Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI issue:
Heft 5
DOI article:
Schmid, Heinrich Alfred: Die Stuppacher Madonna des Matthias Grünewald
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0389

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Schmid. Die Stuppacher Madonna des Matthias Grünewald

381

Der Baum, der unmittelbar hinter dem Gefäße steht, hat rote Blüten und ist
wahrscheinlich, wie Lange angibt, ein Granatbaum. Rechts auf der Brüstung steht
ein Topf mit violettroten nelkenartigen Blumen (vermutlich Lychnis, Lichtnelke). Weiter
hinten eine Art Geländer, unter dem verschiedene Pflanzen sprießen. Ein Johannis-
beerstrauch mit Beeren ist mit großer Wahrscheinlichkeit festzustellen. Die Zeit, da
die Beeren reifen, würde auch als Blütezeit der übrigen Pflanzen, soweit sie bestimm-
bar sind, passen. Die gothische Kirche im Hintergründe bildet ein äußeres Indizium
für die Autorschaft Grünewalds; sie stellt zwar bestimmt nicht die Maria Schneekapelle
in Aschaffenburg vor, wie ich früher vermutet habe. Die dortige Freitreppe, die an
die im Bilde erinnert, stammt aus dem 17. Jahrhundert, und ob der dortige Giebel
ehemals auch nur im entferntesten an den der Querschiffassade im Bilde erinnert hat,
wissen wir nicht, denn das ganze Dach ist im 17. oder 18. Jahrhundert umgebaut
worden und der jetzige gothische Giebel stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Allein es ist im Bilde sicher das Straßburger Münster dargestellt. Von der
zweiteiligen Querschiffassade sind einige Einzelheiten mehr der nördlichen, andere der
südlichen entnommen. Es stimmt aber auch die außergewöhnliche Gesamtdisposition
des Baues überein, daß sich nämlich der Chorschluß unmittelbar an das Querschiff
anschließt. Da zweischiffige Querhäuser auch sonst vorkommen, fragte ich noch bei
G. von Bezold an und dieser erklärte bestimmt, daß das Straßurger Münster dar-
gestellt sei.
Auf der linken Seite des Bildes sieht man zu unterst eine weiße Schale mit
einem Rosenkranz von roten Perlen, dann einen grünen Krug, oberhalb der Brüstung
steht ein Feigenbaum, zwischendurch sieht man auf eine Wiese, in der Tiefe derselben
befindet sich ein Stand mit Bienenkörben und daneben ein zweiter Granatbaum, un-
mittelbar dahinter ein Zaun mit einem Gatter, durch das der Weg von der Kirche
zum Städtchen führt. Durch die Latten des Zaunes sieht man dann noch eine zweite
Wiese und die ersten Häuser einer Ortschaft.
Das Licht kommt vorne und noch bei den Häusern des Städtchens von links
oben, dazu würde die Stellung des Regenbogens noch leidlich stimmen. Hinten werden
aber die Berge von rechts hell bestrahlt, als ob die Sonne hinter der Kirche sich be-
finden würde. Es hebt sich auch die Silhouette der Kirche von der Luft dunkel ab.
In mehreren Aufnahmen sind freilich die lichtblauen Schatten des Gebirges heller ge-
kommen als die um weniges helleren gelben Lichter, so daß die Beleuchtung die
umgekehrte zu sein scheint und mit dem Vordergründe stimmt, aber in den er-
haltenen Teilen neben dem Kopf der Maria ist die Sache im Original wirklich
unrichtig.
Daß nun die Komposition schon durch die Beschneidung der Ränder etwas
alteriert wurde, ° scheint mir wenigstens wahrscheinlich. Ich habe mir die Maße
185: 145 aufnotiert. Lange hat dieselben auf 186: 150 angegeben. Ein einfacheres
Verhältnis von Höhe zu Breite wie etwa 200:150, 186:186 oder 190:152 (d. h. 5:4)
ist an sich wahrscheinlicher. Eine leise Dissonanz, wie vor Gemälden, die tatsächlich
angestückt oder beschnitten sind, empfinde ich auch vor den farblosen Abbildungen.
 
Annotationen