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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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Schmarsow, August: Über die karolingischen Wandmalereien zu Münster in Graubünden
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0398

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

blieb die Ausführung der immer wiederkehrenden Fassung doch gewiß Hilfskräften
überlassen, nach denen wir nicht weiter zu fragen brauchen.
Dagegen leuchtet sofort ein, daß zwischen der Behandlungsweise der Altarwand
und der drei übrigen bei aller Gemeinsamkeit der Schule ein Unterschied waltet. Über
die Historienbilder muß vor allem die Nordwand Zeugnis geben, da an der westlichen
Schmalseite, die in vier Felder geteilt war, fast nur noch die Hälfte des dritten und
das ganze vierte an die Nordmauer anstoßende erhalten sind, während die acht Felder
der Südwand, infolge eines Brandes, so gut wie unkenntlich dastehen. Die ent-
sprechenden acht Szenen der Nordwand bekunden jedoch zusammen desto einheitlicher
den hochentwickelten malerischen Sinn, die weiche, etwas sorglos dekorative Vortrags-
weise. „Die Pinselführung ist breit und willkürlich; — keine zeichnerische Scheidung
von Umriß und farbiger Füllung: Zeichnung und Farbe vielmehr unlöslich in der
malerischen Anschauung verbunden." Das kundige Auge des Forschers, dem wir die
farbigen Aufnahmen verdanken, läßt uns auch in das Verfahren des Malers hinein-
blicken. „Erst wurden die Lokalfarben hingesetzt, dann die dunkleren Töne eingetragen,
bald in breiten Massen, bald in weicher Linie, die jeden Augenblick wieder in flächige
Breite übergehen kann." Dieser Maler behandelt die Haare breit und massig, nicht
zeichnerisch eingehend, hebt die Gesichtszüge mit flotter Einfachheit hervor, namentlich
um die Augen, für die Fernwirkung gelegentlich übertreibend, isoliert die Formen auf
dunklerer Umgebung durch weiße Umrandung — genug, er arbeitet überall mit freier
Routine, für deutliche Erkennbarkeit der entscheidenden Teile, und doch für den
harmonischen Zusammenhang des Bildganzen, dem zuletzt alle Mittel seiner summari-
schen Hantierung dienen. Nur ein erfahrener, im Vollbesitz einer langen Tradition
der Wandmalerei gewiegter Meister, vermag so etwas zu leisten.
Den Gesamteindruck der Malerei dagegen, die einst oben an der Altarwand
zu sehen war, vermag nur geduldige Hingebung wieder zu erwecken. Indessen sind
gerade diese Überreste des Ursprünglichen von hinreißender Großzügigkeit, auch in
der Farbengebung und malerischen Behandlung allein. „Die Pinselführung ist hier
bestimmter und energischer, die Zeichnung der Falten von größerem Zug als in den
alttestamentlichen Geschichten, die Modellierung der Gesichter eingehender, in den
tiefsten Schatten bis zu dunklem Braun." Man spürt die vorbildliche Strenge des
monumentalen Stiles, wie uns in Basiliken Roms die Mosaiken der Apsis über Zeit
und Ort hinausheben, und doch sind diese Erscheinungen hier nicht mehr zeitlos und
unwandelbar, wie die mächtigsten Beispiele jener Verewigungskunst. Eben hier hebt der
Verfasser des Textes die überraschende Ähnlichkeit mit den spärlichen Überbleibseln
karolingischer Malerei hervor, die 1871 in der Domkapelle zu Aachen entdeckt und
damals sorgfältig aufgenommen, aber dann geopfert wurden, so daß wir sie heute nur
aus jenen Abbildungen kennen.1) „Ganz gleich ist hier wie dort die Fläche mit glattem
Tone okergelb angelegt, sind graue Schatten mit breitem Pinselstrich unvertrieben
hineingezogen, Lichter in langen, parallelen weißen Linien daneben gelegt, schwarze
9 In Farbendruck bei P. Clemen, Die romanischen Wandmalereien der Rheinlande.
Düsseldorf 1905. Taf. 2.
 
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