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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI issue:
Heft 5
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Schmarsow, August: Über die karolingischen Wandmalereien zu Münster in Graubünden
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0405

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Sdimarsow. Über die karoling. Wandmalereien zu Münster in Graubünden 397


wie zusammenhalten, d. h. auch hier das innige, unlösbare Einverständnis zwischen
dem malerischen und dem zeichnerisdien Charakter des Urbildes beweisen, —- all
diese bis jetzt erkennbaren Vorzüge bezeugen den Wert der Überlieferung, die hier
noch lebt und verstanden wird. Mit dekorativer Meisterschaft ist für die Bewältigung
einer so ausgedehnten Fläche über den Apsiden ein Zug einheitlicher Profilbewegung
durchgeführt. Obwohl der Künstler den Überschneidungen der Figuren nicht aus dem
Wege geht, die räumliche Verteilung vor- und hintereinander mit den verschiedenen
Höhenlagen wirksam verbindet, ist eben durch jenes Mittel die architektonische
Funktion der Stirnwand über den wirklichen Raumvertiefungen, der Tribuna und ihren
Seitenkonchen, gewahrt. Das sind Eigenschaften, die wir weder in den karolingischen
Mosaiken Roms, noch in den um 750 entstandenen Heiligenbildern von S. Maria
antiqua so wiederfinden, also Beweise einer Überlegenheit künstlerischer Art, die um
so mehr für das Zentrum dieser Schule ins Gewicht fällt, als wir doch im entlegensten
Winkel des Reiches für ein weltabgeschiedenes Kloster nicht gerade den Aufwand
allerbester Kräfte erwarten dürfen.
Andererseits aber, vergleichen wir die Leistung, die hier zu Münster in Grau-
bünden vorliegt, mit den älteren Mosaiken in römischen Basiliken, so ist auch die
Abwandlung von antiker Größe zu einem ernsteren, innerlicheren, nicht mehr allein
mit dem Körperbilde plastisch rechnenden Kunstgeist wohl erkennbar. Das Medaillon
mit dem Christuskopf darin ist für die zentrale Stellung, als Ziel aller Bewegung
der Engel und Apostel von beiden Seiten her, auffallend klein. Kein Gedanke mehr,
die übermenschliche Größe des Angesichts, wie eines strahlenden Helios zu geben;
aber auch nichts von der furchtbaren Gewalt des Antlitzes am Triumphbogen von
S. Paolo fuori le mura. Hier waltet dagegen eher die Scheu, das Bild zu zeigen; es
geht vor ihnen auf, aber von Engeln getragen, aus der Ferne aufleuchtend; merk-
würdig klein, nicht greifbar, nicht voll durch sich selber wirkend, sondern mehr durch
den Kreuznimbus kenntlich und durch die Himmelsboten ausgezeichnet. Ein Schritt
weiter würde zur Unterdrückung des Bildes der Gottheit selber führen und das Symbol
allein an seine Stelle setzen. Wir sind zweifellos auf dem Wege zur geheimnis-
vollen Behandlung, zur transitorischen Offenbarung des heiligen Mysteriums, und
dürfen an ähnliche Verschleierung des Meßopfers auf dem Altar bis zur Umdrehung
des Priesters gegenüber der Gemeinde erinnern.
Derselbe Wandel kündigt sich in der Konzeption der Gesamtdarstellung an: wir
sehen nicht mehr die Apostel allein, denen der Herr erscheint, wie er einst mit ihnen
 
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