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Monatshefte für Kunstwissenschaft
die durch bloße Galeriestudien nicht erworben werden. Über Altbayern hinweg haben
die Donauleute während des ganzen Mittelalters mit der ostalpinen Kultur in reger
Beziehung gestanden und mutmaßlich war es Salzburg, das diesen Verkehr vermittelt
hat. Die frei malerische Tendenz des Donaustiles, die so leicht zu barocker Maß-
losigkeit verwildert, die Neigung zu diffuser Anordnung, die Vorliebe für die Schilderung
der Waldnatur, des atmosphärischen Lebens und baulicher Innenansichten lassen sich
in Bildern der Zeit von Oberbayern bis nach Steiermark verfolgen. Ein starker
bäuerlicher Einschlag geht umgekehrt durch die gesamte Donaumalerei. Diese Ver-
wandtschaft, in der einfach der gemeinsame altbajuvarische Volkskern der fraglichen
Gebiete durchbricht, hat dazu geführt, in zahlreichen Produkten der Gebirgsmalerei
„Regensburger" Einflüsse zu erblicken. Da wird eine Susannendarstellung aus Schloß
Ambras in der Wiener Galerie (No. 1420), die von dem nämlichen handfesten Tiroler
herrührt wie ein Hiobsbildchen des Innsbrucker Ferdinandeums (No. 75) bald als
Regensburger Schularbeit, bald als Jugendwerk Cranachs angesprochen. Da gibt es
im Landesmuseum zu Graz einen sogenannten Altdorfer-Altar aus dem Jahre 1518
mit dem Monogramm °A°A, größtenteils nach Dürers kleiner Passion kopiert, der aus
dem Ennstale (Landl bei Reifling) stammt. Da birgt die Dorfkirche von Gampern in
Oberösterreich einen umfänglichen Flügelschrein, von dem einzelne Gemälde in einer
öffentlichen Sammlung der Benennung Ostendorfer schwerlich entgehen würden,
obwohl ihr Verfertiger zuverlässig in dem Winkel zwischen Donau, Enns und Traun
zu Hause gewesen und z. B. auch in der Galerie von St. Florian mit zwei Tafeln
(Thomas und Elisabeth) vertreten ist.
Die nämliche Malweise reicht aber mit ihren Verzweigungen bis in eine süd-
lichere Region. Aus dem kärntnerischen Schlosse Mannsberg ist unlängst in die Samm-
lung Figdor in Wien ein Bildchen mit dem im Tempel lehrenden Christusknaben ge-
langt, das sich über seine Herkunft durch den unverfälscht einheimischen Malernamen
V. Dörtschacher neben der Jahreszahl 1508 auf dem Rahmen ausweist (Abb. 6)?) Ganz
Altdorferisch gemalt, zeigt die Tafel, wie früh die in Rede stehende Richtung in jenen
Gegenden Fuß gefaßt hat, denn die ältesten bekannten Bilder Altdorfers selbst rühren
erst aus dem Jahre 1507 her. Jetzt wird man auch Malereien wie die nach Waagens
Urteile Altdorfer nahe verwandte heilige Sippe mit dem Monogramm IP und dem
Datum 1514 in der Wiener Akademie, das poesievolle Martyrium der heiligen Katharina
im Kloster Wilten bei Innsbruck (Abb. 7) und sechs der Schule Ostendorfers zugeteilte
Passionsszenen auf Schloß Tratzberg im Unterinntale für die tirolische oder inneröster-
reichische Schule reklamieren dürfen. Finden wir doch Zeugen derselben Kunstweise in
den welschtiroler Grenzbezirken, z. B. auf den Flügeln eines Altares in der Pfarrkirche
zu Corvara im ladinischen Ennebergtale, ja „Regensburger" Anklänge begegnen hier
9 Ähnlich zusammengesetzte Ortsnamen wie Pörtschach, Görtschach, Mörtschach — der
Auslaut „ach", ist eine slavische Lokalendung — kommen in den östlichen Alpenländern, besonders
in Kärnten häufig vor. In Unterkrain, Gerichtsbezirk Rudolfswert, gibt es ein Dörfchen Dörtscha. —
Die unserer Illustration zu Grunde liegende Aufnahme des wertvollen Gemäldes ist der Liberalität
Herrn Dr. Albert Figdors zu verdanken.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
die durch bloße Galeriestudien nicht erworben werden. Über Altbayern hinweg haben
die Donauleute während des ganzen Mittelalters mit der ostalpinen Kultur in reger
Beziehung gestanden und mutmaßlich war es Salzburg, das diesen Verkehr vermittelt
hat. Die frei malerische Tendenz des Donaustiles, die so leicht zu barocker Maß-
losigkeit verwildert, die Neigung zu diffuser Anordnung, die Vorliebe für die Schilderung
der Waldnatur, des atmosphärischen Lebens und baulicher Innenansichten lassen sich
in Bildern der Zeit von Oberbayern bis nach Steiermark verfolgen. Ein starker
bäuerlicher Einschlag geht umgekehrt durch die gesamte Donaumalerei. Diese Ver-
wandtschaft, in der einfach der gemeinsame altbajuvarische Volkskern der fraglichen
Gebiete durchbricht, hat dazu geführt, in zahlreichen Produkten der Gebirgsmalerei
„Regensburger" Einflüsse zu erblicken. Da wird eine Susannendarstellung aus Schloß
Ambras in der Wiener Galerie (No. 1420), die von dem nämlichen handfesten Tiroler
herrührt wie ein Hiobsbildchen des Innsbrucker Ferdinandeums (No. 75) bald als
Regensburger Schularbeit, bald als Jugendwerk Cranachs angesprochen. Da gibt es
im Landesmuseum zu Graz einen sogenannten Altdorfer-Altar aus dem Jahre 1518
mit dem Monogramm °A°A, größtenteils nach Dürers kleiner Passion kopiert, der aus
dem Ennstale (Landl bei Reifling) stammt. Da birgt die Dorfkirche von Gampern in
Oberösterreich einen umfänglichen Flügelschrein, von dem einzelne Gemälde in einer
öffentlichen Sammlung der Benennung Ostendorfer schwerlich entgehen würden,
obwohl ihr Verfertiger zuverlässig in dem Winkel zwischen Donau, Enns und Traun
zu Hause gewesen und z. B. auch in der Galerie von St. Florian mit zwei Tafeln
(Thomas und Elisabeth) vertreten ist.
Die nämliche Malweise reicht aber mit ihren Verzweigungen bis in eine süd-
lichere Region. Aus dem kärntnerischen Schlosse Mannsberg ist unlängst in die Samm-
lung Figdor in Wien ein Bildchen mit dem im Tempel lehrenden Christusknaben ge-
langt, das sich über seine Herkunft durch den unverfälscht einheimischen Malernamen
V. Dörtschacher neben der Jahreszahl 1508 auf dem Rahmen ausweist (Abb. 6)?) Ganz
Altdorferisch gemalt, zeigt die Tafel, wie früh die in Rede stehende Richtung in jenen
Gegenden Fuß gefaßt hat, denn die ältesten bekannten Bilder Altdorfers selbst rühren
erst aus dem Jahre 1507 her. Jetzt wird man auch Malereien wie die nach Waagens
Urteile Altdorfer nahe verwandte heilige Sippe mit dem Monogramm IP und dem
Datum 1514 in der Wiener Akademie, das poesievolle Martyrium der heiligen Katharina
im Kloster Wilten bei Innsbruck (Abb. 7) und sechs der Schule Ostendorfers zugeteilte
Passionsszenen auf Schloß Tratzberg im Unterinntale für die tirolische oder inneröster-
reichische Schule reklamieren dürfen. Finden wir doch Zeugen derselben Kunstweise in
den welschtiroler Grenzbezirken, z. B. auf den Flügeln eines Altares in der Pfarrkirche
zu Corvara im ladinischen Ennebergtale, ja „Regensburger" Anklänge begegnen hier
9 Ähnlich zusammengesetzte Ortsnamen wie Pörtschach, Görtschach, Mörtschach — der
Auslaut „ach", ist eine slavische Lokalendung — kommen in den östlichen Alpenländern, besonders
in Kärnten häufig vor. In Unterkrain, Gerichtsbezirk Rudolfswert, gibt es ein Dörfchen Dörtscha. —
Die unserer Illustration zu Grunde liegende Aufnahme des wertvollen Gemäldes ist der Liberalität
Herrn Dr. Albert Figdors zu verdanken.