zuständigen Behörden wußten nichts von
ihrem Flug über die Alpen. Das Bild, das
seinerzeit in einem Keller in Montone entdeckt
wurde, ist signiert und 1515 datiert und dadurch
natürlich besonders wichtig.1)
Angesichts dieses chronischen Zustandes von
Gesetzesverletzung ist es nun sehr bemerkens-
wert, wie ein sachverständiger Beurteiler, J. W.
Palmarini, Sekretär der „Ufficio per l'esporta-
zione degli oggetti d'Arte" zu Florenz, sich in
der letzten Nummer des „Marzocco" über die
für Italien so wichtige Angelegenheit äußert.
Eine Zahl möchte da zuerst hervorgehoben
werden; ihm Jahre 1907 wurden alte künst-
lerische Erzeugnisse im Werte von sage und
schreibe nur 162740 Lire dem Ausfuhramt von
Florenz vorgelegt. Wer da weiß, daß Florenz
die Zentrale des italienischen Kunsthandels ist
und aus Verfolgung der Ankäufe der Galerien
und der Privaten sich ein ungefähres Bild da-
von gemacht hat, wie hoch in Wahrheit sich
9 Wie sich nachträglich ergeben hat, ist das Bild doch
mit Erlaubnis des Ausfuhramtes und zwar desjenigen in
Rom exportiert worden.
die Werte der exportierten Gegenstände be-
laufen, dem ist klar, daß jene Summe vielleicht
den hundertsten Teil des effektiven Exportes
bedeutet, und daß das Gesetz in ungeheuer-
licher und öffentlicher Weise übertreten wird.
Daß dem aber so ist, daß das stumme Zusehen
der Behörden konstant geworden ist, das ist
nur die natürliche Folge der maßlosen Lasten,
die das Gesetz dem Verkäufer auferlegt und
der Ungerechtigkeit, die darin liegt, jemandem
die Veräußerung seines Besitzes überhaupt zu
verbieten, ohne daß der Staat bereit ist, auch
nur zu einem halbwegs der heutigen Lage des
Kunstmarktes entsprechendem Preise das vom
Ausfuhrverbot betroffene Werk zu erwerben.
Selbst aber wenn Ankäufe geschehen, so ziehen
sich die Verhandlungen endlos hin und bei
einem großen Preise würde die Kaufsumme auf
eine Reihe von Jahren verteilt. Dasjenige, was
meist die Besitzer von hervorragenden Kunst-
werken zu ihrer Veräußerung treibt, die Not-
wendigkeit schneller Geldbeschaffung findet bei
einem Verkauf an den Staat nicht seine Be-
friedigung. So ist denn der heimliche Export
der Kunstwerke die einzige Möglichkeit, die
den Verkäufern offen bleibt, und sie haben ihren
Kunstschmuggel in raffinierter Weise organisiert.
Und daß eben die Ufficii per l'espoftazione
degli oggetti d'arte nicht imstande sind eine
wirksame Überwachung auszuüben, das wird
aus den Ausführungen Palmarinis nur allzu
klar. Er unterscheidet drei Formen des Kunst-
Schmuggels: den Detailschmuggel, den organi-
sierten Großschmuggel und den offiziellen
Schmuggel. Im Gepäck der Reisenden, in Auto-
mobilen, auf Privatjachten, mit Möbeltrans-
porten wandert in einzelnen Stücken eine Menge
der ausfuhrsteuerpflichtigen oder von der Aus-
fuhr ausgeschlossenen Kunstgüter aus dem Lande.
Der organisierte Kunstschmuggel wählt
den Weg des Meeres; mit Fischerboten werden
ganze Ladungen den passierenden Dampfern
zugeführt. Von geradezu komischem Charakter
ist aber der offizielle Kunstschmuggel,
der die großen Kunstwerke, „versehen mit allen
religiösen Tröstungen der Ausfuhrämter: Siege-
lung, Verschnürung, Erlaubnisschein usw." ins
Ausland bringt. Im Ausfuhramt erscheint eine
Kiste, um mit der Erlaubnis der Ausfuhr aus-
gestattet zu werden. Irgend eine moderne
Marmorbüste ist darin. Sie wird im Amt zu-
genagelt, kreuzweise verschnürt, plombiert und
verabschiedet. Im Magazin des Spediteurs
wird nun ein Brett des Deckels nach dem an-
deren losgelöst, der alte Inhalt entfernt, und
durch wichtige Schmuggelwaren ersetzt. So
kann dann sehr gut eine Büste des Donatello
Monatshefte für Kunstwissenschaft
angekauft worden ist. Auch hier ist das rein
künstlerische wieder merkwürdig weit fortge-
schritten, auch technisch steht sie höher als jene
Tassen. Aber die Masse ist ganz genau die-
selbe, wie bei jenen: sie ist wieder ganz gelb-
lich und durchscheinend und ebensowenig kom-
pakt. Kein Mensch würde dies Stück zunächst
für „Porzellan" halten und doch kann es wieder-
um nur, weil es durchscheinend aber nicht härt
ist, ein Frittenporzellan sein.
Aus allen diesen Stücken aber dürfte her-
vorgehen, daß, da diese künstlerisch schon ziem-
lich vorgeschritten sind, die Fabrik von
Rudolstadt doch beträchtliche Zeit ein Fritten-
porzellan produziert haben muß.
E. Zimmermann.
ITALIENISCHER KUNSTSCHMUGGEL.
Von Zeit zu Zeit geht durch die italienische
Presse ein Schrei der Entrüstung über heimlichen
Export von Kunstwerken ersten Ranges. Von
Seiten der Regierung wird alsdann versichert,
daß die Schuldigen wegen ihrer Verletzung des
gesetzlichen Ausfuhrverbotes zur Verantwor-
tung gezogen werden sollen, man hört aber
nie davon, daß dies in Wirklichkeit geschehen
ist. Jetzt handelt es sich wieder einmal um
einen solchen Fall: die Madonna der Luca
Signorelli, die sich im Palazzo Man-
cini in Cittä di Castello befand, ist in der
National-Gallery in London aufgetaucht;
alle zuständigen Behörden wußten nichts von
ihrem Flug über die Alpen. Das Bild, das
seinerzeit in einem Keller in Montone entdeckt
wurde, ist signiert und 1515 datiert und dadurch
natürlich besonders wichtig.1)
Angesichts dieses chronischen Zustandes von
Gesetzesverletzung ist es nun sehr bemerkens-
wert, wie ein sachverständiger Beurteiler, J. W.
Palmarini, Sekretär der „Ufficio per l'esporta-
zione degli oggetti d'Arte" zu Florenz, sich in
der letzten Nummer des „Marzocco" über die
für Italien so wichtige Angelegenheit äußert.
Eine Zahl möchte da zuerst hervorgehoben
werden; ihm Jahre 1907 wurden alte künst-
lerische Erzeugnisse im Werte von sage und
schreibe nur 162740 Lire dem Ausfuhramt von
Florenz vorgelegt. Wer da weiß, daß Florenz
die Zentrale des italienischen Kunsthandels ist
und aus Verfolgung der Ankäufe der Galerien
und der Privaten sich ein ungefähres Bild da-
von gemacht hat, wie hoch in Wahrheit sich
9 Wie sich nachträglich ergeben hat, ist das Bild doch
mit Erlaubnis des Ausfuhramtes und zwar desjenigen in
Rom exportiert worden.
die Werte der exportierten Gegenstände be-
laufen, dem ist klar, daß jene Summe vielleicht
den hundertsten Teil des effektiven Exportes
bedeutet, und daß das Gesetz in ungeheuer-
licher und öffentlicher Weise übertreten wird.
Daß dem aber so ist, daß das stumme Zusehen
der Behörden konstant geworden ist, das ist
nur die natürliche Folge der maßlosen Lasten,
die das Gesetz dem Verkäufer auferlegt und
der Ungerechtigkeit, die darin liegt, jemandem
die Veräußerung seines Besitzes überhaupt zu
verbieten, ohne daß der Staat bereit ist, auch
nur zu einem halbwegs der heutigen Lage des
Kunstmarktes entsprechendem Preise das vom
Ausfuhrverbot betroffene Werk zu erwerben.
Selbst aber wenn Ankäufe geschehen, so ziehen
sich die Verhandlungen endlos hin und bei
einem großen Preise würde die Kaufsumme auf
eine Reihe von Jahren verteilt. Dasjenige, was
meist die Besitzer von hervorragenden Kunst-
werken zu ihrer Veräußerung treibt, die Not-
wendigkeit schneller Geldbeschaffung findet bei
einem Verkauf an den Staat nicht seine Be-
friedigung. So ist denn der heimliche Export
der Kunstwerke die einzige Möglichkeit, die
den Verkäufern offen bleibt, und sie haben ihren
Kunstschmuggel in raffinierter Weise organisiert.
Und daß eben die Ufficii per l'espoftazione
degli oggetti d'arte nicht imstande sind eine
wirksame Überwachung auszuüben, das wird
aus den Ausführungen Palmarinis nur allzu
klar. Er unterscheidet drei Formen des Kunst-
Schmuggels: den Detailschmuggel, den organi-
sierten Großschmuggel und den offiziellen
Schmuggel. Im Gepäck der Reisenden, in Auto-
mobilen, auf Privatjachten, mit Möbeltrans-
porten wandert in einzelnen Stücken eine Menge
der ausfuhrsteuerpflichtigen oder von der Aus-
fuhr ausgeschlossenen Kunstgüter aus dem Lande.
Der organisierte Kunstschmuggel wählt
den Weg des Meeres; mit Fischerboten werden
ganze Ladungen den passierenden Dampfern
zugeführt. Von geradezu komischem Charakter
ist aber der offizielle Kunstschmuggel,
der die großen Kunstwerke, „versehen mit allen
religiösen Tröstungen der Ausfuhrämter: Siege-
lung, Verschnürung, Erlaubnisschein usw." ins
Ausland bringt. Im Ausfuhramt erscheint eine
Kiste, um mit der Erlaubnis der Ausfuhr aus-
gestattet zu werden. Irgend eine moderne
Marmorbüste ist darin. Sie wird im Amt zu-
genagelt, kreuzweise verschnürt, plombiert und
verabschiedet. Im Magazin des Spediteurs
wird nun ein Brett des Deckels nach dem an-
deren losgelöst, der alte Inhalt entfernt, und
durch wichtige Schmuggelwaren ersetzt. So
kann dann sehr gut eine Büste des Donatello