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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 5
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Glaser, Curt: Die Raumdarstellung in der japanischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0422

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Monatshefte für Kunstwissenschaft


Abb. 11. MOTONOBU KANO: Landschaft
Kokka 179, 3 □

form der bildenden Kunst entstammt. Denn
gleichwie die Welt für das primitive Denken
objektiven Bestand hat, so das Kunstwerk,
das als Abbild, als unmittelbare Nachahmung
dieser Wirklichkeit aufgefaßt wird. Daß der
Gedanke an eine subjektive Erscheinungsform
noch nicht auftaucht, daß vielmehr die objektiv
gültigen Maße, die man den Naturdingen
abzunehmen glaubt, das erstrebte Ziel bilden,
darf uns nicht verwundern, scheint doch noch
in der griechischen Kunst das Auftauchen des
subjektiven Elements erst mit den erkenntnis-
theoretischen Bemühungen der Sophisten zu-
sammenzufallen. Das Kunstwerk hat in der
Frühzeit objektiven Bestand, es ist nicht in
unserem Sinne für den Beschauer da, braucht
nicht auf den Menschen zu warten, um von
ihm aus erst Sinn und Leben zu bekommen.
Ein Rest dieser alten, objektiven Denkweise
liegt nun auch noch den entwickelten Formen
der umgekehrten Perspektive zugrunde, trotz-
dem die Entwicklung auch hier notwendig
zu einem Subjektivismus führen mußte, nicht
von einem möglichen Beschauer aus, der
immer außerhalb, vor dem Bilde seinen Stand-
ort hat, und von dem allein die gegebenen
Ansichten und Überschneidungen der Dinge
einen Sinn haben, wohl aber von einem
ideellen Standort im Bilde selbst, in den sich
einzufühlen die Aufgabe des Betrachters ist.
Eine offenkundige Inkonsequenz wohnt
somit der Darstellungsform der umgekehrten
Perspektive inne. Daß sie trotzdem gerade
in der japanischen Kunst mit so äußerster
Folgerichtigkeit und zu so hoher, künstlerischer
Vollendung ausgebildet werden konnte, scheint
in den besonderen Bedingungen der japani-
schen Kultur selbst eine Erklärung zu finden.
Denn es handelt sich nicht um eine boden-
ständige Entwicklung, sondern um Dar-
stellungsformeln, die bereits zu einer gewissen
Ausbildung gediehen mitsamt den ihnen inne-
wohnenden künstlerischen Gedanken über-
 
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